Ingolstadt
"Nur eine Umverteilung"

Kostenlos Bus fahren auch in Ingolstadt? Lieber das Geld in den Ausbau des Nahverkehrs stecken

16.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr
Mehr Busnutzer durch kostenlosen Nahverkehr? Ganz so einfach sei es nicht, finden die Vertreter von INVG, Stadt und des Verkehrsclubs Deutschland. Wichtiger sei eine Attraktivitätssteigerung, etwa durch eine bessere Taktung. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Gratis Bus fahren? Ein entsprechender Vorschlag der geschäftsführenden Bundesregierung an die Europäische Kommission in Brüssel, zur Luftreinhaltung kostenlosen Nahverkehr anzubieten, wird derzeit kontrovers diskutiert. Wäre dies auch für Ingolstadt eine Option?

Eines ist klar: Ingolstadt gehört nicht zu den Ballungsräumen, die arg mit Überschreitungen der EU-Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub zu kämpfen haben. Und damit auch nicht zu den fünf genannten Modellstädten Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim, in denen Bus und Bahn versuchsweise gratis sein könnten. In Ingolstadt sehen die Vertreter von Stadt, INVG und Verkehrsclub Deutschland (VCD) derlei Überlegungen differenziert. Sie finden, das dafür benötigte Geld solle man lieber in die Stärkung und den Ausbau des Nahverkehrs stecken, um diesen für die Bürger attraktiver zu machen. Mit einem kostenlosen Nahverkehr allein sei es nicht getan, so die übereinstimmende Meinung.

Außerdem stelle sich natürlich die Frage der Finanzierung, sagte Finanzreferent Franz Fleckinger gestern auf Anfrage. Obwohl die Stadt jährlich 14,5 Millionen Euro an Fahrkartenerlösen einnehme - die Hälfte dessen, was in Ingolstadt an Grundsteuer eingehe - mache der Nahverkehr ein Defizit. Laut Fleckinger liegt dieses aktuell bei 9,6 Millionen Euro. Die Steuervorteile berücksichtigt, betrage das Minus immer noch rund sechs Millionen Euro. Und dann noch kostenloser Nahverkehr? "Die Kosten allein auf die Schultern der Kommunen zu legen, wäre nicht bezahlbar", sagt Fleckinger. Es müsste die Aufgabe des Bundes sein, den Verlust auszugleichen. Das Geld würde dann aus Steuermitteln genommen. Das kostenlose Bus fahren wäre "nur eine Umverteilung".

Er werde die Diskussion jedenfalls "mit Spannung beobachten", sagt der städtische Finanzreferent. Er setzt als Maßnahmen zur Luftreinhaltung vielmehr auf eine Kombination durch die öffentliche Hand und die Automobilindustrie. In Ingolstadt habe der Stadtrat im Juli vergangenen Jahres mit der Fortschreibung des Nahverkehrskonzepts beschlossen, das Angebot auszuweiten sowie die Schnittstellen mit dem Liniennetz und die Infrastruktur zu verbessern. Dennoch ist Fleckinger gespannt auf die Ergebnisse aus den Modellstädten. "Wir sind offen." Bei positiven Ergebnissen sei "der Stadtrat gefragt".

"So einfach umsetzbar ist das nicht", meint Ludwig Hörner, der Ingolstädter Vertreter des Verkehrsclubs Deutschland. Seiner Meinung nach wäre das Geld sinnvoller in Verbesserungen des Nahverkehrs investiert. Solange in Umlandgemeinden nur ein Zweistundentakt angeboten werde, bringe man auch durch kostenlosen Nahverkehr nicht mehr Menschen in den Bus. Ein Problem bei den Fahrkarten sei allerdings die Preisentwicklung. Hörner plädiert hier für eine Preisbremse.

"Den Nahverkehr von heute auf morgen kostenlos anzubieten, ist illusionär", findet der städtische Umweltreferent Rupert Ebner. Man müsse vielmehr ein attraktiveres Angebot schaffen. Um den Individualverkehr zu reduzieren, sollten seiner Meinung nach aber bestimmte Strecken, etwa wichtige Zubringer zur Innenstadt oder zu Audi, gratis angeboten werden.

Robert Frank, der Geschäftsführer der INVG, rechnet damit, dass sich die Diskussion um kostenlosen Nahverkehr "schnell wieder verlaufen" werde. Denn die Idee sei "nicht ausgegoren". Frank plädiert vielmehr dafür, "mehr in Qualität zu investieren" und die Voraussetzungen für einen leistungsfähigen ÖPNV zu schaffen. Er verweist auf eine Mitteilung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, in der es unter anderem heißt: "Zunächst benötigen wir dringend den Ausbau der Kapazitäten im deutschen Nahverkehr mithilfe öffentlicher Finanzierung. Wenn man dann einen kostenlosen Nahverkehr in Deutschland einführen möchte, dann darf das selbstverständlich keine Eintagsfliege sein, alle staatlichen Ebenen, also Bund, Länder und die kommunalen Gebietskörperschaften, müssen diesen Nahverkehr dauerhaft und nachhaltig finanzieren. Dafür allein braucht es pro Jahr etwa zwölf Milliarden Euro."