Ingolstadt
Pokern fast wie im richtigen Leben

Bei der Deutschen Heads-Up-Team-Pokermeisterschaft ging es nicht um Geld, sondern um viel mehr

20.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:01 Uhr

Pokerprominenz in Ingolstadt: Stephan Kalhamer, Präsident des Deutschen Poker-Sportbundes und Veranstalter der Heads-Up-Pokermeisterschaft, sowie Ex-Profi Jan Heitmann, der diesmal als Kartengeber tätig war, brachten den Pokersport am Wochenende in die Schanz. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Draußen prasselt der Regen gegen das Fenster, drinnen klappern die Chips. Ein Hinterzimmer im Ingolstädter Gewerbegebiet, Pokerchips wandern über den Tisch, Karten werden umgedreht, Chips verloren oder wieder auf den eigenen, wachsenden Stapel gehoben. Die siebte Deutsche Heads-Up-Team-Pokermeisterschaft ist in vollem Gange - Samstagnachmittag, zweiter von drei Turniertagen.

"Es ist das perfekte Pokerwetter heute", sagt Jürgen Bachmann beim Blick nach draußen. Der Vize-Präsident des Deutschen Poker-Sportbunds DPSB hat gut lachen, als er hier im ersten Stock der Ingolstädter Kartarena steht und über das Pokern redet. Im Foyer stehen Banner, kleine Tische und ab und an laufen die Pokerspieler vorbei in das kleine Zimmer, wo sich der Zauber abspielt.

16 Tische stehen eng beieinander, vier Spieler sitzen am Tisch, jeweils zwei davon spielen im Eins-gegen-Eins gegeneinander. Hier ein Spieler mit einer Sonnenbrille, dort einer mit großen Kopfhörern, drüben eine Spielerin mit dem Schal vor dem Gesicht. Keine Schwäche zeigen, nicht zu viele Informationen verraten. Aus der Ecke dröhnt Gelächter, es gibt einen lockeren, frechen Spruch für den Gegner, der nichts entgegnet außer einem kurzen Kopfnicken. "Das Pokerface wird von der Öffentlichkeit überschätzt", sagt Jan Heitmann und grinst. Heitmann ist ehemaliger Profispieler, gilt als der bekannteste deutsche Pokerexperte. Bezeichnend, dass er kaum auffällt, nicht abgehoben ist, sondern Teil einer Familie, die sich immer wieder trifft und ihre Besten sucht.

Für den Zuschauer ist das Spiel kaum verständlich. Chips wandern in die Mitte, Karten werden umgedreht, weitere Chips werden gesetzt - die Karten der einzelnen Spieler bleiben verdeckt, meist bis zum Schluss - manchmal werden sie erst gar nicht aufgedeckt. Große Zuschauermassen sucht man deswegen vergebens, das weiß auch Bachmann: "Es ist in Ordnung, ein paar sind schon am ersten Tag da gewesen."

Wer kommt, sieht sich kaum in den Klischees bestätigt: Hinterzimmer ja, aber kein verrauchter Westernsaloon, keine Geldbündel, die den Besitzer wechseln, niemand, der wegen seiner Spielsucht hier ist. Es geht um das Spiel, sagen Bachmann und Heitmann immer wieder. Das Spiel, nicht das Geld. Das Spiel, das - so Heitmann - das Leben ganz gut widerspiegelt. "Im Pokern verliert jeder seine Maske", weiß Bachmann. Sein Blick wandert in den Raum und er grinst. So viele verschiedene Charaktere treffen aufeinander. Der Kopf, sagen er und Heitmann, sei entscheidend: "Ich muss versuchen, in die Gedanken meines Gegenübers zu kommen und zu verstehen, wie er denkt", erklärt Heitmann. Strategisches Denken, Menschenkenntnis, Geschick - das alles vereint dieser Sport. "Es ist eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft. Ich brauche die mathematischen Grundlagen, aber auch die Kreativität, daraus etwas zu machen."

Wer hier am Ende gewinnt, hat natürlich auch ein wenig Glück. Dennoch ist der Begriff des Glücksspiels nicht gern gehört - dagegen fällt oft der Begriff Denksport. Informationen aufnehmen und verarbeiten, den Gegner versuchen zu verstehen, Risiken und Chancen einschätzen, mit Druck umgehen, an die eigene Stärke glauben. "Poker hilft bei der Entscheidungsfindung", sagt Heitmann und fügt an: "Wenn mehr gepokert werden würde, wäre es eine bessere Welt." Vielleicht ist das etwas hoch gegriffen. Wer das Treiben an den Tischen beobachtet, kommt aber zu dem Schluss: Das ist eine eigene Welt. Vielleicht aber eine, deren Grundprinzipien der Außenstehende durchaus aus dem eigenen Leben kennt.