Ingolstadt
Die Faust des Buddha

Der Ingolstädter Mario Wittmann kämpft mit seinem Sport Mixed Martial Arts auch gegen Vorurteile

27.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:37 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Mario Wittmann aus Ingolstadt betreibt den wohl härtesten Kampfsport der Welt – Mixed Martial Arts. Die Sportler treten dabei in einem Käfig gegeneinander an. Die strengen Regeln sind auf das Nötigste beschränkt, Körperschutz gibt es kaum – entsprechend umstritten ist der Sport.

Den ersten Wirkungstreffer erhielt Mario Wittmann von Jean-Claude van Damme. Als Sechsjähriger sah Wittmann fasziniert alle Filme des belgischen Action-Schauspielers. „Ich war wie besessen“, sagt er. „Auch wenn ich die gar nicht anschauen durfte.“ Die Entscheidung Kampfsportler zu werden, fällte Wittmann schon als Kind. Seine erste Station war eine Karateschule. „Das hat mich aber schnell gelangweilt“, berichtet der 28-Jährige. Er wollte die körperliche Auseinandersetzung und „nicht nur in die Luft hauen“. Mit 16 begann er mit Kickboxen und Vollkontaktkarate.

„Hibbelig“ sei er als Jugendlicher gewesen, erinnert er sich. Immer wieder war er in Raufereien verwickelt. Sein Trainer habe ihm schließlich „Zucht und Ordnung“ beigebracht und erklärt, wie wichtig Disziplin im Training und Erfolg in der Schule seien – auch für jemanden, der eine Karriere als Profisportler anstrebt. Wittmann begann eine Lehre als Schlosser bei Audi und nutzte jede freie Minute für das Training. Mit 19 ging er für mehrere Wochen nach Japan. Hier verfeinerte er nicht nur seine Kampftechnik, sondern arbeitete vor allem an seiner mentalen Verfassung. „Mit Hibbeligkeit kam man da nicht weit. Da hat es Schläge gesetzt, wenn man beim Meditieren mal gewackelt hat“, berichtet er. Geläutert kehrte er nach Ingolstadt zurück. Und als Buddhist. Auf die linke Hand ließ er sich den Kopf des Erleuchteten tätowieren. The fist of Buddha – Die Faust des Buddha lautet Wittmanns Kampfname mittlerweile. Mit ihr hat er bereits etliche Gegner ausgeknockt. Knie- und Ellbogenschläge gegen Kopf und Körper sind eine weitere Spezialität von Wittmann.

Er sammelte reichlich Erfolge, war Deutscher Meister im Vollkontaktkarate und 2009 Zweiter bei der K-1 WM. „Ich dachte, ich bin gut, bis ich in den USA einen UFC-Kampf gesehen habe“, erzählt er. Die Organisation Ultimate Fighting Championship (UFC) richtet in den Staaten die Meisterschaften in den Mixed Martial Arts aus. „Die Jungs in dem Käfig hätten mich in Sekunden besiegt “, so Wittmann. Er hatte seinen Sport gefunden.

Kurzerhand nahm er Kontakt zu Kämpfern in den USA, in Osteuropa, Asien und Deutschland auf und kam schließlich in Köln zu seinem ersten Profi-MMA-Kampf. Ohne Coach und Betreuer reiste er an, allerdings nahm ihn das Team um den Profi-Sportler Peter Sobotta unter seine Fittiche. „Ich werde nie vergessen, wie hinter mir die Käfigtüre zuging und ich mir dachte: ,Der Typ da drüben will dir jetzt wehtun’“. Wittmann gewann den Kampf in der zweiten Runde ringend am Boden, weil er die Anweisungen, die ihm seine Helfer durch den Maschendraht zuriefen, genau beachtete. Seitdem ist er Mitglied in Sobottas Team Planet Eater im schwäbischen Bisingen.

Freilich brauchte Wittmann auch daheim eine Gelegenheit, um zu trainieren. Die zu finden, sei aber alles andere als leicht gewesen. Das Image der Kämpfer im Käfig ist nicht gerade gut. „Viele glauben, wir prügeln ohne Regeln aufeinander ein“, sagt Wittmann. Dabei seien schwere Verletzungen nicht häufiger als bei anderen Kampfsportarten, versichert Wittmann. Langzeitfolgeschäden seien etwa beim Boxen – bei dem häufig gegen den Kopf geschlagen wird – schwerer als bei MMA. Hier werden die Kämpfe meist am Boden durch Haltegriffe wie beim Ringen entschieden. Freilich gehören blaue Flecken, aufgesprungene Lippen, Platzwunden an den Augen und manchmal Knochenbrüche dazu. „Wer das nicht will, muss Tischtennis spielen“, sagt Wittmann.

In Gaimersheim wurde er doch fündig. In einer kleinen Halle gründete er den Club Cage Mundial. Mittlerweile trainieren mit ihm gut 50 Sportler aus Bayern und Baden-Württemberg. Sie sind Handwerker, Studenten, Soldaten oder Polizisten. Ein Gymnasiast stand in der Halle plötzlich seinem Mathematiklehrer gegenüber. „Aber bei uns sind alle gleich“, betont Wittmann. Er achtet strikt darauf, dass sich seine Sportler auch außerhalb der Halle an Regeln halten. „Wer pöbelt oder prügelt, fliegt raus“, stellt Wittmann klar. „Unser Image ist ohnehin schon im Eimer“, ist er überzeugt. Den einen oder anderen Möchtegern-Straßenkämpfer hat er deswegen schon weggeschickt. „Wir können keine Holzköpfe brauchen, und Schläger würden das harte Training ohnehin nicht schaffen.“

Ein weiterer Tiefschlag für das Image der Kampfsportszene in Ingolstadt war die tödliche Auseinandersetzung im Westviertel Anfang September, bei der ein Kickboxer ums Leben gekommen ist. Wittmann hat das Geschehen sehr betroffen gemacht. Nicht nur, weil er die Beteiligten des Streits sehr gut kennt, sondern auch, weil es zeitweise zu einer makaberen Verwechslung kam. Weil sein Name ähnlich klingt wie der des Getöteten, wurde er in Ingolstadt von einigen Bekannten für tot erklärt. „Einer hat sogar schon nach dem Termin für meine Beerdigung gefragt“, erzählt er.

Aber Wittmann ist quicklebendig, und er hat eine Menge vor. Mittlerweile spricht er Jugendliche in Heimen und den vermeintlichen Problemvierteln von Ingolstadt an – dort, wo er selbst aufgewachsen ist. Er lädt sie ein, mit ihm zu trainieren. Mittlerweile ist auch der Stadtjugendring auf ihn aufmerksam geworden. Früher war er selbst oft in der Fronte. Am Donnerstag, 10. Oktober, startet er dort eine MMA-Workshopreihe für Jugendliche ab 16 Jahren. Wer mitmachen will, kann sich unter fronte@stadtjugendringingolstadt.de anmelden.