Ingolstadt
Stille Nacht im Januar

Die russisch-orthodoxe Gemeinde feiert am Samstag Weihnachten – Geschenke gab’s schon an Silvester

05.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:58 Uhr

Feierliche Stimmung: Jakob Lemmer zündet eine Kerze in der Heiliger-Nikolaus-Kirche an. Die orthodoxe Kirche feiert erst am Samstag Christi Geburt, weil sie sich noch am Julianischen Kalender orientiert. Er unterscheidet sich von den im Westen gültigen Gregorianischen Kalender um 13 Tage – daher die Verschiebung. - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Im orthodoxen Glauben ist Weihnachten nicht am 24. Dezember, sondern am 7. Januar. Nachdem sie zuvor 40 Tage lang gefastet haben, feiern die russisch-orthodoxen Ingolstädter am Samstagvormittag Christi Geburt in der Heiliger-Nikolaus-Kirche.

Jakob Lemmer (58) war eigentlich Katholik. Nach dem Tod seiner Frau – einer orthodoxen Christin – konvertierte er zum russisch-orthodoxen Glauben, um ihr wieder nahe zu sein. Seit dieser Zeit kümmert er sich ehrenamtlich um die Heiliger-Nikolaus-Kirche an der Esplanade.

„Ich freue mich schon auf das Wochenende, wenn wir Weihnachten feiern. Dann ist auch die Fastenzeit für uns vorbei“, erklärt er. Denn die gläubigen Orthodoxen gestalten ihr Weihnachtsfest noch in traditioneller Manier. Sie halten nichts von der deutschen Völlerei in der Vorweihnachtszeit. In ihren Haushalten gibt es zwischen dem 28. November und dem 6. Januar weder Plätzchen noch Bratäpfel oder gar Glühwein. „Weihnachten ist doch kein richtiger Feiertag, wenn man davor andauernd nascht und trinkt. Deshalb fasten wir 40 Tage zuvor. Nach der Weihnachtsmesse gibt es dann ein Festmahl“, erklärt Oleg Kratt, Mitglied des Migrationsrates.

So verzehren die Gläubigen in der Zeit keine Milchprodukte und kein Fleisch. Auch Alkohol ist nicht erlaubt. Am 6. Januar, dem letzten Tag vor dem eigentlichen Weihnachtsfest, gehen sie noch weiter: „Wir essen so lange nichts, bis der erste Stern am Himmel erscheint. Viele ältere, sehr fromme Menschen verzichten sogar auf das Trinken“, erzählt Lemmer.

Das Fasten ist schließlich am 7. Januar beendet – nach der Beichte, der Messe und der Kommunion: „Dann darf man alles essen, worauf man Lust hat“, schwärmt der 58-Jährige. Ein Gericht, das besonders gerne serviert wird, ist die Gans. „Wir füllen sie mit Äpfeln und Weizen und backen sie im Ofen“, berichtet der orthodoxe Priester Valerij Mikheev.

Weihnachten fällt in der russisch-orthodoxen Kirche auf den 7. Januar, weil sie sich noch an den Julianischen Kalender hält. „Der katholische Westen hat den Gregorianischen Kalender eingeführt. Er unterscheidet sich von unserem um 13 Tage. Deshalb verschiebt sich Weihnachten in den Januar.“ Auch die orthodoxe Geschenketradition weicht von der katholischen und protestantischen ab: „Väterchen Frost bringt am 31. Dezember die Geschenke“, sagt Mikheev. Dabei ist „Väterchen Frost“ im Grunde nur eine andere Bezeichnung für den heiligen Nikolaus. Deswegen landen die Geschenke in russisch-orthodoxen Haushalten in den Schuhen und Strümpfen der Kinder.

Manche orthodoxen Christen wie Lemmer pflegen allerdings andere Bräuche und beschenken sich erst am 7. Januar. „Entweder legen wir das Geschenk unter den Tannenbaum, oder wir überreichen es dem anderen ganz einfach.“