Ingolstadt
Kammerspiele über der Donau

Mit ihrem Entwurf lassen Bürgermeister Sepp Mißlbeck und Architekt Peter Bachschuster aufhorchen

21.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:29 Uhr
Ein Hingucker sind die Kammerspiele in den Entwürfen von Peter Bachschuster auf alle Fälle. Anders als die Sieger des städtischen Architektenwettbewerbs hat er als Standort das unmittelbare Donauufer und nicht den kleinen Park zwischen Museum für Konkrete Kunst und Schlosslände vorgesehen. −Foto: Eberl / Entwürfe: Bachschuster Architekten

Ingolstadt (DK) Mit einem handgezeichneten Entwurf für die Kammerspiele hat Bürgermeister Sepp Mißlbeck kurz vor Weihnachten schon die Juryentscheidung im Architektenwettbewerb überschattet, nun geht er mit einem darauf aufbauenden, ausgefeilten Plan an die Öffentlichkeit.

Und dieser sieht den Ersatzbau für das Kleine Haus des Ingolstädter Stadttheaters direkt an der Donau, ein Drittel des Gebäudes soll sogar in den Fluss ragen.

Aufgesetzt hat ihn der Ingolstädter Architekt Peter Bachschuster, der sich wie Mißlbeck bei den UDI engagiert. "Er hat sich aus freien Stücken damit beschäftigt", sagt Mißlbeck. Bachschuster wiederum betont, dass Mißlbecks erste Handzeichnung nicht aus seiner Feder stamme. Seine Motivation als gebürtiger Ingolstädter sei diese: "Das Projekt reizt mich. Es ist vielleicht die letzte Chance, die Donau ins Stadtbild einzubinden. " Das habe er - wie viele Ingolstädter - nie verstanden, warum der Fluss "wie ein Messerschnitt" durch die Stadt gehe. "Die Stadt an die Donau, die Donau in die Stadt" - so könnte das Motto lauten.

Dass der Entwurf zum jetzigen Zeitpunkt auf den Tisch kommt, hat eine gewisse Brisanz, da die Stadt bekanntlich mitten im Verhandlungsverfahren mit den Architekturbüros (Blauraum/Hamburg, Morger Partner/Basel und Staab/Berlin) steckt, welche von der Jury einstimmig auf die ersten drei Plätze des Wettbewerbs gehoben wurden. Alle eint, dass sie die Kammerspiele vis-à-vis des Stadttheaters auf der Grünfläche hinter dem Museum für Konkrekte Kunst errichten wollen: Die liegt wiederum über der Theatertiefgarage, in der wohl einige der vor nicht allzu langer Zeit sanierten Stellplätze wegfallen müssten.

Wie viele genau und was die drei Projekte der Büros jeweils genau kosten würden (30 Millionen Euro sind eingeplant), das soll mit einer Machbarkeitsstudie geklärt werden, über die in den Stadtratsgremien ab dem 2. Juli (an einem Tag erstmals im Aufsichtsrat der verantwortlichen INKoBau und im Stadtplanungsausschuss) beraten und diese letztlich auf den Weg bringen sollen.

"Als Diskussionsbeitrag und nicht, um das Verfahren zu torpedieren" stellt Mißlbeck nun über den DK den Entwurf vor, um den er seinen langjährigen Weggefährten Peter Bachschuster gebeten hat. Der vor allem in China sehr aktive Stadtplaner betont gleich, er habe die Planungen "nicht gemacht, um auf das Verfahren einzuwirken oder den Kollegen reinzugrätschen". Am ursprünglichen Wettbewerb habe er sich nicht beteiligen können, "da der Zeitrahmen für unser Büro damals zu eng war". Nach der Juryentscheidung und dem Abschluss dieser Phase des Verfahrens wolle er sich in seiner Heimatstadt aber nun "mit einer freien Architektenmeinung an die Öffentlichkeit gehen".

Bachschusters Entwurf sieht ein sehr modernes und markantes Gebäude vor, das "eine ,Landmark', ein Hingucker" sein soll. Es soll sich ganz bewusst in der Formensprache vom denkmalgeschützten Hämerbau des Stadttheaters aus den 1960ern abgrenzen. "Wir wollten was komplett Konträres dagegensetzen, um den unterschiedlichen Zeitgeist der Epochen zu zeigen", sagt der Architekt. Seine Kammerspiel thronen als in der Nacht weithin leuchtender Fixpunkt erhöht über der Schlosslände, großen Steinstufen zur Donau und dem Fluss selbst. Hochwasser soll kein Problem sein, "dann sind maximal die Stufen überspült". Die Straße wird unter dem Gebäude hindurchgeführt, und könnte leicht vertieft schon während der Bauzeit des Gebäudes weitergenutzt werden. Eine Grünbrücke (ähnlich der im Luitpoldpark über die Ringstraße) solle einen einladenden Zugang zum Donauufer bieten.

Zwei Gedanke leiten Bachschuster dabei, sagt er: Einmal die Donau und die Mischung des Theaterpublikums mit den Flanieren am Fluss, zweitens die Idee von "ein bisschen Wolkenbügel"; bezogen auf den legendären Braunfels-Entwurf für das Gießereigelände.

Im Herzen des Bachschuster-Baus steckt der Saal der Kammerspiele, der von großzügigen Glasfronten umgeben sein und umwandelt werden können soll, was einen spektakulären Ausblick auf den Fluss in einem wohl nicht minder beeindruckenden Bauwerk bieten könnte.

Ein separates Gebäude hinter dem bisherigen Stadttheater soll die dringend benötigten Werkstätten beherbergen. Ein Steg soll Stadttheater und Neubau verbinden. "Dafür müsste nur eine Platane wegkommen", betont Sepp Mißlbeck, der um den nicht nur wegen Urheberrechtsfragen umstritten Wunsch von Verantwortlichen nach einem direkten Südanbau ans Stadttheater weiß.

Bezogen auf die Wirkung seines (und Bachschusters) Vorschlag ist der Bürgermeister realistisch. Dass in den genanten Stadtratsdebatten eine sofortige Mehrheit für seinen Plan und ein Stopp des bisherigen Verfahrens kommen wird, ist nicht zu erwarten; zumal ein Dreivierteljahr vor den Kommunalwahlen. Eher werden die Machbarkeitsstudien genehmigt, damit auf deren Basis der dann neu gewählte Stadtrat im Frühjahr/Sommer 2020 die Entscheidung für oder gegen den Standort auf der Tiefgarage trifft. Parallele Planungen für beide Standorte können freilich nicht laufen. Und sollte die Donau tatsächlich in den Blick kommen, müsste ein neuer Wettbewerb ausgerufen werden, an dem sich auch Bachschuster ganz normal beteiligen müsste.

In einer ersten Stellungnahme zeigte sich OB Christian Lösel am Freitag sehr überrascht von dem Entwurf, "wie alle in der Stadtverwaltung". Er habe bisher auch nur einen schnellen Blick darauf werfen können. Lösel betonte sofort, dass der Beitrag natürlich nicht ins laufende Verfahren eingebunden werden könne. Mit einer persönlichen Einschätzung hielt sich der Rathauschef auf DK-Anfrage zurück. Er wiederholte seine politische Aussage, wonach er fest zum Bau der Kammerspielen stehe. Nur eben sei der Standort nach wie vor offen. "Die Stadtgesellschaft wird diskutieren müssen. Die Stadträte sind aufgefordert, das in den Gremien zu tun. " In diesem Sinne sei der nun vorliegende Vorschlag vielleicht gar nicht schlecht.

Christian Rehberger