Ingolstadt
Stiftung mit Altersschwäche

Heilig-Geist-Spital will Zahl seiner Pflegeplätze fast halbieren Dagegen formiert sich Protest

16.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

In guten Händen: Noch können sich die Senioren im städtischen Alten- und Pflegeheim wohl- und geborgen fühlen (Bild oben). Dass das so bleibt, dafür setzen sich Edith Möller (unten links) und Elisabeth Bauernfreund mit Unterschriften ein. - Fotos: Hammer/Eberl

Ingolstadt (DK) Ältere, pflegebedürftige Ingolstädter, die sich keine teure Seniorenresidenz leisten können, hatten bisher die Gewissheit: Im Heilig-Geist-Spital können sie würdig ihren Lebensabend verbringen. Die Stiftung sorgte dafür, dass der Heimplatz noch bezahlbar bleibt. Diese Zeiten sind vorbei.

Die Altstadtbewohnerin Edith Möller erinnert sich noch gut an die Zeit, als das stiftungseigene Pflegeheim in der Spitalstraße - jetzt Technisches Rathaus - untergebracht war. "Meine beiden Omas waren damals im Spital, eine kam jeden Tag zu uns, wenn sie mit dem Essen fertig war." Die andere sei regelmäßig in die Spitalkirche oder die Untere Pfarr gegangen. "Die waren mitten im Geschehen", erzählt Möller.

Kleine Eigenständigkeiten seien ganz wichtig für alte Leute. "Dann sind sie eingebunden und geben sich nicht so schnell auf." Das sei eben der große Vorteil eines Pflegeheimes in der Innenstadt. Sofern die Senioren noch einigermaßen gut zu Fuß seien, hätten sie im Zentrum die Möglichkeit, ins Café zu gehen oder zum Friseur, zum Arzt oder zum Optiker. Auch die Angehörigen könnten in der Mittagspause schnell mal beim Opa oder der Oma vorbeischauen.

Aber irgendwo außerhalb? Zum Beispiel im Anna-Ponschab-Haus am Klinikum? "Wer fährt denn da raus? Wer hat die Zeit". Die Heilig-Geist-Spitalstiftung sei ja gerade zur Unterstützung von Leuten gedacht, "die keinen großen Geldbeutel haben". Umso schlimmer findet Edith Möller das sich immer deutlicher abzeichnende finanzielle Fiasko der Stiftung, das wohl zum Abbau von weiteren Pflegeplätzen in der Innenstadt führen wird.

Die Ingolstädterin, die auch beim VdK und bei den Wanderfreunden aktiv ist, hat in den vergangenen Tagen damit begonnen, in der Altstadt Unterschriften zu sammeln. Die Forderung: Die alten Leute müssen ihren Platz im Stadtzentrum behalten. Möller ist durch Apotheken und Friseursalons, Metzgereien und Bekleidungsläden gezogen - mit großer Resonanz. "Die Geschäftsleute sagen mir: In der Innenstadt kaufen ja doch nur noch die alten Leute ein, die jungen bestellen lieber im Internet."

Auch Elisabeth Bauernfreund aus Hundszell hat inzwischen schon einen ganzen Stapel an Unterschriftenlisten zusammen. Sie will nicht akzeptieren, dass es keine für die Angehörigen planbaren Plätze in der Kurzzeitpflege mehr geben soll. Sie weiß aus eigener Erfahrung mit ihrem Vater, wie wichtig solche Plätze sind.

Die Hundszellerin wurde ebenso wie Edith Möller durch die Misere der Stiftung alarmiert. Wie schlimm es um diese fast 700 Jahre alte Einrichtung mittlerweile bestellt ist, daran wird in den aktuellen Lageberichten kein Zweifel mehr gelassen. "Die Liquidität der Stiftung ist ausgeschöpft", heißt es im Jahresabschluss 2015, der vor einigen Wochen im Stadtrat vorgelegt wurde. "Die Geldanlagen mit Stand 2009 von 3 025 334 Euro wurden bereits in die Immobilien investiert. Die künftig anstehenden Maßnahmen können nur mit Fremdkapital finanziert werden."

Gewinne der Stiftung, so lautet die ernüchternde Bilanz, seien "mittelfristig aufgrund der hohen Baulasten nicht zu erwarten". Vorrangiges Ziel müsse nun der Erhalt der stiftungseigenen Gebäude und des Grundstockvermögens sein. "Stiftungsmittel zur Ausschüttung an die Einrichtungen und Erfüllung des Stiftungszweckes stehen nicht zur Verfügung." Auch das Defizit 2015 des Altenheims könne "nicht durch die Stiftung gedeckt werden".

Das klingt fatal nach einem Offenbarungseid. Helmut Chase, seit vielen Jahren verantwortlicher Referent der Stadt für die Stiftungen, kann nicht mehr umhin, Klartext zu reden. Bisher habe die Spitalstiftung stets "eine soziale Aufgabe übernommen". Das Spital sei "immer das günstigste Pflegeheim in Ingolstadt" gewesen. "Das geht aufgrund der finanziellen Situation nicht mehr."

Was die Sache nicht leichter macht, ist der allgemeine Mangel an Pflegekräften. Er führt dazu, dass das Anna-Ponschab-Haus nicht mehr voll ausgelastet werden konnte, was wiederum das Wirtschaftsergebnis verschlechtert. Zudem sind die Auswirkungen der aktuellen Pflegereform noch nicht absehbar, insbesondere der künftige Umgang mit rüstigen Heimbewohnern und deren Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.

Im Haushaltsbericht 2017 der Spitalstiftung wird prophezeit: "Altenwohnheime wie der Rüstigenbereich des Heilig-Geist-Spitals verlieren damit die Existenzgrundlage." So sollen die Plätze für rüstige Heimbewohner ganz aufgelöst und die Pflegeplätze insgesamt von bisher 186 schrittweise bis 2018 auf nur noch 101 abgebaut, also fast halbiert, werden. Später könnte dann, so die derzeitigen Überlegungen, die Vermietung an Studenten das finanzielle Überleben der traditionsreichen Spitalstiftung sichern.