Ingolstadt
Quadratisch, praktisch, schlecht?

Der Stadtjugendring kritisiert die jüngsten Schulneubauten und fordert ein Umdenken

12.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:12 Uhr

"Gestanzte Monotonie" Dem Stadtjugendring missfallen Neubauten wie die Real- und die Mittelschule (rechts oben und unten) auf dem Gelände des Schulzentrums Südwest. Die Vertreter fürchten, dass auch der Neubau des Apian-Gymnasium (links) so aussehen wird. - Foto: Schalles

Ingolstadt (DK) Der Stadtjugendring appelliert in einem offenen Brief an die Stadtverwaltung und den Stadtrat vehement für ein Umdenken beim Neubau von Schulen - gegen "beliebig austauschbare Funktionsgebäude" und für pädagogisch durchdachte Lebensräume für Schüler und Lehrer.

Bis zu fünf Schulen will die Stadt in nächster Zeit bauen, so hat es der zuständige Referent Gabriel Engert Ende vergangenen Jahres angekündigt - der geplante Neubau des Apian-Gymnasiums am Schulzentrum Südwest ist da noch gar nicht mitgerechnet. Der Stadtjugendring zeigt sich alarmiert: "Wir haben Angst, dass man dieselben Fehler macht wie bei den letzten Gebäuden", sagt der Vorsitzende Andreas Utz. Als Beispiele führt Utz, der selbst Architekt ist, das Schulzentrum Permoserstraße und vor allem die zwei neuen Gebäude des Schulzentrums Südwest an. Überall auf der Welt entstünden Schulhäuser, hinter denen besondere Konzepte stehen - nur in Ingolstadt nicht. "Quadratisch, praktisch, gut", seien die neuen Gebäude, sagt Utz. "Das ist aber nichts, wo man sich wohlfühlt." Und dass, obwohl die Schüler doch immer mehr Zeit in der Schule verbrächten, wegen der Ganztagsschule und der offenen mobilen Jugendarbeit, die jetzt an den Schulen angesiedelt ist.

Spätestens am Wochenende dürften die Mitglieder des Stadtrates, der Oberbürgermeister, seine Stellvertreter sowie die Referenten alle den offenen Brief des Stadtjugendrings erhalten haben, in dem dieser ein Plädoyer für eine neue Art des Schulhausbaus hält. Weg von den Fassaden in "gestanzter Monotonie" - wie der Stadtjugendring eine Überschrift des DK zitiert -, den kahlen Fluren und den "stereotypen Einheitsklassenzimmern" hin zu einer Schule mit einladender Architektur, hoher Aufenthaltsqualität, differenzierten Lehrbereichen und Rückzugs- sowie kreativen Freiräumen.

"Es fehlt in den allermeisten neuen Schulen an einem pädagogischen Konzept", sagt Stadtjugendring-Geschäftsführer Stefan Moser. Dabei gebe es inzwischen auf dem Bildungsmarkt für jedes Bedürfnis das passende Angebot. "Im Schulzentrum Südwest könnte man genauso gut eine Versicherung unterbringen", kritisiert Moser. Ein Gebäude wie das Katherinen-Gymnasium - ob man es nun schön finde oder nicht - besitze Charakter. Ähnlich wie das Apian-Gymnasium.

"Das Apian war meine Schule", sagt Utz. "Das war ein Anziehungspunkt für den ganzen Stadtteil. Es hatte den schönsten Schulhof von ganz Ingolstadt." Nach dem Neubau von Real- und Mittelschule auf dem Gelände sei davon nichts mehr erhalten. Auch der offene Charakter sei verschwunden, nachdem das Gelände eingezäunt worden ist. Den Schulleitern komme das natürlich zupass, sagt Moser. So seien die Schüler kontrollierbarer, auch die Pausenaufsicht sei so einfacher. "Aber gäbe es Lehrerkollegien, die Konzepte einfordern, würde ein ganz anderer Druck auf die Politik entstehen." Die Lehrer säßen ja im selben Boot, sagt Moser. "Die verbringen schließlich sogar ihr halbes Leben dort. Und sie profitieren auch von Rückzugsräumen, guter Akustik und genug Licht."

Ein pädagogisch ausgerichteter Schulhausbau müsse nicht einmal teurer werden, sagt Andreas Utz. Für die Preissteigerungen seien ohnehin vor allem die Brandschutz- und die Energieeffizienzrichtlinien verantwortlich. Komischerweise zweifle deren Sinnhaftigkeit niemand an. Und während Lehrer um mehr Klassenzimmer bei Neubauten kämpfen müssten, würden die anderen Ausgaben ohne Diskussion abgenickt. "Unverhältnismäßig" sei die Stufe, die die Ausgaben für Brandschutz inzwischen erreicht habe, sagt Moser. Eine Begleiterscheinung seien die monotonen Flure - da dort kaum mehr etwas aufgehängt werden dürfe. Und unter der energiesparenden Bauweise habe die Akustik gelitten, ergänzt Moser. Das könnten auch keine Lärmschutzdecken ausgleichen.

Noch sei es nicht zu spät, entgegenzusteuern, sagen Utz und Moser. Sie hoffen auf positive Resonanz auf ihren offenen Brief, in dem sie sich auch auf die Broschüre "Schulen pädagogisch bauen" des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes beziehen. Darin sind rund 100 gelungene Neubauten von Schulhäusern aufgeführt. Aus der Region ist kein einziges dabei.