Ingolstadt
Mit gutem Beispiel voran

Ingolstadt kann bei den aktuellen Tarifverhandlungen als Modellregion dienen, finden die Gewerkschaften

02.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:32 Uhr

Die Mauer muss weg! Mit Schwung und Boxhandschuhen räumten Arbeitnehmervertreter am Tag der Arbeit eine Pappmauer zur Seite. Sie stand für Hemmnisse, die vor allem jungen Arbeitnehmern im Weg stehen. Die Gewerkschaften fordern im aktuellen Tarifstreit mehr Lohn, Mitsprache bei der Leiharbeit und die unbefristete Übernahme von Auszubildenden - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Weit über 1000 Menschen beteiligten sich am Tag der Arbeit an der Maikundgebung in Ingolstadt. Sie forderten neben einer Lohnerhöhung Mitsprache beim Einsatz von Leiharbeit und die unbefristete Übernahme von Lehrlingen. Ingolstadt soll dabei als positives Beispiel dienen.

Den spektakulärsten Auftritt lieferte am Dienstag die IG-Metall-Jugend. Vor dem Protestzug errichtete sie eine Mauer. Auf ziegelroten Kartons waren die Hemmnisse aufgeführt, die jungen Arbeitnehmern aus Sicht der Gewerkschaft in den Weg gestellt werden: mangelnde Ausbildung, befristete Verträge, Studiengebühren und anderes wurden angeprangert. Gewerkschaftsvertreter räumten das Hindernis dann symbolträchtig aus dem Weg. Auf dem Paradeplatz lauschten bei schönstem Maiwetter rund 1200 Zuhörer den Reden. Oberbürgermeister Alfred Lehmann betonte seine Sympathie für die Anliegen der Gewerkschaften, etwa den Mindestlohn, selbst wenn die teilweise deutlich von den Positionen seiner Parteikollegen von der CSU abweichen.

Julia Bronauer, die Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend der Region, unterstrich die Bedeutung der Bildung für die Zukunft der Wirtschaft. „Wir sind die Fachkräfte von morgen“, betonte die 21-Jährige. Scharf kritisierte sie die Studiengebühren. Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, argumentierte sie. Zentrale Forderung der jugendlichen Arbeitnehmer ist die Garantie unbefristeter Übernahmeverträge nach der Ausbildung.

Als Hauptredner war eigentlich Jürgen Wechsler, Bezirksleiter des IG-Metall-Bezirks Bayern, vorgesehen. Wegen einer Operation an den Stimmbändern musste er seinen Beitrag allerdings auf ein kurzes Statement beschränken. Darin kündigte er an, eine Urabstimmung und damit flächendeckende Streiks anzustoßen, sollte in den aktuellen Tarifverhandlungen bis Pfingsten keine Einigung mit den Arbeitgebern erzielt werden.

Für Wechsler sprang Johann Horn, der Bevollmächtigte der DGB Region Ingolstadt, in die Bresche. „Eine starke Mitbestimmung, gute Löhne, selbstbewusste Arbeitnehmer und erfolgreiche Firmen sind kein Gegensatz“, betonte er. Das bewiesen betriebsinterne Regelungen in der Region. „Ingolstadt ist der beste Beweis, dass gute Einkommen und starke Gewerkschaften eine positive regionale Wirtschaftsentwicklung unterstützen.“ An den Oberbürgermeister gerichtet schlug er vor, ein Szenario zu erarbeiten, „das die Vorstellung, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen, beschreibt. Ingolstadt soll Modellregion für Innovation, Bildung und Mitbestimmung werden.“

Im Gespräch mit dem DONAUKURIER konkretisierten Bernhard Stiedl, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, Horn und Wechsler diesen Vorschlag. Die Regelungen, die in Ingolstadt in vielen Betrieben zwischen Unternehmen und Belegschaft getroffen worden sind, könnten die Richtung für eine tarifliche oder gesetzliche Regelung vorgeben. Das gelte vor allem für die Mitsprache bei der Leiharbeit und der unbefristeten Übernahme von Auszubildenden. Neben der Lohnerhöhung seien diese beiden Punkte die wesentlichen Forderungen in den aktuellen Tarifgesprächen, erklärte Wechsler, der Verhandlungsführer der Gewerkschaften in Bayern. Er rechnet fest damit, dass die Arbeitgeber ihr derzeit „provokant niedriges Angebot“ von drei Prozent Lohnerhöhung verändern werden. Allerdings werde das nicht dazu führen, dass Wechsler in Sachen Leiharbeit und Übernahme nachgeben werde. „Auch wenn sie versuchen, uns zu kaufen“, formulierte es Horn. Am 10. Mai gehen die Verhandlungen weiter und allen Beteiligten ist klar, dass der Durchbruch in der Tarifrunde 2012 schwerer zu erreichen sein wird, als der durch eine Pappwand.