Ingolstadt
Wenn aus Toiletten eine Terrasse wird

17.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:56 Uhr

Alte Bausubstanz erhalten: Architekt Andreas Mühlbauer und Zimmermann Robert Kerschenlohr besprechen die Sanierung des alten Dachstuhls im Haus Johannesstraße 1. - Foto: Beck

Ingolstadt (DK) Das Leerstandsmanagement in der Altstadt erzielt präsentable Ergebnisse. Gestern stellte Josef Dintner vom Stadtplanungsamt zwei erfolgreiche Beispiele vor: Das Anwesen am Oberen Graben 6 und das Gebäude in der Johannesstraße 1.

Das Anwesen Nr. 6 am Oberen Graben war früher einmal das Gasthaus zum Schwabenwirt. Doch während im Erdgeschoss noch bis 2007 eine Kneipe gewesen sei, hätten die oberen Geschosse schon seit einigen Jahren leer gestanden, berichtete Josef Dintner. Eine Eigentümergemeinschaft hat das ungenutzte Haus schließlich gekauft. Die Sanierung ist nun nach rund eineinhalb Jahre abgeschlossen. "Die Arbeiten kosteten etwa 1,6 Millionen Euro", erzählte Bauleiter und Miteigentümer Matthias Hofstetter.
 

Alle Wohnungen verkauft

Insgesamt sind sieben Wohnungen mit durchschnittlich 80 Quadratmetern entstanden. Innerhalb von zwei bis drei Monaten seien diese verkauft gewesen – und das trotz eines Quadratmeterpreises von 3200 Euro. Glanzstück ist die Wohnung im Dachgeschoss mit Balkon. Dank guter Dämmung sei sie auch im Sommer nicht zu heiß, erzählte Hofstetter, ein Hochbautechniker, der sich zehn Jahre lang bei der Stadt Schrobenhausen um historische Gebäude gekümmert hat. Die alten Dachbalken wurden soweit wie möglich erhalten oder wenn nötig durch betagtes Gebälk aus anderen Gebäuden ersetzt. Ursprünglich handelte es sich bei dem Gebäude um einen Stadel, der 1860 in ein Wohn- und Gasthaus umgebaut wurde. Auch wo früher der Gastraum war, kann man jetzt hell und geräumig wohnen. Den Toilettenanbau riss Hofstetter ab. Dieser Gebäudeteil stammte erst aus den 1940er Jahren. An seiner Stelle befindet sich nun eine Terrasse, die zum Frühstücken einlädt.

Mitten in den Sanierung befindet sich hingegen das Gebäude Johannesstraße 1. Der letzte Nutzer des Ladens im Erdgeschoss war hier ein Friseur, der im Jahr 2000 auszog. In den Stockwerken darüber wohnte der Besitzer, bis er 2002 starb. Seine Ehefrau verkaufte das Gebäude. "Das war jetzt kein Schandfleck, aber wenn das leer steht, dann tut das der Innenstadt nicht gut", erklärte Dintner. Seit Anfang 2009 wird das Haus saniert, im Herbst dieses Jahres soll es fertig sein. Architekt Andreas Mühlbauer erzählte: "Das ist kein unproblematisches Gebäude, es hat eine reichhaltige Innenausstattung wie alte Türblätter, Bodenbeläge und Dachgebälk." Untersuchungen hätten gezeigt, dass das Holz des Dachstuhls aus den Jahren 1551 bis 1553 stamme. Die Zimmerleute versuchten nachträgliche Änderungen an dem so genannten liegenden Dachwerk wieder zu ergänzen.

Im Haus entstehen vier Wohnungen in "1a-Wohnlage", wie Mühlbauer versicherte. Er macht sich daher keine Sorgen, dass sie leer bleiben könnten. Die Baukosten belaufen sich auf etwa 600 000 Euro. Sogar einen Aufzug wird es in dem sanierten Haus geben, allerdings im Anbauteil aus dem 20. Jahrhundert. "Durch die Investitionen ist der Bestand gesichert und das ist das Entscheidende", erklärte Mühlbauer. "Am Tag des Denkmals, am zweiten Sonntag im September kann das Gebäude besichtigt werden", sagte Dintner.

Die Eigentümer beraten

"Im Rahmen des Leerstandsmanagements treten wir offensiv an die Eigentümer heran. Wir stehen ihnen beratend bei der Frage zur Seite, ob sie selbst das Gebäude sanieren oder veräußern wollen", erklärte Josef Dintner. Den Eigentümern werde geholfen, ein Konzept für den Umgang mit dem Gebäude zu entwickeln. Auch würden sie über Subventionen wie die Städtebauförderung und Denkmalpflegeförderung informiert. Die Möglichkeit, den Großteil der Sanierungskosten abschreiben zu können, spiele für viele Bauherren eine wichtige Rolle. Rund 60 Objekte stehen momentan auf der Liste des Leerstandsmanagements, knapp 40 davon seien in den vergangenen Jahren saniert worden, bei zehn werde die Sanierung vorbereitet. "Man wird aber nie sagen können, die Liste sei abgearbeitet", erklärte Dintner. "Es kommt immer wieder etwas dazu."