Ingolstadt
Staatsanwaltschaft fordert achteinhalb Jahre Haft

Anklageseite bleibt im Prozess um Übergriff auf Dünzlauerin beim Vergewaltigungsversuch Verteidigung weist das zurück

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Man muss sich diese Situation noch einmal vor Augen führen: Da steht plötzlich ein wildfremder und nackter Mann im Badezimmer einer 27-Jährigen in der Dachgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses. Offenbar ohne Vorwarnung beginnt er auf die Frau in der Badewanne einzuschlagen, zerrt sie nach draußen, schlägt weiter auf sie ein und würgt sie auch.

Als die Überfallene sich heftig und erfolgreich wehrt, setzt er der Flüchtenden kurz nach und beißt ihr in die Schulter. Dann kann sie heftig blutend ins Treppenhaus entkommen, eilt ins Erdgeschoss und setzt dort einen Notruf ab. Der Angreifer flieht nackt aus dem Haus.

So war unstrittig der grobe Ablauf eines Einbruchs mit heftigem Übergriff im Ingolstädter Stadtteil Dünzlau, der im vergangenen August für große Aufmerksamkeit gesorgt hatte - und den das Ingolstädter Landgericht aktuell verhandelt. Die "Kardinalfrage" des Prozesses, wie sie der Vorsitzende Richter Thomas Denz nennt, ist: Hatte der Angreifer wirklich sexuelle Absichten? Auf den ersten Blick könnte eine spontane Gegenfrage nur lauten: Was sollte ein wildfremder Nackter denn in so einer Situation für andere Absichten haben? Tatsächlich aber haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung völlig unterschiedliche Schlüsse aus der Beweisaufnahme gezogen, wie sie gestern bei den Plädoyers zusammenfassten.

Für Anklägerin Sandra Krist haben die Zeugen und Sachverständigen die Anklage absolut bestätigt. Und die lautet auf versuchte Vergewaltigung. Sie sei "überzeugt, dass er es wollte". Dabei stützt sich die Staatsanwaltschaft in erster Linie auf Angaben des Opfers. Auch wenn sie es im Prozess nicht mehr konkret wusste, hatte die traumatisierte 27-Jährige in der ersten Vernehmung bei der Polizei von Versuchen des Angreifers berichtet, sie im Intimbereich zu berühren. "Das verhinderte sie durch massive Gegenwehr", ist sich Krist sicher.

Der Angeklagte aber habe sich in seinen Einlassungen in "diverse Widersprüche" verwickelt. Dass er Schläge und Würgen zugab ("Er räumt nur das ein, was offensichtlich ist"), die sexuellen Absichten aber abstritt, kommentierte die Staatsanwältin: "Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nur da rein sind, um zu duschen!" Die Anklägerin forderte achteinhalb Jahre Gefängnis. Wobei ein Einbruch in einer Ingolstädter Gaststätte mitschwingt, bei welchem der 32-Jährige nur Stunden nach dem Dünzlauer Überfall geschnappt wurde.

Ganz anderer Meinung ist Verteidigerin Marion Reisenhofer, die ihren leidenschaftlichen Schlussvortrag mit den Worten "Es muss raus" begann. Selbstverständlich, so sagte die Rechtsanwältin, habe das Opfer beim Übergriff ihres Mandanten nur den Gedanken an eine Vergewaltigung haben können - "völlig nachvollziehbar!". Allerdings sei die 27-Jährige dann "von außen durch Staatsanwaltschaft und Polizei in ein Sexualdelikt gedrängt worden", befand Reisenhofer sogar. Ihre ersten Schilderungen angeblich sexuell motivierter Handlungen seien gar nicht so deutlich gewesen, "wie es ihr danach in den Mund gelegt wurde", so die Anwältin. Es gebe überhaupt keinen objektiven Anhaltspunkt für einen Vergewaltigungsversuch.

Die Verteidigerin prangerte auch an, dass sich die Staatsanwaltschaft dazu Bruchstücke aus dem Geschehen im Haus herauspicke und darauf ihre Anklage aufbaue, aber andere relevante Punkte überspringe. Ihr Mandant habe beim Einbruch, "der dann völlig aus dem Ruder gelaufen ist", überhaupt nicht wissen können, dass im Badezimmer eine Frau in der Wanne lag, dazu noch alleine. Dass nicht ihr Freund dabei war. Außerdem gebe es wirklich eine Erklärung, warum sich der 32-Jährige in der Wohnung schon vor dem Badezimmer komplett auszog. "So unsinnig es ist, so lebensfremd, aber es ist plausibel", leitete die Anwältin die Erklärung ein. Denn der angeblich betrunkene Angeklagte hatte sich tatsächlich mitten im Wohnzimmer der 27-Jährigen groß erleichtert gehabt - danach habe er duschen wollen.

Reisenhofer blickte auf die acht Verurteilungen ihres gerichtserfahrenen Mandanten zurück, der 14 seiner 32 Lebensjahre in Haft saß, immer wegen Einbrüchen und dergleichen. "Er erzählt, was gewesen ist, nicht mehr und nicht weniger." Einen konkreten Antrag für die Strafhöhe stellte Reisenhofer nicht.

Das Urteil der 5. Strafkammer wird am morgigen Mittwoch verkündet.