Ingolstadt
Maibaumklau per Rollator

Bewohner und Belegschaft des Pflegeheims Bienengarten baldowern Diebstahl aus – Rollatoren im Einsatz

29.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:12 Uhr

Komplizinnen unter sich: Ein Teil der Belegschaft des Pflegeheims Bienengarten hat im diakonischen Schwesternpflegeheim Matthäusstift den Maibaum gestohlen. Die älteren Herrschaften stellten ihre Rollatoren zur Verfügung, um das Diebesgut abzutransportieren. Als Auslöse wollen sie 50 Liter Bier und ein Spanferkel - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Eine Diebesbande aus dem Ingolstädter Pflegeheim Bienengarten hat am Wochenende den Maibaum des dikonischen Pflegeheimes Matthäusstift gestohlen. Dies geschah mit der Hilfe der Bewohner, die ihre Rollatoren zur Verfügung stellten, um die Beute abzutransportieren.

Marlis Bierl ist 92 und hat sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Bis zum vergangenen Wochenende. Da hat sie sich zur Mitwisserin und Komplizin eines Maibaumdiebstahls gemacht. Eine Gruppe Mitarbeiter des Pflegeheims Bienengarten, in dem Bierl wohnt, hatte sich in der Nacht auf Sonntag im Matthäusstift eingeschlichen, um dort den Maibaum zu stehlen. Da sich die Heimbewohner nicht in der Lage sahen, den Coup persönlich zu unterstützen, leisteten sie logistische Hilfe: Sie liehen den Dieben ihre Rollatoren, damit sie die Beute abtransportieren konnten. Moralische Bedenken hat Bierl nicht. „Ich finde alles gut, was die machen“, sagte sie gestern mit Blick auf das Personal des Bienengartens.

Die Tat war generalstabsmäßig geplant. Am Freitagabend saß Sozialdienstleiterin und Rädelsführerin Sara Körber mit zwei Kolleginnen nach Dienstschluss noch zusammen. Dabei entstand die Idee zum Maibaumklau im Matthäusstift auf der anderen Seite der Altstadt. Noch in der selben Nacht baldowerten sie das Objekt der Begierde aus. Der Maibaum lag im Innenhof des Matthäusstifts, bereit für das feierliche Aufstellen im Beisein des Oberbürgermeisters Alfred Lehmann am Tag vor dem Maifeiertag. Deutlich sichtbar war auch eine Diebstahlsicherung. Ein Drahtgeflecht vertäute den Stamm an der Hauswand, so spähten die drei es aus. Im Matthäusstift hatte man offensichtlich dazugelernt, nachdem vor fünf Jahren schon einmal der Maibaum abhandengekommen war. Auch damals kamen die Täter aus dem Bienengarten.

Von den Drähten ließen sich die Diebinnen aber nicht abhalten. Gegen Mitternacht wurden die anderen per SMS und E-Mail verständigt: „Die Sache steigt in der nächsten Nacht.“

Zum Beginn der Spätschicht im Matthäusstift – „Da sind dann nur zwei Leute“, erklärt Christina Kettner – luden die fünf beteiligten Frauen schließlich die geliehenen Rollatoren in den VW-Bus des Bienengartens, statteten einen Pflegeschüler und einen externen Komplizen mit Werkzeug aus und machten sich auf den Weg von der Nördlichen in die Östliche Ringstraße. Keiner hörte die Diebe kommen. „Es war eine kalte Nacht, deswegen hatten die Bewohner alle die Fenster geschlossen“, berichtet Körber.

Im Innenhof des Matthäusstifts kappten die beiden Männer die Drahtsicherung und hoben den Baum – immerhin rund zehn Meter lang und nicht ganz leicht – auf die Schultern und trugen ihn nach draußen. Auf dem Gehweg hatten die Komplizinnen inzwischen die Gehhilfen in einer Reihe aufgestellt. Der Maibaum wurde daraufgelegt, dann begann der Rückweg. „Wir hatten den Bogen nach wenigen Metern raus“, sagt Körber. Über den Radweg wurde die Diebesbeute flott Richtung Bienengarten gerollt. Katrin Fichtbauer regelte den Verkehr, wo Straßen überquert werden mussten.

Nervös wurde die Truppe kurz, als ihnen ein Streifenwagen der Polizei begegnete. „Die haben genau gesehen, was wir da machen“, vermutet Karin Fronius. „Aber sie haben nichts gesagt und sind weitergefahren.“ Gut gelaunt betteten die Maibaumdiebe die Stange im Garten des Bienenhauses auf mehrere Stühle. Der Coup war geglückt.

Im Matthäusstift bemerkte man den Diebstahl des Maibaums erst gestern Morgen. „Der Hausmeister hat es entdeckt“, sagt Sonja Zinsmeister, die in der Verwaltung arbeitet. Anstelle des weiß-blauen Stamms stand eine vertrocknete Birke im Innenhof des Stifts. Per Fax ging eine Stunde später die Forderung ein: Für das Sommerfest des Bienengartens sollen die Kollegen vom Matthäusstift ein Spanferkel und 50 Liter Bier spendieren. „Wir sehen das sportlich und gehen auf die Forderung ein“, sagte Zinsmeister gestern. „Allerdings bestehen wir darauf, dass er mit Blasmusik zurückgebracht wird. So wie das üblich ist.“

Zwischen den Stühlen steht bei der Angelegenheit Jürgen Müller. Er ist der Leiter des Bienengartens und des Matthäusstiftes. „Ich bin Geschädigter und Schädiger in einem“, sagt er. Tatsächlich geht mit dem Maibaumklau seiner Belegschaft auch an ihn eine Forderung einher: „Wir wollen nächstes Jahr einen eigenen Baum“, sagt Körber. „Sonst müssen wir wieder einen klauen.“

Der Baum aus dem Matthäusstift geht heute wieder zurück. Mit der Blasmusik wird es allerdings wohl nichts werden. „Aber wir haben einen Ziehharmonikaspieler organisiert“, berichtet Körber. Dieter Rabold spielt sonst für die Bewohner des Bienengartens auf und wird heute Vormittag den Zug anführen. Dann werden wohl auch die Rollatoren wieder zum Einsatz kommen. Gestern war nur noch zu klären, wer denn dafür Sorge trägt, dass der Baum über Nacht nicht wieder verschwindet. „Kein Problem“, sagte Bierl. „Ich setz mich mit meinem Rollator die ganze Nacht daneben, wenn es sein muss.“