Ingolstadt
Von kleinen Geschenken und großen Wünschen

Tafel-Kunden mit den unterschiedlichsten Schicksalen erzählen, wie sie Weihnachten feiern

23.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr

Ein geschmückter Tannenbaum fehlt in kaum einem Wohnzimmer, selbst wenn das Budget für Weihnachten klein ist - Foto: Thinkstock

Ingolstadt (don) Menschen, die sich bei der Tafel mit Lebensmitteln versorgen, stehen nicht gerade auf der sonnigsten Seite des Lebens. Weihnachten ist für sie wahrlich kein Fest des Konsums. Trotzdem versuchen sie, die Feiertage angenehm zu gestalten. Bei den Schilderungen einer Rentnerin, eines Junggesellen, einer allein erziehenden Mutter, eines ehemaligen Junkies und zweier Asylbewerber scheinen deren Schicksale deutlich auf.

Obwohl Christine Schoger als Witwe mit schmaler Rente nicht im Geld schwimmt, wird Weihnachten für sie und ihre Familie ein Fest des Schlemmens. Für den Heiligen Abend haben Sohn, Schwiegertochter und Enkelin sie zum Essen eingeladen. Den ersten Feiertag wird sie mit ihrer Schwester verbringen – auch mit gutem Essen, das sie allerdings vorbereiten muss, weil ihre Schwester sich vor Kurzem bei einem Sturz verletzt hat. Deshalb ist auch noch ungewiss, ob die beiden Frauen den Gottesdienst in St. Markus besuchen können. „Sicher ist allerdings, dass wir eine ganze Weile Rommé spielen werden“, freut sich die 71-Jährige schon jetzt. Und was sie der kleinen Familie ihres Sohns am zweiten Weihnachtstag auftischen wird, hat sie bereits akribisch geplant: Sie wird Rindfleisch mit Knochen kochen und aus der Brühe eine Buchstabensuppe bereiten. Danach gibt es Kartoffelgulasch mit Rindfleisch und Salat. „Meine Schwiegertochter ist Vegetarierin, so findet sie auch etwas zum Essen“, hat Christine Schoger auch daran gedacht. Gurken aus ihrem Schrebergarten, die sie im Spätsommer sauer eingelegt hat, gehören zu dem Tag ebenso wie das spezielle Gebäck aus ihrer früheren Heimat Siebenbürgen.

 

Von einem Weihnachtsfest im Kreis der Familie kann Heinz M. (Name von der Redaktion geändert) seit 20 Jahren nur noch träumen. Seit die Eltern des 64-jährigen Junggesellen gestorben sind, verbringt er die Feiertage allein. „Mit Vater und Mutter hing zwar auch oft der Haussegen schief, trotzdem war’s schöner“, erinnert sich der Ingolstädter mit Trauer in der Stimme und Tränen in den Augen. Die Traditionen versucht er aufrecht zu erhalten. Nach Würstln und Kartoffelsalat „spiele ich selbst das Christkindl“. Er schmückt einen Christbaum mit Kugeln und Schokolade, packt eine Flasche Wein in Geschenkpapier, legt sie unter den Baum und verlässt das Zimmer. Er bimmelt selbst mit einer kleinen Glocke, kehrt in das Zimmer zurück und packt das Geschenk aus. Märchenfilme im Fernsehen machen ihm sein einsames Weihnachten erträglicher.

 

Wie Caroline S. (Name von der Redaktion geändert) sich den Ablauf des Heiligen Abends wünscht, hat sie genau im Kopf: Mit den drei Töchtern (15, 13 und zweieinhalb) den Baum schmücken, gemeinsam kochen, essen, aufräumen und baden, die Kindermette besuchen und anschließend Bescherung. Jedes Kind der Ingolstädterin bekommt nur ein Geschenk, denn „ich will schuldenfrei ins neue Jahr gehen“, sagt die 36-jährige allein erziehende Mutter. Ob sie ihre Festwünsche aber verwirklichen lassen, hängt vom Vater der Mädchen ab, von dem sie seit bald zehn Jahren getrennt lebt. „Er hat seine eigenen Vorstellungen vom Ablauf.“ Um unschönen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und den Kindern Weihnachten nicht zu verderben, wird sie sich auch dieses Jahr seinen Wünschen fügen.

 

Endlich Arbeit bekommen, „am liebsten bei Audi“, ist Sebastians (Name von der Redaktion geändert) sehnlichster Wunsch zum Fest und fürs neue Jahr. Der 32-Jährige hat im vorigen Jahr eine Lehre als Zurichter abgeschlossen und schickt unverdrossen Bewerbungen los. Doch als ehemaliger Heroinabhängiger, der einen Entzug gemacht hat und seit drei Jahren auf Substitution ist, sind seine Aussichten auf einen Job nicht gerade rosig. Sebastian möchte unbedingt Geld verdienen, „um meinen Schuldenberg, den ich durch meine Sucht aufgetürmt habe“, abzutragen. Er wird den Heiligen Abend bei seiner Mutter und deren Freund verbringen und sich von einem kleinen Geschenk überraschen lassen. Am ersten Feiertag will er mit Freunden ausgehen.

 

Über Weihnachten haben sich Lukman und Oliver noch keine großen Gedanken gemacht. Die beiden Asylbewerber aus Nigeria sind nach gut einer Woche in Ingolstadt einfach nur froh und glücklich, den Bedrohungen in ihrem Heimatland entronnen zu sein. Mit ihren guten Englischkenntnissen kommen sie schon ordentlich zurecht. Jetzt wollen sie ganz schnell Deutsch lernen und Arbeit finden. Als gelernter Elektriker macht sich Oliver durchaus Hoffnungen. Lukman war Gelegenheitsarbeiter und schätzt seine Chancen nicht so hoch ein. Zum Fest werden die jungen Männer „ganz normales Essen“ kochen: Reis, Spaghetti und Gemüse.