Ingolstadt
Ein wenig Hoffnung nach dem Desaster

Gestandene Ingolstädter Liberale sehen hausgemachten Niedergang der FDP im Freistaat und im Bund

24.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:38 Uhr
Ein Bild aus früheren Zeiten: Nach einem vergleichsweise befriedigenden Bundestagswahlergebnis sitzen Ingolstädter Liberale im Januar 1987 entspannt im Wohnzimmer der Familie Michaelis. Links außen Gastgeberin Sigrid Michaelis, vorne auf dem Teppich ihr Ehemann Karl, hinter diesem auf dem Sessel Siegfried Bauer. −Foto: Lesch

Ingolstadt (DK) Politische Gegner lassen unverhohlen Schadenfreude durchblicken, in Umfragen weint den Liberalen kaum jemand eine Träne nach – schwierige Zeiten für FDP-Anhänger. Der DK sprach mit gestandenen Ingolstädter Freidemokraten über ihre Gemütslage nach dem Debakel bei der Bundestagswahl.

Als Siegfried Bauer am Wahlabend im Rathaus die ersten Prognosen und Hochrechnungen sah, war er tief getroffen. Persönliche Enttäuschungen hatte der frühere Ortsvorsitzende und vielfache Direkt- und Listenkandidat der Liberalen in allerlei Wahlgängen bereits häufiger einstecken müssen, doch das erstmalige Scheitern seiner Partei auf Bundesebene war auch für ihn ein absoluter Tiefpunkt – „eine Katastrophe“, wie er unumwunden zugibt.

Allerdings sei die Bruchlandung nach dem FDP-Höhenflug vor vier Jahren schon länger absehbar gewesen, führt Bauer praktisch in einem Atemzug hinzu. Er habe im Wahlkampf die Ausrichtung an klassischen liberalen Themen wie Bildung und Bürgerrechte vermisst: „Da war kaum etwas zu hören.“ Die Einengung auf Wirtschaftskompetenz und zuletzt auf einen reinen Existenzkampf habe potenzielle Wähler abgeschreckt, sagt Bauer, der Aderlass im bürgerlichen Lager zugunsten der Protestpartei AfD habe der FDP zudem entscheidende Prozentpunkte entzogen. Zudem sei der Generationswechsel in der Führung der Bundespartei offensichtlich nicht glatt gelaufen: „Rösler war wohl nicht der richtige Mann.“

Auch Sigrid Michaelis, in den 80er und 90er Jahren Stadträtin und längst die Grande Dame der Ingolstädter FDP, hat die freiheitlichen Thesen in Bürgerrechtsfragen bei ihrer Partei zuletzt eher vermisst. Mit Wehmut spricht sie von den einstigen Erfolgen freidemokratischer Rechts- und Bildungspolitik. Auch wenn sie es nicht ausdrücklich an den offensichtlich gescheiterten aktuellen Verantwortlichen festmachen will („Ich mache keine Schuldzuweisungen“) – in der nun abgewählten Koalition habe sich die FDP nach vollmundigen Wahlkampfaussagen von der Union zu leicht in die Defensive drängen lassen. „Da muss man mehr kämpfen!“, hält die frühere Stadträtin ihren Parteifreunden auf Bundesebene denn doch vor.

Der zuletzt in der FDP stets hochgehaltene Wirtschaftsliberalismus sei wohl für sich allein nicht genug gewesen, breitere Akzeptanz zu finden, urteilt Michaelis. Auch sie selbst habe sich da mit ihren Überzeugungen nicht mehr wiedergefunden, bekennt sie. „Ich muss sagen, dass ich in den letzten Jahren von vielen Themen Abstand genommen habe.“

Dass die Krise der Partei hausgemacht ist, kann auch Christel Ernst, aktuelle Stadträtin der Liberalen, nicht verkennen. Sie durchlebt eine Zeit „ganz schlimmer Gefühle“, die nicht erst mit dem Wahlergebnis eingesetzt haben: „Man spürte hier doch ständig, was in München und Berlin schlecht gelaufen ist; da wird man doch auch im Stadtrat drauf angesprochen.“

Schon der schlechte Start nach den Regierungsbeteiligungen im Freistaat wie im Bund habe nichts Gutes ahnen lassen, erinnert sich Ernst. Die letztliche „Reduzierung der FDP auf eine Steuerpartei“ und die dann auch noch sehr bescheidenen Erfolge auf diesem Gebiet seien „schädlich“ gewesen, sagt die Lokalpolitikerin, die im kommenden Jahr nicht nochmals antreten wird. Da müsse man nun aufpassen, nicht noch länger als die „Herzlosen, die ganz Kalten“ dazustehen.

Doch es bleibt Hoffnung bei den örtlichen FDP-Urgesteinen. Mit dem zur Übernahme des Bundesvorsitzes bereiten Christian Lindner verbinden alle drei Befragten große Erwartungen. In den Bundestag werde man in vier Jahren „mit Sicherheit“ wieder zurückkehren, meint Christel Ernst. Auch Siegfried Bauer ist da nicht pessimistisch: „Wir haben auch damals nach der Wende schon sehr schwere Zeiten erlebt. Wir schaffen das auch diesmal.“