Ingolstadt
Flammenwand aus Kesselwagen

Vor 40 Jahren forderte ein schweres Zugunglück mitten in Ingolstadt vier Todesopfer

01.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:46 Uhr

Heinz Wolf (früher DK-Fotograf) eilte in der Nacht zum Unglücksort.

Ingolstadt (DK) Ein Bild des Grauens bot sich am Abend des 2. März 1972 den Rettungskräften, als sie an der Bahnunterführung Weningstraße eintrafen: Ein Güterzug war auf einen Tankzug aufgefahren, 14 Kesselwagen brannten. Drei Menschen starben, der Fahrdienstleiter beging Selbstmord.

Auf den Tag genau heute vor 40 Jahren war kurz vor 22 Uhr bei der Feuerwehr ein Anruf eingegangen, dass die (heute nicht mehr existierende) kleine Tankstelle östlich der Bahnunterführung angeblich brennen würde. „Einen Augenblick lang verschlug es den Männern den Atem, als sie dann statt des Tankstellenbrandes ein Flammenmeer vorfanden“, schrieb damals der DK.

Das Ausmaß des Unglücks übertraf sämtliche Vorstellungen. 14 Kesselwagen brannten lichterloh, einige waren aus den Gleisen gesprungen und die Böschung heruntergestürzt. Löschzüge der Audi-Werksfeuerwehr, der E-Stelle und von Messerschmitt aus Manching (heute WTD und Cassidian) verstärkten die Mannschaft, Soldaten aus Ingolstadt und Oberstimm sowie das THW stellten sich als Freiwillige zur Verfügung. Der damalige OB Otto Stinglwagner und Bürgermeister Hermann Egermann machten sich noch in der Nacht ein Bild von der Lage.

Doch was war eigentlich geschehen? Um 21.45 Uhr stand ein Tankzug der damaligen Shell-Raffinerie mit Kesselwagen voller Benzin, Heizöl und Flüssiggas vor einem roten Signal vor dem Hauptbahnhof. Am Ende fehlte die Beleuchtung, da auf dem Gelände der Raffinerie keine Petroleumlaternen verwendet werden durften. Als das Signal dann die Fahrt freigab, rollte der schwere Zug langsam an. In diesem Moment prallte ein Güterzug mit etwa 60 Stundenkilometern auf den Tankzug. Die hinteren Kesselwagen gerieten in Brand oder explodierten, die letzten wurden aus den Schienen geschleudert und kippten über die Böschung.

Fatalerweise stürzte ein Tankwagen ausgerechnet auf ein altes Bahnwärterhaus neben dem Gelände bei der Blindenhundeschule und explodierte. „Eine fast 100 Meter hohe Stichflamme schoss in den nachtschwarzen Himmel“, so der DK. Das Gebäude brannte nieder, bevor die Feuerwehr eintraf, und ein Rentnerehepaar fand einen schrecklichen Tod. Das Tragische daran: Die beiden alten Leute wollten drei Tage später umziehen, was sie schon mehrmals verschoben hatten. „Der Tod war schneller“, schrieb seinerzeit der DK. Ein Opfer der Flammen wurde auch der aus Würzburg stammende Lokführer des zweiten, vom Nordbahnhof her gekommenen Zuges. Der Führerstand der Maschine war völlig ausgeglüht, die Leiche verkohlt.

Noch in der Nacht konnte auch die Ursache ermittelt werden. „Menschliches Versagen“ hieß es seitens der Bahn. Der Fahrdienstleiter im Stellwerk am Hauptbahnhof hatte mit seinem Kollegen am Nordbahnhof telefoniert, offenbar eine Störung in der Anzeige vermutet und das Signal von Hand auf „Grün“ geschaltet. Sekunden später war es zu dem verheerenden Zusammenstoß gekommen. Der Fahrdienstleiter, als äußerst gewissenhafter und pflichtbewusster Mann bekannt, nahm sich wenige Stunden später das Leben.