Ingolstadt
"Ein hervorragendes Mittel ohne Langzeitschäden"

Der Rüthener Arzt Franjo Grotenhermen ist Experte in Sachen Cannabis als Medizin

13.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:18 Uhr

Ingolstadt (DK) Er ist Vorsitzender der 1997 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) und Geschäftsführer der im Jahre 2000 gegründeten International Association for Cannabinoid Medicines (IACM): Franjo Grotenhermen, der in Rüthen (NRW) eine privatärztliche Praxis betreibt und auf Cannabis spezialisiert ist. Er ist selbst chronisch krank.

Grotenhermen hat eine Vielzahl von Artikeln und Büchern zum therapeutischen Potenzial der Hanfpflanze geschrieben. Über deren Wirkungsweise hat sich DK-Redakteurin Ruth Stückle mit dem Arzt unterhalten.

Dr. Grotenhermen, wie wirkt die Hanfpflanze in der Medizin? Was ist der Vorteil gegenüber herkömmlichen Medikamenten?

Franjo Grotenhermen: Es gibt grundsätzlich keine besonderen Vorteile der Cannabispflanze gegenüber anderen Medikamenten. Es ist nur so, dass die meisten Medikamente bei chronischen Erkrankungen nur einem Teil der Betroffenen helfen, ob das nun chronische Schmerzen, einige neurologische Erkrankungen, Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie sind. Cannabis eröffnet für diese Patienten eine weitere Alternative. Bei einem Teil dieser Patienten ist Cannabis allen anderen Medikamenten oder Therapieverfahren überlegen. Auch Cannabis hilft bei vielen Symptomen nicht allen Patienten. Wenn es aber wirkt und gut vertragen wird, dann ist es ein hervorragendes Mittel, denn es gibt keine Langzeitschäden auf Magen, Leber und Nieren, wie dies bei nicht wenigen anderen Medikamenten der Fall ist.

In Deutschland gilt Cannabis, im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, aber als Droge.

Grotenhermen: In vielen Ländern der Erde werden auch Opiate nicht ausreichend eingesetzt. Das wurde beispielsweise von der Weltgesundheitsorganisation bemängelt. Auch hier steht die Angst vor der Droge im Vordergrund, und nicht selten müssen Krebskranke in vielen Ländern unter Qualen sterben. Dies konnte in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland für Opiate überwunden werden. Für Cannabis ist dies noch nicht der Fall, zumindest nicht in einem wünschenswerten Umfang. Veränderungen der Einstellung der Bevölkerung, der Politiker und der Ärzte benötigen oft Jahre und Jahrzehnte.

Was wirkt besser: cannabishaltige Medikamente oder Cannabisblüten?

Grotenhermen: Diese Frage muss immer bei jedem einzelnen Patienten geprüft werden. Bei dem einen hilft beispielsweise reines THC (Dronabinol) besser und er bevorzugt das Medikament, weil er es exakt dosieren kann. Bei vielen Patienten, die höhere Dosen benötigen, verursacht reines THC häufig unangenehme psychische Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Angst, die bei einigen dieser Patienten bei Cannabisblüten nicht oder nicht in diesem Maße auftreten. Wie grundsätzlich bei der Behandlung vor allem chronischer Erkrankungen kann es eine Weile dauern, bis die optimale Therapie gefunden ist, und diese kann bei der gleichen Erkrankung bei verschiedenen Menschen recht unterschiedlich aussehen.

Aber machen die Produkte nicht süchtig?

Grotenhermen: Cannabisprodukte können abhängig machen. Das Risiko ist jedoch wesentlich geringer als bei vielen anderen Medikamenten, die allgemein akzeptiert sind. Die körperlichen Entzugssymptome sind etwa so stark wie beim Entzug von Tabak. Bei jedem Patienten muss eine Risiko-Nutzen-Abwägung vorgenommen werden. Dazu muss die Schwere der Erkrankung, aber auch ein mögliches Abhängigkeitspotenzial berücksichtigt werden. Viele haben keinerlei Entzugsymptome, während sie bei anderen ausgeprägt sind. Dies hängt von der Dosis und der Länge der Einnahme ab.