Ingolstadt
Auf eine Tasse Kaffee in die Werkstatt

Harald Kinzels Fahrradladen hat eine Lücke in der Altstadt gefüllt und erschien auch vom Konzept her preiswürdig

24.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Unmittelbarer Kundenkontakt: Harald Kinzel (Mitte) bekommt in seinem Laden Am Bachl so ziemlich jedes Fahrradproblem in den Griff. Holger Wanke (links) ist bereits Stammkunde, Tobias Müller schaut mit seinem Radl hier gerade zum ersten Mal vorbei. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Eine Fahrradreparaturwerkstatt mitten in der Stadt - das hat in Ingolstadt seit Schließung der Radhaus-Filiale an der Theresienstraße gefehlt. Harald Kinzel hat diese Lücke mit seinem Reparaturcafé "dropbar" Am Bachl geschlossen - und mit seinem Konzept gleich noch den Gründerpreis kassiert.

Wer wollte bestreiten, dass Ingolstadt nicht nur Auto-, sondern auch Fahrradstadt ist? Mehrere große Radlgeschäfte haben nicht nur eine Riesenauswahl an Neuware, sondern auch eigene Reparaturbetriebe. Doch in der Kernstadt suchte man Hilfe bei gröberen Schäden am Fahrrad zuletzt vergeblich. Eine echte Marktlücke hatte sich da aufgetan, die ein junger Mann aus Oberfranken nun beherzt ausfüllt: Harald Kinzel (31) hat seit seiner Geschäftseröffnung in einem alten Ladenlokal nahe der Adenauerbrücke schon derart Zuspruch erfahren, dass er Aufträge inzwischen (fast) nur noch nach Terminabsprache annehmen kann.

Es ist der klassische Start in die Selbstständigkeit: Der Inhaber als Alleinverantwortlicher ist quasi sein eigener Angestellter und wird von der Freundin halbtags unterstützt. Mit diesem minimalen Personaltableau muss es erst einmal funktionieren. Und es klappt auch - mit einem Zeitaufwand, den ein Unternehmer zumindest in der Gründerphase einfach schultern muss. 60 Stunden in der Woche sind eher die Regel als die Ausnahme, die Sechstagewoche ist für eine Firma mit Ladenbetrieb ohnehin Pflicht. Aber die Unabhängigkeit und die Genugtuung, die der geschäftliche Erfolg mit sich bringt, entschädigen dafür.

Harald Kinzel stammt aus Kulmbach, ist Maschinenbauingenieur - eigentlich überqualifiziert für eine Arbeit, in der zwar technisches Verständnis und gute Mechanikkenntnisse verlangt werden, aber eben doch keine akademischen Großtaten zu erwarten sind. Bis zum vorigen Jahr hat er länger bei einem auf dem Automotivsektor tätigen Ingenieurdienstleister in der Region gearbeitet, ohne sich letztlich mit dieser Aufgabe voll identifizieren zu können: "Mit Autos wollte ich eigentlich nie arbeiten - der Job wurde immer uninteressanter. Irgendwann fragt man sich dann, ob man das bis zur Rente machen möchte . . ."

Offensichtlich mochte Kinzel eben nicht ein Berufsleben auf vorgezeichneten Pfaden. Etwa ein Jahr, bevor er seinen Fahrradladen eröffnet hat, ist ihm der Gedanke an die Selbstständigkeit in einem Metier gekommen, das ihm gefühlsmäßig viel näher steht als die große Automobilwelt: Radeln war schon immer seine Leidenschaft - warum das dann nicht zur Geschäftsidee weiterentwickeln?

Jetzt also hat Kinzel sein Fahrradcafé "dropbar". Der Firmenname ist doppeldeutig: Er bezeichnet zum einen den heruntergezogenen Lenker von Rennrädern, die Kinzels Spezialität sind, enthält aber auch die Silbe "bar" in Anspielung auf den Kaffeeausschank. Wer will, kann bei kleineren Reparaturen bei einem Cappuccino abwarten und zuschauen, was an seinem Radl gerade gemacht wird. Es darf aber auch einfach gefachsimpelt oder ein lockeres Beratungsgespräch zu einer Neuerwerbung geführt werden.

Denn Kinzels 70 Quadratmeter großer Laden ist nicht nur Werkstatt und Cafeteria, sondern auch Ausstellungsraum: Ein halbes Dutzend Räder steht als Anschauungsmaterial für Kaufwünsche zur Verfügung - der Schwerpunkt liegt bei Renn- und Transportbikes. Elektroräder sind hingegen überhaupt nicht im Angebot. Dieses Geschäftsfeld überlässt der Gründer gerne den größeren Mitbewerbern - er will sich ganz auf traditionelle Mechanik beschränken und scheut sich auch da nicht, allzu komplizierte Aufträge abzulehnen: "Wenn ich etwas nicht kann, dann lasse ich die Finger davon."

Einen Businessplan für sein Geschäft hatte der Radlreparateur vor Jahresfrist schnell und zielbewusst aufgestellt, Buchhaltungskenntnisse und ein paar betriebswirtschaftliche Grundlagen waren dank zweier Kurse bei der VHS und Handwerkskammer auch flugs beisammen. Dass ihn Hans-Jörg Heidenreich, sein Berater bei der Kammer, dann auch noch auf den Gründerwettbewerb aufmerksam gemacht hat, war ein zusätzlicher Ansporn, das Ding sauber durchzuziehen. Der Erfolg hat dem Jungunternehmer recht gegeben - im Geschäft und beim Preisgericht.