Ingolstadt
Kuscheltier reist mit kleinem Gepäck

210 Kinder und Jugendliche tanzen die Suche des Hasen Felix im Festsaal nach

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Foto: Michael Brandl

Ingolstadt (DK) Voll besetzt war der Festsaal am Samstagnachmittag bei der Aufführung von "Das verlorene Kuscheltier" und "Black & White" des Ballettstudios Sabine Schönell. 210 junge Tänzerinnen aus der Region begeisterten ihr Publikum.

Wo ist noch mal links, wo rechts? Die kleinen Koffer-Darstellerinnen haben die Seiten vertauscht, kurzfristig herrscht große Verwirrung bei der Generalprobe des Balletts "Das verlorene Kuscheltier" am Samstagmorgen im Festsaal. Der erste Teil der Aufführung des Ballettstudios Sabine Schönell erzählt vom Kuschel-Hasen Felix, der am Flughafen von seiner Freundin Sophie getrennt wird und dann alleine durch die Welt reist. Allerliebst sind die jüngsten Tänzerinnen ausgestattet als Reisegepäck - jede hat sogar einen Griff auf dem Kopf. Ballettlehrerin Sabine Schönell (50) sortiert schnell alle nach Plan, richtet hier und dort noch eine Schleife, und als die Koffer ihre Choreografie noch zweimal durchgetanzt haben, dürfen sie erst mal pausieren und Brotzeit machen.

Die Ballettaufführung ist die fünfte ihrer Art, die Schönell veranstaltet. 210 Mädchen ab der ersten Klasse bis Anfang 20 sind dabei. Was für eine Wahnsinnsaufgabe es ist, mit dieser Anzahl von Tänzerinnen ein gut zweistündiges Programm zu gestalten, merkt man, wenn man nur einige Minuten bei den Proben zuschaut. Die tanzenden Flugbegleiterinnen müssen aufpassen, dass sie nicht aus Versehen vorne von der Bühne fallen, die Kissen für den Sultan sind kurzfristig verschwunden und die kleinen Raubkatzen können es kaum noch erwarten, geschminkt zu werden. "Jeder Handgriff muss sitzen und jede Requisite verräumt werden für das nachfolgende Bild", erklärt Schönell und flüstert augenrollend ein leises "Was tue ich hier eigentlich", als zwischendurch mal gar nichts mehr zu klappen scheint. Aber ihre anscheinend völlig stressresistente Freundlichkeit ist beeindruckend - und überträgt sich auf ihre Schülerinnen, zu denen sie - selbst Mutter von zwei Söhnen - einen besonderen Draht hat.

Lilly ist sechs Jahre alt und begeistert, dass sie zum ersten Mal dabei sein darf. Für den Nachmittag hat sich die Familie angesagt, inklusive aller Omas und Opas. "Es ist echt toll, ein Koffer zu sein, Mama und Papa haben mitgeholfen, das Kostüm zu basteln", strahlt die Erstklässlerin beim Erzählen. Viel geübt hat sie und ihre Schwester Hannah ist beruhigenderweise auch dabei, sie tanzt beim Blumenwalzer mit. Trotzdem ist Lilly richtig aufgeregt, wenn sie hoch auf die Bühne muss.

Bei der Aufführung am Nachmittag läuft dann alles perfekt. Franziska Regensburger tanzt als Hase Felix die Hauptrolle sehr sicher und mit großer, sympathischer Ausstrahlung. "Ich habe mich riesig gefreut, als Frau Schönell mich gefragt hat, ob ich das machen möchte. Heute ist die Freude ungefähr bei 60 Prozent, die Aufregung bei 40", berichtet sie. Aber Franziska weiß, dass jeder Schritt sitzt. "Und bei Blackouts hilft mir die Musik, die führt mich", erzählt die Zehnjährige.

Sabine Schönell erläutert das Zustandekommen ihres Großprojekts: "Vor einem Jahr habe ich das Stück konzipiert, so habe ich ein bisschen Zeit gehabt, um mich gedanklich darauf einzustellen. Nach den Sommerferien haben wir mit den Proben begonnen." Schönell, die in Köln Tanzpädagogik studiert hat und seit 19 Jahren ihre Ballettschule leitet, hat, wenn sie die Tanzfolgen entwickelt, immer ihre Tänzerinnen vor Augen. "Die Stücke sind passend für die Kinder gemacht", erklärt sie. Und wirklich hat man bei den meisten Mädchen den Eindruck, dass sie sich rundum wohl in ihren Rollen fühlen. Schönell bekommt Hilfe von ihren drei Mitarbeiterinnen Maximiliane Bauer, Ilia Vérignon-Schattleitner und Isabella Donaubauer, die sie sowohl beim Unterricht als auch bei den Choreografien und Proben unterstützen.

"Black & White" heißt der zweite Teil des Balletts, den die älteren Schülerinnen gestalten. Die schwarze und die weiße Königin (Jette Josefine und Emily Sophie Borck - im "echten Leben" Zwillinge) konkurrieren an ihrem Königshof, und der Zeremonienmeister (Mariella Halsner) muss sich immer etwas Neues einfallen lassen, um die beiden Schwestern in Spielen und Wettkämpfen zu beschäftigen und abzulenken. Schönell hat sich abwechslungsreiche Choreografien überlegt und schickt ihre Tänzerinnen in höchst kreativ gestalteten Kostümen auf die Bühne: Als schwarz-weiße Tiere, als Bräute und Bräutigame erst im Wettstreit miteinander, dann im Sieg der Liebe vereint, in einem Unwetter als schwarze und weiße Wolken sowie als Darsteller in einem Schwarz-Weiß-Film. Höhepunkt sind schwarze Spinnen mit ihren haarigen, auf den Köpfen der Tänzerinnen befestigten Beinen, die sich schließlich in weißen Spinnennetzen rundum wohlfühlen. So gibt es keine Gewinner im Kampf von Schwarz und Weiß, und beim finalen Schwanentanz beruhigen sich schließlich auch die Königsschwestern, und der Hof feiert ein rauschendes Fest.

Maria Knodt ist - als weißer Schwan - mit ihren 21 Jahren die älteste Tänzerin auf der Festsaal-Bühne. Sie tanzt seit 17 Jahren in Schönells Studio. "Mit vier habe ich angefangen", erzählt sie. "Inzwischen studiere ich hier in Ingolstadt, mache auch anderen Sport und spiele Klavier, aber das Ballett ist die ganzen Jahre über geblieben." Schönell freut sich, wenn die Gruppen über die vielen Jahre und gerade auch durch die Aufführungen zusammenwachsen und den Mädchen einen vertrauten und festen Rahmen bieten, "der da ist, auch wenn im sonstigen Leben mal alles wackelt", wie sie sagt. Viele ehemalige Schülerinnen helfen bei der Aufführung als Betreuerinnen der Jüngeren - so schließt sich ein Kreis.

Beim großen Finale sind alle Darstellerinnen noch mal zusammen auf der Bühne. "Da müsst Ihr nichts mehr machen, nur noch schön aussehen", hat Sabine Schönell vorher ihre kleinen Tänzerinnen beruhigt. Auch das schaffen sie souverän.