Ingolstadt
Das Happy End ist noch fern

Stefanie K. erhoffte sich Hilfe von RTL – Heute bereut sie die Entscheidung

02.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:05 Uhr

Hilfe aus dem Fernsehen: Die Ingolstädterin Stefanie K. erhoffte sich Unterstützung von der RTL-Sendung „Helena Fürst – Anwältin der Armen“. Mit dem, was sie dann auf der Mattscheibe sah, war sie jedoch alles andere als einverstanden - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) In einer schwierigen Lebensphase wandte sich Stefanie K. aus Ingolstadt an RTL. Der Fernsehsender erzählte ihre Geschichte – aber nicht ganz, findet sie.

Das bisherige Leben von Stefanie K. verlief ideal für eine Coaching-Sendung im Privatfernsehen. Ein Verkehrsunfall warf die gebürtige Thüringerin, die heute in Ingolstadt lebt, 2009 völlig aus der Bahn. Körperlich und psychisch verletzt verlor die Krankenschwester erst ihre Arbeit, dann die Wohnung, ihre beiden Kinder kamen ins Heim. In ihrer Verzweiflung meldete sie sich bei Helena Fürst. Die „Anwältin der Armen“ nimmt sich auf RTL schwierigen Schicksalen an, „sie hilft Menschen, die nicht mehr weiter wissen“, heißt es in der Selbstbeschreibung der Sendung.

Nach einem Casting, bei dem auch die zehn und zwölf Jahre alten Kinder K.s aufgenommen wurden, kamen im November 2010 schließlich Helena Fürst und ein Team der Produktionsfirma SolisTV nach Ingolstadt. Sie beleuchteten das Leben K.s aus allen Perspektiven, drehten in ihrem Geburtsort, interviewten die Halbschwester und die Kinder, setzten sich bei der Versicherung des Unfallgegners für die alleinerziehende Mutter ein. Schließlich vermittelten die Fernsehleute ihr eine Wohnung und befreiten sie aus der Sozialpension, in der K. lebte. Dass sie dazu ihr gesamtes Leben erzählen musste, nahm K. in Kauf. Sie berichtete, wie sie erst mit zwölf erfuhr, dass sie adoptiert ist, von der Suche nach ihren leiblichen Eltern, von ihrer psychischen Erkrankung und der Sorge um die Kinder. Am 8. Juni wurde die Sendung ausgestrahlt. An Pfingsten kam RTL wieder. Gedreht wurde für einen kurzen Nachbericht. Zu sehen war unter anderem, wie froh K.s Kinder in der neuen Wohnung sind und ihre Mutter in die Arme schließen. Happy End.

Als der Nachbericht das erste Mal gesendet wird, liegt K. im Krankenhaus. Wegen eines Nervenzusammenbruchs wird sie in einer Klinik behandelt. Mit der Darstellung von RTL ist sie absolut nicht einverstanden. In dem zweiten Beitrag werde behauptet, die Kinder lebten bei ihr. „Aber das stimmt nicht“, sagt sie. Nach wie vor seien der Sohn und die Tochter in einer sozialen Einrichtung untergebracht. Noch immer kämpft K. mit ihren psychischen Problemen. Die sind so stark, dass das Jugendamt ihr jetzt sogar das Sorgerecht entzogen hat. Außerdem entspricht die Einrichtung der neuen Wohnung noch nicht den Vorstellungen des Jugendamtes. Im nächsten Jahr will K. eine Therapie machen, um ihre Kinder wieder dauerhaft zu sich nehmen zu dürfen. All das habe RTL gewusst, sagt die 36-Jährige. Eine Redakteurin von SolisTV habe sie nach ihrem Zusammenbruch besucht, der habe sie von ihrer Situation erzählt. Dennoch habe RTL die „Friede-Freude-Eierkuchen-Version“ gezeigt. Ihre Kinder müssten in der Schule erklären, dass ihr Alltag anders aussieht, als er im Fernsehen dargestellt worden sei.

Matthias Frey von RTL bestätigt, dass es auch nach den Dreharbeiten immer wieder Kontakt zu Frau K. gegeben hat. RTL kümmere sich schließlich auch nach den Dreharbeiten um die Protagonisten. Die Verschlechterung von K.s Situation sei nicht dargestellt worden, um sie „nicht in einem schlechten Licht“ erscheinen zu lassen. Man wollte nicht zeigen, „dass sie es nicht geschafft hat“. Der kurze Nachbericht sei auch nicht als „Update“ zu verstehen, sondern stelle lediglich eine Zusammenfassung der vorausgegangenen Sendung dar. Helena Fürst unterstütze Menschen in ihrem Kontakt mit Ämtern und Behörden und könne nicht bei psychischen Problemen helfen. Die Darstellung von RTL solle K. auch als Motivation dienen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Zur Zeit der Dreharbeiten hätten die Kinder tageweise bei ihrer Mutter gelebt. „Damit war die Geschichte für uns erzählt“, so Frey. Ein Mitschnitt der Sendung, um K.s Vorwürfe, es werde behauptet, ihre Kinder lebten dauerhaft bei ihr, auszuräumen, war bei RTL auf die Schnelle nicht zu organisieren.

„Eines Tages wird RTL mit seiner Darstellung recht haben“, verspricht sich K. heute. Trotz der Starthilfe, die der Privatsender ihr zweifellos gegeben hat, ist K. sich sicher: „Wenn ich mal wieder Unterstützung brauche, geh ich bestimmt nicht noch einmal zu RTL.“