Ingolstadt
Letzter Appell an das historische Gewissen

16.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:01 Uhr

Symbolträchtig: Harald Kneitz vom Freundeskreis Industriekultur Ingolstadt ersteigerte kurzerhand im Internet eine DKW Hummel, um am Samstagvormittag am Informationsstand in der Mauthstraße die Geschichte der Schanz zu verdeutlichen. - Foto: Stadik

Ingolstadt (DK) Bevor der Stadtrat am Donnerstag über den Abriss des Verwaltungsgebäudes auf dem Gießereigelände entscheidet, legte sich am Wochenende der Freundeskreis Industriekultur nochmals ordentlich ins Zeug. Gut 150 Ingolstädter nahmen zum Beispiel an einer Führung teil.

1956 brachte die Auto Union in Ingolstadt die DKW Hummel auf den Markt und trug mit der Herstellung des Mopeds maßgeblich zum Erfolg des Industriestandortes bei. Alles in allem mehr als 130 000 Exemplare wurden bis 1958 von dem Kleinkraftrad mit Dreiganggetriebe gebaut.

Eine Original-Hummel zierte denn auch am Samstagvormittag den Informationsstand des Freundeskreises Industriekultur Ingolstadt (Finis!) in der Mauthstraße. "Das Moped habe ich zufälligerweise am Freitagabend im Internet gefunden und gleich ersteigert", berichtete Finis-Initiator Harald Kneitz, der das ehrwürdige Zweirad als Symbol für die Wirtschaftsgeschichte der Schanz verstanden wissen wollte.

"Seid ihr von der Bürgerinitiative für das Glacis", fragte dennoch ein Passant, der offenbar die Orientierung angesichts der wachsenden Zahl an Unterschriftenlisten in Ingolstadt verloren hatte. Die Erläuterung von Kneitz – "Nein, wir setzen uns für den Erhalt des Verwaltungsgebäudes auf dem Gießereigelände und des Körnermagazins ein" – gab dem Mann zu denken: "Die schaue ich mir an", versprach er unverbindlich. Mehr Glück hatten der Freundeskreis bei einem Ehepaar im besten Alter, das kurzerhand die Kulis zückte und auf den Unterstützerlisten unterschrieb.

Immerhin 250 Leute setzten innerhalb von drei Stunden ihre Namen auf die Listen, die allerdings nicht als Basis für ein Bürgerbegehren dienen sollen. "Mir ist es wichtig, dass wir eine Mischkultur in der Stadt schaffen", betonte ein 42-jähriger Ingolstädter Geschäftsmann, der daher einen "Museumscharakter" für die Zukunft der Industriedenkmäler ablehnt. Eine Investition von Steuergeld in die sinnvolle, funktionale Nutzung der Gebäude sei seiner Meinung nach jedoch allemal besser, "als die Euros in der Ägäis zu versenken."

Unter dem warnenden Motto "Fünf vor zwölf" gab es am Sonntagvormittag eine Führung zu den Industriegebäuden im Osten der Altstadt, an der sich rund 150 Menschen beteiligten. Die Zeit wird schließlich knapp für den Freundeskreis, denn an diesem Donnerstag entscheidet der Stadtrat über die Zukunft des Gießereigeländes. "Wenn die Einfahrt etwas schmaler gestaltet wird, müsste das geplante Hotel nur geringfügig Richtung Süden verschoben werden", warb Harald Kneitz für den Kompromissvorschlag des Freundeskreises.

Während der Finis-Initiator und seine Mitstreiter in diesem Fall an das "historische Gewissen" der Stadträte appellieren können, bleibt ihnen beim Körnermagazin jedoch nur die Hoffnung auf das Verständnis des privaten Bauherren.