Ingolstadt
Erst nach unten, dann hoch hinaus

Symbolischer Spatenstich für das Kongresshotel - Gegner des Projekts bleiben der Zeremonie fern

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr
Symbolischer Akt in der Baugrube: Gestern griffen die Repräsentanten des Projekts Kongresshotel und Kongresszentrum fünf Meter unter der Rossmühlstraße zu den Spaten. OB Christian Lösel erläuterte Dimension und Bedeutung des Gebäudekomplexes. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) OB Christian Lösel, IFG-Chef Norbert Forster, ein Vertreter des Investors VIB und die Architekten haben gestern den symbolischen Spatenstich für das Kongresshotel gesetzt. "Diese Ausweitung der Innenstadt ist eine Bereicherung der Stadt", so Lösel. Grüne und BGI blieben demonstrativ fern.

Der zeremonielle erste Spatenstich fiel diesmal noch symbolischer aus, als es gemeinhin bei solchen Bauabschnittsfeiern der Fall ist: Die obersten Repräsentanten des Großprojekts Kongresshotel und Kongresszentrum schritten in einer voluminösen Baugrube zur Tat. Fünf Meter über ihren Helmen rauschte der Verkehr auf der Rossmühlstraße. So tief haben bisher selten Ehrenschaufler die Werkzeuge angesetzt.

Dort, wo OB Christian Lösel, IFG-Chef Norbert Forster, IN-City-Vorsitzender Thomas Deiser, Ludwig Schlosser vom Investor VIB sowie Reiner Klein und Reinhard Sänger vom Architekturbüro Klein und Sänger die Spaten schwangen, wird ein Geschoss für die Technik des Komplexes entstehen (so erhält etwa die Entlüftungsanlage dort unten ihre Zentrale). Darüber kommen zwei Etagen mit knapp 300 Tiefgaragenplätzen. "Wir gehen erst nach unten, um dann nach oben zu gehen", so Lösel.

"Mutig, Mutig!!! Während eines laufenden EU-Kommissionsverfahrens einen Spatenstich zu machen, wohl wissend, dass bei Verfahrenseröffnung die Verträge zwischen IFG und Maritim für null und nichtig erklärt werden."

Jutta Herzner-Tomei vom Hoteliersverband IGHOGA, der in Brüssel klagt, in einem Facebook-Beitrag

 

 

Voraussichtlich nächstes Jahr wird das ambitionierte Projekt auf dem alten Gießereigelände über den Grubenrand hinaus wachsen. Sobald der sichtbare Gebäudeteil an die Reihe komme, "werden wir auch diesen Bauabschnitt zelebrieren". Der nächste Spatenstich also. Dann drei Stockwerke höher.

Als Erstes stehen auf beengtem Raum Tiefbauarbeiten mit einem gewaltigen Volumen bevor: 128.000 Kubikmeter Aushub, 256.000 Tonnen Masse und ein Bohrfeld, das 30 Meter in den Boden getrieben wird, berichtete Forster. Wenn alles nach Plan laufe "und die nächsten drei Winter nicht allzu hart werden", sollen Kongresshotel- und Kongresszentrum (sie entstehen parallel) im Frühjahr 2021 vollendet sein. Dann gibt es auf dem Gießereigelände 220 Hotelzimmer der Kategorie vier Sterne plus sowie ein vielfach nutzbares Tagungsgebäude mit 6000 Quadratmetern für maximal 2200 Menschen (darunter ein Saal mit 1250 Sitzplätzen). "Dieses Ensemble wird die Stadt wirklich bereichern!", betonte der IFG-Chef. "Auf gut Bairisch gesagt: Ich bin saufroh, dass wir hier heute stehen!"

Nicht minder ist es der Oberbürgermeister. Für Lösel hat die seit 2011 währende, teils hitzig geführte Debatte über das Kongresshotel (Slogan der Gegner: "Kein Koloss am Schloss!") dem "Projekt insgesamt genutzt, weil man darüber diskutiert hat, was geht und was nicht geht". Er ist sich sicher: "In ein paar Jahren wird man erkennen, dass dieses neu entstandene Areal mit Zehntausenden Studierenden und Besuchern des Museums für Konkrete Kunst und Design sowie Zehntausenden Gästen des Hotels und des Kongresszentrums eine herausragende Situation ist!" Diese "Ausweitung der Innenstadt, die Verlängerung der Fußgängerzone dient der Innenstadt" und sei damit auch eine Bereicherung für ganz Ingolstadt.

Zumal sich die Bautätigkeit in Kongresshotel und -zentrum nicht erschöpfe. Lösel erinnerte an die grundlegende Umgestaltung der Rossmühlstraße zu einem Shared Space, auf dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. Die Straße wird deshalb Ende dieses Jahres bis 2020 gesperrt. "Das verlangsamt den Verkehr." Am 6. Juli wird - nach einigen Jahrhunderten - das Feldkirchener Tor wieder geöffnet. Das Stadttor aus dem 14. Jahrhundert ist seit dem 15. Jahrhundert von Mauern des Schlosses umgeben und erhält nun über eine Rampe Anschluss zur Rossmühlstraße. "Außerdem wollen wir die historische Rossmühle selber erschließen, auch wenn sie mit ihren 700 Quadratmetern von der Größe her nicht der absolute Hammer ist", so Lösel. Die Technische Hochschule könne die Räume sehr gut brauchen.

"In ein paar Jahren wird man erkennen, dass das neue Areal mit Tausenden Studierenden und Museumsbesuchern sowie Zehntausenden Gästen des Hotels- und Kongresszentrums für die Innenstadt eine herausragende Situation ist."

OB Christian Lösel

 

Bekannte Kritiker des Hotelprojekts sind dem Spatenstich gestern demonstrativ fern geblieben, allen voran die BGI und die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende Petra Kleine klagte in einem Offenen Brief: Die Kritiker hätten die Stadt darum gebeten, "entweder den Standort oder die Baumasse oder die Gestaltung noch einmal zu überdenken, gerade weil das Hotel in allererster Reihe auf dem ,schönsten Grundstück Europas' entsteht und zukünftig den wichtigsten Blick auf unsere Stadt, die Südansicht, mit seiner Optik prägen wird. Daher haben sich über Jahre hinweg ausgesprochen viele Bürger mit langem Atem in die kontroverse Diskussion eingebracht." Mit diesem Ergebnis: "Von der Stadt und der IFG wurde kein Vorschlag aus dieser intensiven, konstruktiven Bürgerdiskussion aufgenommen."

Petra Kleines bitteres Fazit: "Die Entwicklung des Kongresshotels zeigt geradezu exemplarisch, wie Investorenarchitektur entsteht und entstehen darf - und zwar ausdrücklich in der negativen Bedeutung einer primär renditeorientierten Zweckarchitektur ohne gestalterische Rücksicht auf den Ort, an dem es entsteht."

KNAPP EIN VIERTELJAHRHUNDERT LANG WURDE GEPLANT

Dass der Industriebetrieb von Schubert und Salzer auf dem Gießereigelände (letztlich im Juli 1995) schließen und einer neuen Bebauung Platz machen würde, war schon einige Jahre vorher klar, aber konkret wurden die Überlegungen erstmals 1994.

 

September 1994: Rieter stellt Pläne für ein "Quartier Dallwigk" vor - mit Wohnungen, Büros und vor allem viel Einzelhandel. Sie stoßen auf massive Kritik in der Stadt.

 

Oktober 1995: Architektenwettbewerb für die neue Fachhochschule. Sieger ist Lotharmaria Keiner, dessen Hochschulbauten sich fingerförmig zum Glacis strecken.

November 1996: Der Wiener Stararchitekt Hans Hollein gewinnt einen Wettbewerb mit einer Hotelrotunde an der Ecke Schlosslände/Rossmühlstraße und einem Multiplexkino. Ein solches Kino entsteht dann am Westpark.

 

Mai 2000: ECE kauft das Gelände und will ein großes Einkaufszentrum. Die Dorint-Gruppe kündigt an, ein Hotel zu bauen. Die CSU-Fraktion stellt sich gegen das Einkaufszentrum, da sie negative Auswirkungen auf die Altstadt befürchtet. Damit ist ECE gescheitert. Im Architektenwettbewerb für ein Konkretes Museum entsteht der "Wolkenbügel" von Stephan Braunfels, scheitert aber ebenso.

Juni 2007: Die Stadt in Form der Tochtergesellschaft IFG kauft von Rieter das Gießereigelände für 14 Millionen Euro.

 

März 2009: Weiterer Wettbewerb, den das Büro Klein und Sänger gewinnt. Dessen Entwurf dient als Grundlage für einen Rahmenplan, der unter anderem ein neues Kunstmuseum, ein Hotel und ein Kongresszentrum vorsieht.

 

Juni 2013: Der österreichische Baukonzern Alpine, der Hotel und Kongresszentrum bauen wollte, geht pleite.

 

September 2014: Investor VIB Neuburg kauft das Hotelgrundstück und will für die Maritim-Kette bauen.

Juli 2016: FW-Fraktionschef Peter Springl setzt sich mit einem Eilantrag durch, die historischen Steinaufbauten auf den Fundamentresten der Eselbastei abreißen zu lassen. Die Fundamente sollten auch weg, wenn die IFG Platz für Müll- und andere Serviceeinrichtungen braucht - sie brauchte.

 

Juni 2017: Die Stadt erteilt die Baugenehmigung für Kongresshotel und -zentrum. Hoteliers der IGHOGA der Region 10 reichen eine EU-beihilferechtliche Beschwerde in Brüssel wegen möglicher Wettbewerbsfragen ein.

 

März 2018: Spatenstich für Kongresshotel und -zentrum.