Ingolstadt
Probefahrt mit 8000 PS

Erlebnisse auf dem Güterbahnhof - DB Cargo und DB Netz haben zum Aktionstag geladen

10.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:16 Uhr

−Foto: Cornelia Hammer

Ingolstadt (DK) Die DB Cargo und DB Netz haben am Samstag zu einem Aktionstag an den Ingolstädter Güterbahnhof geladen. Vor allem Kinder nutzten die Gelegenheit, sich die Arbeiten an den Gleisen, auf Loks und Waggons zeigen zu lassen.

Neben dem Astronauten, "Irgendwas mit Tieren", Feuerwehrmann und Fußballprofi rangiert der Berufswunsch des Lokführers wohl noch immer in der Spitzengruppe kindlicher Berufswünsche. Später allerdings wandelt sich die gewünschte Profession vor allem in der Region immer mehr in Richtung "Irgendwas mit Audi", weswegen andere Arbeitgeber in Konkurrenz um gute Auszubildende viel Werbung in eigener Sache machen müssen. Die Idee, schon Kinder und Jugendliche mit einem Aktionstag auf dem Bahngelände fürs Rangieren und Kuppeln zu interessieren, wird in Ingolstadt seit 2015 umgesetzt, erklärt Aaron Bussey, Betriebsrat und Eisenbahner im Betriebsdienst, wie der Beruf des Lokführers offiziell heißt.

Simon Baumann muss an diesem Samstagnachmittag freilich nicht von einem Beruf bei der Eisenbahn überzeugt werden. Der Zwölfjährige will später unbedingt einmal etwas mit Loks und Gleisen zu tun haben. So wie sein Vater Wolfgang, der als Wagenmeister in Ingolstadt beschäftigt ist. Seinen Helm hat er für den Aktionstag bereits seinem Junior überlassen "Wagenmeister" und "Baumann" steht darauf. Außerdem das Funkgerät mit dem Simon den Kontakt zur anderen Gruppe auf dem Bahngelände hält. "Es gibt ganz unterschiedliche Berufsbilder bei uns", sagt Vater Baumann. "Seit einiger Zeit beschäftigt die Bahn zum Beispiel auch Drohnenpiloten."

Simon und sein Cousin Maxi interessieren sich aber weniger fürs Fliegen als für die große E-Lok, mit der sie gleich eine Runde über das Ingolstädter Betriebsgelände fahren dürfen. Manfred Finkenzeller ist Ausbilder und überlässt den beiden Kindern kurz sogar die Steuerung der Lok. Zum Glück sind die Beine der beiden Buben lang genug, um im Sitzen eine Tastleiste zu erreichen, die im Boden der Lok eingelassen ist. "Das ist die Sicherheitsfahrschaltung", erklärt Finkenzeller. Alle 30 Sekunden muss die Fußtaste betätigt werden. "Wenn wir das vergessen, stoppt der Zug automatisch." Mit dieser Einrichtung wird sichergestellt, dass der Lokführer betriebstauglich ist. Sollte er etwa ohnmächtig werden und die Taste nicht mehr drücken können, hält der Zug automatisch. Von einer Ohnmacht sind die beiden Buben freilich weit entfernt und betätigen konzentriert die Hebel und Knöpfe, die Finkenzeller ihnen nennt. Zunächst wird per Knopfdruck Leistung aufgebaut. Ein Rütteln geht durch die Lok, als Simon den Schalter betätigt und 15000 Volt Spannung aufgebaut werden, elektrische Anzeigen blinken auf. Dann drückt der Bub einen Knopf an einem Hebel, der ein bisschen aussieht wie ein Steuerknüppel in einem Flugzeug, und schiebt ihn nach vorne. Überraschend schnell setzt sich die 80 Tonnen schwere Lok in Bewegung. 8000 PS entfalten ihre Kraft. Aber nur ganz kurz. "Hier gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von zehn Kilometern in der Stunde", erklärt Finkenzeller und drosselt die Geschwindigkeit. "Sifa! Sifa!", meldet sich eine elektronische Stimme, und Simon betätigt mit dem Fuß schnell die Taste der Sicherheitsfahrschaltung. Daneben entdeckt er einen weiteren Taster. "Was ist das denn für ein Knopf?", will er wissen. "Drück' doch einfach mal drauf", sagt Finkenzeller. Der Zwölfjährige muss seine ganze Kraft aufwenden, da hallt plötzlich ein lauter Pfiff durch den Bahnhof und wohl auch ganz Ringsee. "Cool", entfährt es Maxi. "Zu oft sollten wir das aber nicht machen, weil wir sonst die Nachbarn stören", warnt Finkenzeller.

Dann ist das Ende des Bahnhofs erreicht. Die Lok stoppt. "Jetzt müssen wir umkehren", sagt Finkenzeller. Nur, wie dreht man eine Lok auf einem Gleis um? Finkenzeller öffnet eine Tür hinter dem Fahrersitz. Ein Gang führt durch den mächtigen Motor der Lok ans andere Ende. Dort befindet sich ebenfalls ein Führerstand. "Jetzt sind wir umgekehrt", sagt Finkenzeller. Diesmal darf Maxi die Lok steuern. "Sifa! Sifa!", ertönt es wieder, und weil der Bub die Taste unter seinen Füßen nicht gleich trifft, stoppt die Lok abrupt. "Jetzt wissen wir wenigstens, dass das System funktioniert", kommentiert Finkenzeller die automatische Notfallbremsung.

"Das Essen ist gleich fertig", quäkt es plötzlich aus dem Funkgerät. Maxi steuert die schwere Lok in die Endposition in der sogenannten Gleisharfe, quasi der Lok-Parkplatz des Bahnbetriebswerks am Ingolstädter Güterbahnhof, und schaltet per Knopfdruck den Motor aus. "Das war schon spannend", sagt er. "Man muss ganz schön viele Sachen beachten." Dann marschieren die beiden Lokführer in spe zur Pizza.

Die zweite Besuchergruppe ist schon da. Auf einer Diesellok hat unter anderem Christina Storch eine Rundfahrt durch den Bahnhof gemacht. Auch die 22-Jährige muss nicht für eine Stelle bei der Bahn gewonnen werden. Sie hat ihn längst. Bei einer Jobmesse sei sie das erste Mal auf die Bahn aufmerksam geworden, berichtet sie. Mittlerweile hat sie die Ausbildung zur Mechatronikerin abgeschlossen und macht jetzt ein Duales Studium zur Elektro- und Informationstechnikerin. Sie kennt sich also mit der Strecke, mit Gleisen und Signalen aus. Den Aktionstag hat sie genutzt, um auch einmal die Perspektive aus einer Lok zu haben, erklärt sie. Sie ist froh, ihr Technikinteresse bei der Bahn ausleben zu können, auch wenn viele andere natürlich gerne bei Audi anfangen. "Aber wer transportiert die ganzen neu gebauten Autos dann alle? Das machen wir", sagt die Bahnerin.