Ingolstadt
Eine Tat gegen jegliche Werteordnung

Eichstätter Vergewaltigungsfall: Nur Geständnis erspart jungem Afghanen eine noch höhere Haftstrafe

19.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Schuldbewusst auf der Anklagebank: Sein Geständnis gleich zu Prozessbeginn hat dem 26-jährigen Afghanen - hier beim Verfahrensauftakt am Mittwoch - einen gewissen Strafrabatt gebracht. - Foto: Schmatloch

Ingolstadt/Eichstätt (DK) An seiner Schuld gab es letztlich keine Zweifel: Der 26-jährige Afghane, der im vergangenen August in Eichstätt eine Rentnerin brutal vergewaltigt hat, soll für fünf Jahre in Haft. Dass dieses Urteil des Ingolstädter Landgerichts vom Freitag Rechtskraft erlangt, ist kaum die Frage.

"Sie können sich bei Ihrem Anwalt bedanken", machte Vorsitzender Thomas Denz dem Mann auf der Anklagebank am Freitagmittag gleich zu Beginn der Urteilsbegründung klar, dass das Gericht dem umfangreichen Geständnis des abgelehnten Asylbewerbers am ersten Prozesstag vorigen Mittwoch große Bedeutung beigemessen hat. Mit der offenbar auf Einwirken des Rechtsbeistandes zustandegekommenen Erklärung, in der der Angeklagte den bizarren Vorfall vom 11. August vorigen Jahres am Eichstätter Altmühlufer eingeräumt hat, war dem Opfer eine detaillierte Befragung vor Gericht erspart worden - bei Sexualdelikten immer ein Umstand, der strafmildernd berücksichtigt wird.

Auch ohne dass die 5. Strafkammer der inzwischen 61-jährigen Frau eine beklemmende ausführliche Vernehmung zumuten musste, sind im Verfahren genug Einzelheiten zur Sprache gekommen, die die Schwere der Tat verdeutlicht haben. Dass es dafür irgendeine akzeptable Entschuldigung geben könne, mochte im Gerichtssaal niemand glauben - wohl nicht einmal der Angeklagte, der mehrfach beteuerte, sich für sein Handeln tief zu schämen. Vorsitzender Denz zum Verurteilten: "Es gibt Werte, die weltweit anerkannt werden - auch in Ihrem Heimatland. Diese Werteordnung haben Sie erheblichst verletzt."

War es der Alkohol, der beim dramatischen Vorfall in jener Sommernacht als Katalysator gewirkt hat? Wahrscheinlich, aber nicht ausschließlich, wie der medizinische Gutachter meint. Der Psychiater, der den Angeklagten schon vor Monaten untersucht und jetzt den zweitägigen Prozess begleitet hat, zeigte sich in der Erläuterung seiner Expertise sicher, dass der Angeklagte in jenen entscheidenden Minuten, als er sich an der arglosen Spaziergängerin verging, zwar alkoholbedingt enthemmt, aber keineswegs steuerungsunfähig war. Der Mann gilt deshalb aus juristischer Sicht als voll schuldfähig.

Dass der Angeklagte in seiner Erklärung schwere Ausfallerscheinungen nach Konsum von mindestens zwei großen Flaschen Wodka geltend gemacht hatte, sei völlig unglaubwürdig, stellte der Gutachter fest. Er hatte dem Gericht zuvor vorgerechnet, dass der Mann bei einem tatsächlich so exzessiven Schnapskonsum zur Tatzeit einen derart hohen Alkoholpegel gehabt hätte, dass zweifelsfrei bei ihm festgestellte Verhaltensweisen - er war mit dem Fahrrad zum Tatort gekommen, hatte nach der Tat noch mit klarer Sprache Handybotschaften an einen Bekannten abgesetzt - gar nicht möglich gewesen wären.

Dass er wohl immer wieder ordentlich Schnaps konsumiert hat, war von dem 26-jährigen Afghanen mehrfach betont worden. Dass es dabei über die Monate in Eichstätt auch vor jener schlimmen Augustnacht Eskapaden gegeben hat, belegen einige Polizeiprotokolle von Ordnungseinsätzen gegen den Asylbewerber. Stets war der Flüchtling dabei aber bei gemessenen Alkoholwerten zwischen einem und eineinhalb Promille geblieben - eine Größenordnung, die auch für die Tatnacht denkbar erscheint. Wegen seiner Flucht aus Eichstätt und der erst Wochen später erfolgten Festnahme gibt es hierfür aber keine belastbaren Anhaltspunkte.

Erörtert werden musste im Prozess natürlich auch der Werdegang des jungen Mannes, der eigener Darstellung nach mit 17 Jahren aus Afghanistan geflohen ist. Seine Familie habe sich gesorgt, dass er als junger Erwachsener nun von den Taliban rekrutiert werden könne, hatte der Angeklagte dem Gutachter offenbart. Sein Vater sei einst verschleppt worden und nie wieder aufgetaucht, im Heimatdorf habe es Exekutionen durch Aufständische gegeben. Das alles, so der Gutachter, habe der Angeklagte allerdings merkwürdig emotionslos erzählt: "Eine persönliche Erschütterung war nicht herauszuhören; das hat mich verwundert."

Das Gericht konnte und musste nicht klären, wie viel von den Schilderungen des Mannes aus Afghanistan zu glauben ist. Die Ablehnung seines Asylantrages legt allerdings nahe, dass die hierfür zuständigen Behörden so ihre Zweifel hatten. Richter Denz hatte den Angeklagten immerhin bereits am ersten Prozesstag gefragt, was denn wohl bei seinen muslimischen Glaubensbrüdern daheim von seinem Alkoholkonsum gehalten werde. Antwort: "Wenn die Leute in meinem Dorf das erfahren, werden sie mich abschlachten."