Ingolstadt
Nachholbedarf in Politik und Arbeitswelt

Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler über Versäumnisse bei Frauenrechten

11.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Mit kleinen Präsenten lockten die Organisationen die Besucher an die Stände, um über ihre Angebote zu informieren. Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Steffi Kempe (Mitte) überreichte den 14-jährigen Freundinnen Lara und Ekin beispielsweise einen Blumentopf und einen Fächer. - Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Warum auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland über die Stellung des weiblichen Geschlechts in der Gesellschaft zu sprechen ist, war am Samstag Thema einer Diskussionsrunde des Deutschen Gewerkschaftsbunds Region Oberbayern (DGB) in der Fronte 79. "Dieser Tag ist wichtig, weil es viele Gesetze noch gar nicht lange gibt und wir in manchen Bereichen immer noch mit Problemen kämpfen", sagte Gastrednerin Bärbel Kofler (kleines Foto), geschäftsführende Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.

Denn: "Gesetze sind das eine. Dass das in die Köpfe kommt, ist das andere."

Weit über 100 Besucher waren gekommen, um Koflers Meinung über die Stellung der Frau in Arbeit und Leben zu hören. Nach einem geschichtlichen Abriss - das Gesetz, das Vergewaltigungen in der Ehe zur Straftat machte, trat beispielsweise erst 1997 in Kraft - ging die SPD-Bundestagsabgeordnete darauf ein, wo es noch Handlungsbedarf gebe. Kofler nannte an dieser Stelle insbesondere die politische Repräsentanz, die Arbeitswelt sowie Gewalt gegen Frauen.

So sieht sie das Parlament, in dem nur ein Drittel der Abgeordneten Frauen sind, als "absoluten Rückschritt", und ermutigte: "Frauen, kandidiert's, und Frauen, wählt's Frauen!" Mit Erschrecken nahmen einige Besucher die Zahlen aus der Arbeitswelt auf: Laut Kofler stellen Frauen 75 Prozent des Niedriglohnsektors dar. "Armut ist weiblich", stellte die Rednerin fest und warb für Familienarbeitszeit und das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit. Zuletzt forderte sie mehr Plätze in Frauenhäusern. "Jede dritte Frau in Bayern hat Erfahrungen mit Gewalt gemacht", sagte sie. Eine jede brauche einen Ansprechpartner, was bei einem Frauenhausplatz pro 10 000 Frauen in Bayern kaum machbar sei.

An den Wänden hatten indes viele Beratungsstellen und Parteien Stände aufgebaut, um über ihre Angebote zu informieren. "Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass Frauen noch immer nicht gleichgestellt sind", sagte Steffi Kempe, Verdi-Bezirksgeschäftsführerin. Die Gewerkschaft fordert vor allem die Gleichberechtigung von Mann und Frau hinsichtlich der Bezahlung. Zwei der jüngsten Gäste, die 14-jährigen Freundinnen Lara und Ekin, informierten sich an den Ständen. "Es ist sehr wichtig, darüber zu sprechen, denn auch Frauen haben Rechte", meinten sie überzeugt.

Einige Meter weiter hatte sich Anja Assenbaum positioniert. "In vielen Bereichen gibt es noch Verbesserungsbedarf", sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ingolstadt. Deshalb sei es wichtig, dass Frauen wissen, an welche Stellen sie sich wenden können. Trotzdem sehe sie den Frauentag auch als Anlass zu feiern. "Als Geschenk an uns, weil wir viel geschafft haben und nicht alles schlecht ist."