Ingolstadt
Ärger unterm Sonnenschirm

Auch Standbetreiber und Stammgäste klagen über Zustände am Viktualienmarkt und fordern mehr Polizei

05.06.2017 | Stand 23.09.2023, 2:46 Uhr

Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Zehn Jahre gibt es den neuen Viktualienmarkt - zum Feiern ist vielen Standbetreibern aber angesichts fast täglicher Schlägereien und Übergriffe nicht zumute. Sie wünschen sich mehr Polizeipräsenz und Kameraüberwachung, um den Markt wieder zu einem friedlichen Ort zu machen.

Werner Straubinger und seine Freunde kommen eigentlich gerne auf den Viktualienmarkt. Und das schon seit Jahren. Fast täglich sitzen er und die anderen in größerer Runde an einem der Biertische und genießen unter freiem Himmel im Herzen Ingolstadts das gemütliche Beisammensein bei dem einen oder anderen Bier. Es könnte alles so schön sein, wären da nicht betrunkene Gäste, die auf Krawall gebürstet sind und die fröhliche Stimmung stören. Mit lauter Musik, Beleidigungen, Pöbeleien und sogar Gewalt, berichtet die Runde. So wie vor zwei Wochen, als die Polizei abends zum Viktualienmarkt mit einem Großaufgebot anrücken musste: Betrunkene hatten sich geprügelt. Mal wieder. Seit längerer Zeit taucht der Platz in der Innenstadt immer öfter als Tatort in den Polizeiberichten auf. Aufgrund der "unhaltbaren Zustände", wie es OB Christian Lösel formulierte, hat Norbert Forster, Chef der städtischen Industriefördergesellschaft (IFG), der Betreiberin des Viktualienmarkts, eine Videoüberwachung ins Gespräch gebracht (DK berichtete). Doch würde das etwas bringen?

Stammgast Straubinger bewegt das Thema Viktualienmarkt. Erst vor Kurzem habe er an Oberbürgermeister Christian Lösel einen Brief geschrieben und ihm deutlich gemacht, wie es auf dem Markt zugeht. Bisher ohne Reaktion. Er wünscht sich im Brief, dass endlich etwas unternommen wird und die Polizei durchgreift: "Es gibt hier fast täglich eine Rauferei. Und das Schlimme ist: Es sind immer dieselben fünf bis acht Leute, die Ärger machen. Sie bekommen zwar einen Platzverweis, am nächsten Tag sind sie aber wieder da und können sich nicht benehmen", sagt Straubinger. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen.

Diese Beobachtung kann auch Karin Brunner bestätigen. Sie betreibt mit ihrem Mann Heinz seit 40 Jahren das "Räucherkammerl". Sie wisse genau, welche Übeltäter, "immer und immer wieder", für die unschönen Szenen verantwortlich sind. Statt einer Videoüberwachung wäre ihrer Meinung nach aber eine erhöhte Polizeipräsenz sinnvoller.

Jürgen Weber, Stammgast im Räucherkammerl, sieht vor allem den Alkohol als Ursache für die täglichen Reibereien und sagt: "Jemand, der schon offensichtlich betrunken ist, darf an den Ständen keinen Alkohol mehr bekommen. Daran hält sich nur leider so mancher Standbetreiber nicht", betont er.

Auch Andreas Griebler, stellvertretender Geschäftsführer der L'Osteria, kennt die Szenen, die sich auf dem Platz abspielen. Das italienische Lokal befindet sich gleich neben dem Markt. Erst letztens habe er gesehen, wie ein Gast um halb 2 Uhr morgens eine Bierflasche an die Wand der Sparkasse donnerte. "Wir beobachten die Vorkommnisse natürlich. Man kann damit rechnen, dass dort zwei- bis dreimal am Tag was los ist und es Ärger gibt. Aber unsere Gäste tangiert das bisher Gott sei Dank wenig."

Angelina Monti dagegen, Wirtin des "La Dolce Vita", reicht es. Seit vier Jahren betreibt sie ihren italienischen Stand auf dem Viktualienmarkt. Im Februar 2018 ist Schluss. Monti mag nicht mehr und hat resigniert: "Die ersten beiden Jahre waren wunderbar, die vergangenen zwei hingegen katastrophal", sagt sie, während sie einem Gast gerade ein Bier über den Tresen reicht. Tägliche Schlägereien, Beleidigungen, Sachbeschädigung - ein Zustand, den die Italienerin nicht mehr erträgt: "Es macht keinen Spaß, so zu arbeiten. Es ist keine schöne Atmosphäre mehr. Deshalb höre ich auf." Von dem Vorstoß, Videokameras zu installieren, hält sie wenig: "Das bringt hier, glaube ich, nichts." Wichtiger sei, dass die Polizei öfter vor Ort ist und verstärkt kontrolliert. Außerdem plädiert sie für einheitliche Schließzeiten der Stände, um zu verhindern, dass aggressive Gäste bis nach Mitternacht Alkohol kaufen und konsumieren. Besser wäre es laut Monti, wenn alle Buden um spätestens 22 Uhr dichtmachen würden. Bisher macht jeder zu, wann er will. Doch auch wenn die Buden früher schließen würden - "dann trinken sie eben ihren selbst mitgebrachten Alkohol", gibt Brunner zu bedenken.

Carmen Newald leidet ebenfalls unter der Situation auf dem Viktualienmarkt. Sie ist seit neun Jahren für dessen Reinigung zuständig. Um halb 5 Uhr morgens fängt sie an, den Platz von Scherben, Müll und Schmutz zu befreien. "Wenn ich in der Früh hierherkomme, herrscht absolutes Chaos. Da meint man, man wäre auf einem Volksfestplatz. Ich mache das hier schon sehr lange, aber so schlimm wie jetzt war es bisher noch nie", klagt die Ingolstädterin.

Auch ein anderer Standbetreiber, der seinen Namen aber nicht im DONAUKURIER lesen möchte, hat die "Schnauze voll". Seit zwei Jahren ist er mit seiner Imbissbude auf dem Viktualienmarkt. Er klagt: "Wie es vor mehreren Jahren hier zuging, weiß ich nicht. Seitdem ich hier bin, herrscht jedenfalls nur Chaos, und ich muss fast täglich die Polizei rufen." Er ist davon überzeugt, dass eine Kameraüberwachung sinnvoll wäre - "dann würden sich die Leute sicherlich besser benehmen, weil sie beobachtet werden." Als Verstärkung für die Polizei wünscht er sich einen Sicherheitsdienst für den Viktualienmarkt, der in den Abendstunden präsent ist und eingreift, wenn es nötig ist. Dass sich die Lage auf dem Viktualienmarkt so verschlechtert hat, liegt seiner Ansicht nach am Publikum: "Es kommen keine anständigen Leute mehr. Familien bleiben weg, weil sie Angst haben", sagt der Mann.

Auch der DK wird während der Recherche mit der gereizten Stimmung auf dem Viktualienmarkt konfrontiert. Ein junger Mann unterbricht das Gespräch mit den Standbetreibern und lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm gar nicht recht ist, wenn über die Zustände auf dem Viktualienmarkt kritisch gesprochen wird. Bevor es zu bedrohlich wird, schicken die Standbetreiber den Störer weg. Man kennt sich offenbar. Er fügt sich widerwillig.

Xenia Schmeizl