Ingolstadt
Mehrfachmord und Wiedersehensfreude

500 Zuschauer bei Hans Fegerts Hinterkaifeck-Film im Kino-Open-Air Kinderdarstellerin besucht Vorstellung

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Foto: Michael Brandl

Ingolstadt (DK) Am Ende flossen Tränen der Rührung: Vor 36 Jahren drehte der Ingolstädter Autor Hans Fegert "Hinterkaifeck - Symbol des Unheimlichen" - ein kleines Filmjuwel, das nur alle paar Jahre aufgeführt wird. Jetzt lief es beim Kino-Open-Air im Turm Baur. Mit dabei: die Darstellerin der kleinen Cäzilia Gabriel.

Cäzilia - genannt Zilli - war das zweitjüngste Kind von Viktoria Gabriel, Tochter des Bauernehepaars Andreas und Cäzilia Gruber, die den Hof Hinterkaifeck bei Schrobenhausen bewirtschafteten. Die tragischen Ereignisse, die sich dort in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1922 abgespielt haben, sind durch zahlreiche Veröffentlichungen in Buchform und als Film mittlerweile weithin bekannt und sorgen bis heute für Schaudern und Entsetzen beim Publikum: Die gesamte Familie, darunter auch der erst zweijährige Josef, sowie die Magd des Hofs wurden damals auf bestialische Weise erschlagen, die Leichen erst Tage später entdeckt. Der mysteriöse Sechsfachmord konnte offiziell nie aufgeklärt werden.

Im Winter 1981 machte sich Hans Fegert daran, das Drama in einem 45-minütigen Amateurfilm zu erzählen. Gedreht in Super 8 und mit Darstellern einer Laientheatergruppe aus Pfaffenhofen, darunter auch der heutige Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf, der den Postboten mimte. Rund 500 Menschen kamen am Dienstagabend zur Aufführung des Films, der zuletzt vor fünf Jahren gezeigt worden war. Diese Resonanz hat selbst der Hobby-Historiker nicht fassen können.

Emotional berührt hat ihn aber auch ein Wiedersehen nach 36 Jahren: Claudia Morell war für die Aufführung eigens aus Regensburg in die alte Heimat gekommen. Fegert, der in der Schanz auch wegen seiner Bücher über das Nachkriegs-Ingolstadt bekannt ist, ahnte davon nichts. Die Freude war um so größer, als sich Morell nach Filmende zu erkennen gab und dem Regisseur Hallo sagte. "Ich habe mich sehr gefreut, als ich über die sozialen Netzwerke von dem Termin erfahren habe. Ich habe den Film seit der Uraufführung nicht mehr gesehen", sagte sie unserer Zeitung. Zwar habe sie immer wieder danach gesucht, da der Streifen aber nicht digital, also nicht im Internet erhältlich ist, sei dies erfolglos geblieben. Morell war bei den Dreharbeiten neun Jahre alt und ist zu sehen, wie sie als Schulmädchen in der Stube auf einer Schiefertafel Hausaufgaben erledigt. Später folgt sie den Großeltern und der Mutter in den Stall und läuft damit geradewegs ihrem Mörder in die Hände. Ihre Erinnerungen? "Es war unfassbar aufregend mit all den Kostümen in der dekorierten Bauernstube. Aber es war auch sehr kalt", erzählte sie.

Das kann Hans Fegert bestätigen. "Wir haben drei Tage bei minus zehn Grad gedreht", sagte er, noch mit Tränen in den Augen wegen des unverhofften Wiedersehens. Als Drehort diente damals ein verlassener Hof hinter Unsernherrn. Zwar sei man technisch gut ausgestattet gewesen, doch kann sich Fegert noch erinnern, dass das Stromaggregat wegen der Kälte und der starken Beanspruchung zu qualmen begonnen hatte. Zerschlagene Fensterscheiben seien mit Plastikfolie wieder hergestellt worden, und als Fegert Szenen nachdrehen wollte, seien er und seine Leute plötzlich vor einem riesigen Steinhaufen gestanden. "Der Hof war plötzlich abgerissen worden", erzählte er. Auch war das Drehen damals teuer: "Drei Minuten kosteten um die 20 Mark." Schwierig sei es zudem gewesen, an die einzig existierenden fünf Tatort-Fotos zu kommen. Heute reichen dafür ein paar Klicks im Netz.

Fegert konnte den Film wegen seiner Überlänge nie zu Schmalfilmwettbewerben einreichen. Dafür hat das Werk unter anderem bei einem Wettbewerb für Jungfilmer in Nürnberg den Publikumspreis geholt. Auch zur Berlinale wollte der Amateurfilmer, hat das Vorhaben aber wegen der weiten Anreise wieder fallen lassen. "Heute ärgert mich das", räumt er ein.