Ingolstadt
Erinnerungen an den Kalten Krieg

09.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:52 Uhr

Ingolstadt (DK) "Jugend trifft Politik" lautet der Leitgedanke eines Diskussionsabends des Stadtjugendrings am Mittwoch. Einen werden die jungen Leute jedoch nicht treffen: Der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl.

Reinhard Brandl von der CSU hat seine Zusage zurückgezogen, weil Eva Bulling-Schröter (Die Linke) auch teilnimmt.

Die Eigenheiten Heranwachsender sind ihm wohl vertraut. Doch Andreas Utz, Vorsitzender des Stadtjugendrings, lernt immer noch dazu. Jetzt glaubt er, bei einem 32-jährigen Berufspolitiker kindliche Verhaltensweisen zu erkennen. Reinhard Brandl, Bundestagsabgeordneter der CSU, wird am nächsten Mittwoch nicht mit den anderen Ingolstädter Abgeordneten und Jugendlichen in der Fronte diskutieren. Seine Begründung: Eva Bulling-Schröter. Er will mit einer Vertreterin der Partei Die Linke nicht auf einem Podium sitzen. Utz ist bitter enttäuscht: "Da sträubt man sich immer gegen die Vorstellung, der Politikbetrieb sei oft ein einziger Kindergarten, und dann wird man doch wieder darin bestätigt."

Am meisten ärgert Utz, dass Brandls Rückzieher ausgerechnet eine Veranstaltung trifft, die als Beitrag gegen die Politikverdrossenheit bei jungen Leuten gedacht ist. "Brandls Verhalten spielt dem ja voll in die Hände! Also dafür fehlt mir wirklich jedes Verständnis." Das erinnere ihn an den Kalten Krieg.

Nochmal ins Gewissen reden will er dem CSU-Abgeordneten aus Eitensheim nicht. "Wir nehmen Herrn Brandls Absage so zur Kenntnis", sagt Utz. "Wir laufen niemandem hinterher."

Im Januar hatte Brandl dem Wunsch der Bundestagskollegin Agnes Krumwiede (Die Grünen) entsprochen, gemeinsam am Diskussionsabend in der Fronte teilzunehmen, um ein Zeichen gegen Politikverdrossenheit zu setzen. Doch jetzt erreichte den SJR ein Brief, in dem der Abgeordnete darauf hinweist: "Ich habe Frau Krumwiede von Anfang an klar signalisiert, dass ich nicht bereit bin, die Partei ,Die Linke’ an einer solchen Runde zu beteiligen. Ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, dies sei eine Partei wie jede andere auch."

Als Begründung führt Brandl die seiner Ansicht nach "linksextremistische" Ausrichtung an, die sich zuletzt wieder auf einer Demonstration in Berlin gezeigt habe, bei der zwei Polizisten schwer verletzt worden sind. "Im Hintergrund sind die wehenden Fahnen der Partei ,Die Linke’ deutlich zu erkennen." Für Eva Bulling-Schröter, Ingolstädter Bundestagsabgeordnete der Linken, ist diese Argumentation "offenkundig vorgeschoben, um der öffentlichen Debatte, insbesondere um die soziale Ausrichtung, aus dem Weg zu gehen", wie es in ihrem Brief an den SJR heißt. Weiter schreibt sie: "Es bliebe nur die Frage, ob die Verweigerung des Meinungsstreits ein Beitrag gegen die Politikverdrossenheit bei Jugendlichen ist, oder ob die selbstherrliche Entscheidung, wer wen an öffentlichen Gesprächsrunden ,beteiligt’, nicht gerade den Unmut über Politiker befördert."

Im Gespräch mit dem DK erläuterte Brandl am Freitag seinen Standpunkt: "Ich habe da unter anderen Voraussetzungen zugesagt. Ich habe klar gesagt: Ich mach’ das nur ohne die Linken! Jetzt habe ich aus dem Internet erfahren, dass Frau Bulling-Schröter eingeladen worden ist. Und da muss ich doch konsequent bleiben!"

Brandl will nicht unterstellen, "dass alle Mitglieder dieser Partei linksextrem sind", und legt Wert auf die Feststellung, dass er Eva Bulling-Schröter "sehr schätzt". Jedoch: "Sie steht nun mal für ihre Partei, und die distanziert sich nicht deutlich genug vom Linksextremismus."

Der 32-jährige Wirtschaftsinformatiker ist vergangenes Jahr als Direktkandidat in den Deutschen Bundestag eingezogen. Brandl versteht seine Entscheidung, nicht an der Diskussionsrunde teilzunehmen, ebenso als Zeichen gegen Politikverdrossenheit: "Ich will jungen Leuten zeigen, dass ich konsequent zu meiner Aussage stehe."

Mit Nachdruck widerspricht Brandl dem Verdacht, er folge hier der CSU-internen Anweisung, Politikern der Linken aus dem Weg zu gehen. "Ich bin ein frei gewählter Abgeordneter! Ich kann machen, was ich will."

Eva Bulling-Schröter findet das Verhalten des jungen Kollegen "einfach albern". Schließlich hätten beide im Wahlkampf "ja auch auf x-Podien gesessen und zivilisiert ihre Meinungen ausgetauscht", wie die Politikerin am Freitag erzählte. Brandls Begründung mit der Demonstration in Berlin enttäuscht sie: "Da war ich gar nicht dabei." Außerdem habe die Linkspartei alle, die Gewalt gegen Polizisten anwenden, ganz klar als Kriminelle bezeichnet." Das sei natürlich auch ihre Meinung, so Bulling-Schröter. Das hätte Brandl eigentlich wissen können. Spätestens seit Mai, als beide Politiker gemeinsam Besucher von der Bereitschaftspolizei Eichstätt in Berlin empfangen haben.