Ingolstadt
Ziel der Bürger: "Scherm-freie Wochen"

Logistikfirma ist am Montag Thema im Gemeinderat Karlskron aber nicht die geplante Erweiterung

22.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Den Lkw-Verkehr durch ihren Ort kritisieren die Bürger von Lichtenau, die auch den Vorschlag von "schermfreien Wochen" ins Spiel brachten. Die Autotransporte sollen wechselweise durch Lichtenau und Karlskron fahren. Den Bürgern der Donaumoosgemeinde dürfte das wohl kaum gefallen. - Foto: Eberl

Ingolstadt/Karlskron (DK) Die Logistikfirma Scherm ist am Montag wieder Thema im Gemeinderat Karlskron. Dabei geht es freilich nur um die Sanierung von älteren Hallen. Doch die geplante Erweiterung schlägt unter den Bürgern nach wie vor hohe Wellen.

"Bauantrag zur Nutzungsänderung einer Lagerhalle für landwirtschaftliche Erzeugnisse in eine Logistikhalle" sowie "Bauantrag zur Änderungsgenehmigung einer Logistikhalle mit Bürogebäude" in Probfeld lauten die ersten beiden Tagesordnungspunkte am Montag, 26. Februar. Ab 19 Uhr wird im Karlskroner Rathaus darüber diskutiert. Wie Scherm-Pressesprecher Maximilian Roos betont, geht es an diesem Tag aber nicht um die geplante Erweiterung, sondern um neu gestaltete Vordächer einer 2015 sanierten Logistikhalle mit Bürogebäude und um den Brandschutz der Hallen 1 und 2. "Damit werden nur die Vorgaben des Landratsamts umgesetzt", bestätigt auch Karlskrons Bürgermeister Stefan Kumpf (CSU).

Was die Bürger freilich nach wie vor am meisten auf den Nägeln brennt, ist die geplante Erweiterung des Logistikunternehmens mit rund 270 Beschäftigten im Donaumoos. Wie mehrfach berichtet, will Scherm zur Standortsicherung seine Fläche um 250 000 Quadratmeter erweitern. Besorgte Bürger kritisieren in einem Rückblick, dass bereits beim Beginn des Abstellens von Pkw im Jahr 1994 die Infrastruktur unzureichend gewesen sei. Die Erweiterung auf 280 000 Quadratmeter 2003 und 2007 auf 430 000 Quadratmeter könne nur als "Flächenfraß und Fehlentscheidung" bezeichnet werden, so Johann Stoll im Namen der Bürger: "Bereits bestehende Gewerbeflächen schaffen kein Erweiterungsrecht. Bereits getroffene Fehlentscheidungen dürfen nicht als Begründung für weitere Fehlentscheidungen herhalten."

Weiter wird an das erfolgreiche Bürgerbegehren im Jahr 2012 gegen eine weitere Flächenausweitung erinnert. "Warum wird dieser Bürgerwille nicht respektiert", klagen die Unterzeichner. Außerdem wollen sie unter Hinweis auf die Gemeinderatssitzung vom Dezember 2011 wissen, wie der Rat zur Beschränkung auf 12,5 Hektar und zu einem Erweiterungsstopp des Gewerbegebiets Probfeld bis zum Bau der Umgehungsstraße steht.

All diese Fragen sind nicht neu. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres haben die Betroffenen ein entsprechendes Schreiben an die Gemeinderäte und den Rathauschef übergeben, das inzwischen auf www.bbk20.wordpress.com nachzulesen ist. "Auf das Schreiben wurde bis zum heutigen Tag nicht reagiert", klagt Stoll, der eine gewissenhafte und gründliche Diskussion vor einer Entscheidung fordert.

Tatsächlich gibt es bis heute keine schriftliche Antwort oder eine Debatte im Rat. "Ich habe mit den Betroffenen persönliche Gespräche geführt", entgegnet Kumpf: Das sei viel mehr wert als eine schriftliche Ausarbeitung. Und dass sich der Gemeinderat offiziell noch nicht mit der Erweiterung befasst hat, sei nicht verwunderlich. "Es liegt kein offizieller Antrag vor", betont Rathauschef Stefan Kumpf. Scherm habe seine Pläne nur vorgestellt. Daher sei auch noch überhaupt nichts beschlossen.

Dennoch bleibt die Kritik der Betroffenen im Raum stehen. Der vorgesehene Flächenverbrauch sei inakzeptabel und widerspreche bei den hier anzuwendenden Abwägungen ganz klar der aktuellen bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie. "Langfristig scheint vielmehr eine Rückführung ineffizient (exzessiv) genutzter Flächen mittels Flächenrecyclings im Rahmen des Flächenmanagements geboten (Flächenkreislaufwirtschaft)", so die Unterzeichner des Schreibens.

Dank faktischer Vollbeschäftigung in der Region sei die Schaffung neuer Arbeitsplätze im äußerst volatilen Speditionsgewerbe wenig attraktiv. "Wollen wir uns wirklich unsere Zukunft so gestalten lassen? Abhängigkeit bis hin zur Erpressbarkeit von einem Großbetrieb mit maximaler Landnahme und geringer Rendite", fragen sich die Bürger: "Profitable Betriebe mit ,teuren €˜ Mitarbeitern tragen zur Gewerbesteuer bei, Pkw zahlen keine Gewerbesteuer."

Ein weiteres Thema ist der Lkw-Verkehr von gegenwärtig täglich rund 180 Fahrten. Unterdessen haben sich auch fast 90 besorgte Bürger aus dem Nachbarort Lichtenau in einem offenen Brief gegen die Erweiterung von Scherm ausgesprochen. Ihr Ziel ist es, den Lkw-Verkehr durch ihren Ort zu verringern. Eine Vergrößerung von Scherm sei nur erträglich, wenn eine Umgehungsstraße gebaut wird, betonen sie. Diese ist aber derzeit in weiter Ferne.

Die Lichtenauer Bürger wollen vom Gemeinderat Karlskron wissen, ob er Probfeld generell für geeignet hält für ein Logistikunternehmen und ob schon über Alternativen nachgedacht worden sei. Genannt wird unter anderem eine Ausfahrt Bofzá †heim über Karlskron bis zur B 13 oder über Deubling, was Scherm als nicht sinnvoll erachtet. "Die offene Spielwiese des Kindergartens liegt nur zehn Meter neben der Hauptstraße", so die Bürger aus Lichtenau. Schon jetzt sei es für Kinder und Senioren schwierig, über die Straße zu gehen: "Mit jedem weiteren Lkw steigt die Unfallgefahr." Angezweifelt werden auch die Prognosen der Firma Scherm, die von 27 zusätzlichen Lkw ausgeht.

Interessant ist die Idee von "Scherm-freien Wochen": Die Lkw sollten in wöchentlichem Wechsel durch Lichtenau oder durch Karlskron (über Reichertshofen) zu Scherm fahren. Doch das werde wohl nur sehr schwer umsetzbar sein, meint Maximilian Roos. Wie der Scherm-Pressesprecher erklärt, würden dann wohl die Karlskroner Bürger protestieren. Außerdem sei eine Umsetzung nur mit den Fahrern möglich.

Zur geplanten Erweiterung zur Standortsicherung betont Roos, dass die Pläne für dieses Vorhaben "nicht in Stein gemeißelt" sind. Die Firma Scherm sei kompromissbereit und biete Gespräche an. Dabei geht es um eine Verringerung der geplanten Erweiterung sowie um den Bau von Parkdecks, die sich allerdings erst in Jahrzehnten amortisieren. Die Firma Scherm wolle aber nicht wahllos Angebote machen, sondern im Dialog Kompromisse erarbeiten.