Ingolstadt
Gemäuer im Dornröschenschlaf

19.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:29 Uhr

Leerstand: Eine Holztreppe führt im Inneren des Gemäuers zur überdachten Terrasse (unten). Einst verliefen hier Kabel für das Ingolstädter Fernmeldenetz, unten saß die „Dame vom Amt“. - Fotos: oh

Ingolstadt (DK) Es leuchtet ein, dass das Gebäude Am Stein 8 in Ingolstadt gelb gestrichen ist. Schließlich befindet sich hier das Postamt der Stadt. Warum allerdings hat es einen Turm

Das königliche Postamt zu Ingolstadt residierte bis in das Jahr 1878 im Schoberhaus in der Theresienstraße, dem heutigen Hotel Adler. Allerdings waren die Schanzer offenbar so fleißige Briefeschreiber, dass das Gebäude irgendwann zu klein wurde. In der Kreuzstraße entstand deswegen die neue Post, die später zum Bürgertreff Alte Post wurde. Auch hier wurde es schnell zu eng. Grund war die Eröffnung der Ingolstädter Fernsprechanlage am 1. Oktober 1897.
 

Zu diesem Zeitpunkt gab es, so weiß Stadthistoriker Hans Fegert zu berichten, in Ingolstadt bereits zwei öffentliche Fernsprecher. 47 private Haushalte waren mit einem Telefon ausgestattet. Eine Verbindung musste zu dieser Zeit noch manuell hergestellt werden. Wer telefonieren wollte, meldete sich über die Telefonleitung bei der Vermittlung an. Dort nahm die sprichwörtliche „Dame vom Amt“ das Gespräch an und stöpselte das Kabel des Anrufers in die entsprechende Buchse des Angerufenen.

Die neue Technik fand so rasenden Absatz, dass dem königlichen Postministerium schnell klar wurde, dass das Ingolstädter Postamt erneut umziehen muss. Es kaufte deswegen das Pascolinihaus an der Ecke Milchstraße / Am Stein und die angrenzende Weinstube Zur blauen Traube. Ab 1907 wurde gebaut, wie zu dieser Zeit üblich im barockisierenden Stil mit geschweiften Giebeln. „Man hat dabei sicher versucht, sich in das bestehende Stadtbild einzufügen“, vermutet der ehemalige Ingolstädter Kulturreferent Siegfried Hofmann. Ursprünglich gab es Zufahrten in der Milchstraße und Am Stein, um den Postkutschen das Wenden im Innenhof zu ersparen.

Der schmucke Turm zeugt vom Repräsentationswillen der damaligen Bauherren. Mit dem Pfeif- und dem Moritzturm prägt er das Bild der Stadt entscheidend mit. Er hatte allerdings auch einen praktischen Nutzen. Von der Plattform unter der Dachkonstruktion, die den Bau wie einen Glockenturm aussehen lässt, spannten sich in alle vier Himmelsrichtungen die Kabel zu den einzelnen Telefonanschlüssen der Stadt. Unten im Gebäude war die Schaltzentrale untergebracht, in der die Vermittlungsdamen die Kontakte knüpften.

Heute ist der Turm leer. Eine Holztreppe führt hinauf in ein Dachgeschoss und schließlich auf die überdachte Plattform. Wie das gesamte Gebäude wird auch der Turm von der Immobilienverwaltungs-GmbH Monopteros in München betreut. An eine Nutzung des Turms ist derzeit nicht gedacht. Platz genug für eine exklusive Wohnung wäre schon, allerdings verbietet der Denkmalschutz, große Veränderungen an dem Turm vorzunehmen. Wegen der kleinen Fenster wären die Zimmer deswegen „wohl ziemlich schummrig“, sagt Geschäftsführer Niels Lindstaedt.

Und so träumt der Turm hohl und ungenutzt von den Zeiten, als er noch für die richtige Verbindung zwischen den Ingolstädtern sorgte. Einzig die Tauben bringen ein bisschen Leben in das alte Gemäuer.