Ingolstadt
Aus der Tiefe der Geschichte

Streit um Wohnungsbau an der Spitalhofstraße führt zu der Frage: Wie belastet ist der Untergrund?

10.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:05 Uhr

Schöner wohnen im Südwesten: Ein Schild wirbt an der Spitalhofstraße für die geplanten Wohnungen. Das Projekt stößt allerdings bei den Anliegern auf Widerstand. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Eine Wiese in Haunwöhr entwickelt sich möglicherweise zum politischen Minenfeld: An der Spitalhofstraße sollen 130 Wohneinheiten entstehen. Unter den Anliegern regt sich Widerstand. Zudem ist mit Altlasten zu rechnen. Der Stadt ist das Problem bekannt.

Man darf von einer Wiese mit Vergangenheit sprechen: Dort an der Spitalhofstraße, wo 130 Wohnungen entstehen sollen, ist eine Altlast ungewöhnlicher Art verborgen: ein Kampfflugzeug der US-Air-Force vom Typ Mustang. Die Maschine hatte sich hier am 10. September 1944 in eine Kiesgrube gebohrt, nachdem es von einer Flak erwischt worden war. John Reynolds, der Pilot, war mit dem Fallschirm abgesprungen; kurz nach seiner Festnahme wurde er umgebracht (siehe Artikel rechts).

Der Heimatforscher Hans Fegert hat die düstere Geschichte in seinem Buch „Angriffsziel Ingolstadt“ geschildert. Er ist sich sicher, dass der Tiefflieger unter dem anvisierten Bauland liegt. „Man hat die Mustang nie rausgeholt, weil sie so weit unten ist.“ Der damalige Kiesweiher sei „mehr so eine Lache gewesen“, meint Fegert. „Man hat ihn den Schwaiger-Weiher genannt.“

Als der DK vor drei Wochen im Zuge seiner Sommerserie in Haunwöhr Station machte, war zu erleben, wie stark das einstige Gewässer im kollektiven Gedächtnis älterer Bürger verankert ist. Einige wussten sogar noch, „dass da unten ein Flugzeug liegt“, allerdings ohne die Geschichte zu kennen. Um so detailreicher ist dagegen die weitere Nutzung des Tümpels überliefert: „Da hat man über die Jahre allen möglichen Dreck reingekippt“, berichteten viele unabhängig voneinander. Sogar alte Gasflaschen. „Wir sind als Buben überall reingehüpft, aber in diese Brühe nie“, erzählte einer, der hier aufgewachsen ist.

Diese Jugenderinnerung gewinnt nun wieder an Relevanz. Nicht allein wegen der Altlasten, sondern weil sich in der engen und oft zugeparkten Spitalhofstraße Widerstand gegen das Großprojekt regt. 130 Wohnungen – das sei einfach zu viel für das Viertel, klagten die Anlieger auch am DK-Stand. Da passt der Hinweis auf womöglich belastetes Erdreich ins Bild. Denn: „Wer will schon auf einer Müllkippe leben“

Der Stadt ist das Problem bekannt. Bereits in einem 18 Jahre alten Bebauungsplan wurde das Gebiet als Verdachtsfläche registriert. Das Baugebiet befindet sich in Privatbesitz. Die Arbeiten haben noch nicht begonnen, sagt Gerd Treffer, der Sprecher der Stadt. Nur Abraum wurde fortgebracht. 1994 sei der Boden untersucht worden, zuletzt jedoch nicht mehr.

Heuer hat die Stadt den alten Plan überarbeitet. So sind jetzt Tiefgaragen statt Garagenhöfe vorgesehen. Und dennoch bleiben die Vorbehalte deutlich.

Ein weiteres Problem schließt sich an: Weil wegen der Neubauten im Schulzentrum einige Parkplätze weggefallen sind, ist die Stadt auf der Suche nach Ersatz. Auch hier fällt der Name Spitalhofstraße. Zudem könnte der nahe Lehrgarten des Apian-Gymnasiums vom Parkplatzbau betroffen sein – alles Themen, die vor der Sommerpause in den Herbst verschoben wurden und jetzt wiederkehren.

Da kommen also auch auf den Bezirksausschuss Südwest wohl einige längere Diskussionen zu. „Ich kann zur Spitalhofstraße gar nichts sagen“, teilte die Vorsitzende des BZA gestern mit, denn Walburga Majehrke wartet noch auf Informationen aus der Stadtverwaltung. Deshalb rechnet sie nicht damit, dass die Spitalhofstraße in der nächsten BZA-Sitzung am Dienstag, 18. September, beim SV Hundszell auf der Tagesordnung stehen wird. „Dazu reicht die Zeit nicht mehr“, sagte sie. Der BZA wolle sich schließlich gründlich vorbereiten. Von Altlasten im Boden weiß Majehrke nichts.

Eines soll nächste Woche im BZA aber klar werden: „Wo genau die neuen Parkplätze beim Schulzentrum hinkommen und was mit den Rodungen ist.“ Die Vorsitzende hat daher das Tiefbauamt gebeten, einen Experten zu entsenden. Im Juni musste eine Sondersitzung des BZA zu diesem Thema kurzfristig abgesagt werden.