Ingolstadt
"Der Markt ist ein scharfer Richter"

19.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr

Die Kommunalbetriebe bei der Müllentsorgung in der Stadt. Die Bürger sind grundsätzlich zufrieden mit der Versorgung, manche fragen sich allerdings, wieso in den umliegenden Landkreisen, etwa in Eichstätt, deutlich weniger an Gebühren gezahlt werden muss. ‹ŒArch - foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Rüdiger Weiß, der Verbandschef der bayerischen Entsorgungsunternehmen spricht im Interview mit dem DONAUKURIER über den Müllbetrieb in Ingolstadt.

Herr Weiß, wie viele Gemeinden haben denn Kommunalbetriebe, und wie viele sind in privater Hand? Und wie hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?

Rüdiger Weiß: In Bayern ist es traditionell so, dass die größeren Städte über einen kommunalen Eigenbetrieb verfügen, während in den Flächenlandkreisen überwiegend Privatunternehmen im Auftrag der Kommunen arbeiten. Allerdings hat es in den vergangenen zehn, zwölf Jahren eine gewisse Tendenz zur Rekommunalisierung auch in den Flächenlandkreisen gegeben. Aber grundsätzlich sind dort vorrangig Privatunternehmen tätig.

 

Die Müllbetriebe sind in Ingolstadt seit jeher in kommunaler Hand.

Weiß: Ja, so handhaben es die meisten größeren Städte. Das ist in München, Nürnberg oder Augsburg genau so. Auch außerhalb von Bayern ist das der Regelfall, dass es eben in den größeren Kommunen traditionell entsprechend kommunale Eigenbetriebe gibt.

 

Gibt es da auch Mischformen, wo es zum Teil privat zum Teil kommunal ist?

Weiß: Ja, das gibt es auch. Etwa in Frankfurt. Das ist eine gemeinsame Sache zwischen Remondis, dem größten Entsorger, und den Stadtwerken. Solche sogenannten Public-Private-Partnerships gibt es allerdings in Bayern eher selten.

 

Und privat wäre Ihrer Meinung nach günstiger?

Weiß: Grundsätzlich meinen wir Belege zu haben, dass es so ist. Es gibt entsprechende Äußerungen vom Bundeskartellamt, der Monopolkommission der Bundesregierung oder auch unsere Studie, die die IW Consult erstellt hat. Darin kam sie zu einer Gebührendifferenz von 14 Prozent zwischen kommunalen und privaten Müllentsorgern. Allerdings muss man beachten, dass bei den Abfallgebühren viele Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Wie groß ist etwa der Anfahrtsweg zur nächsten Verwertungsanlage, beispielsweise der Müllverbrennungsanlage? Ist es ein dicht besiedeltes Gebiet, wo Mülltonne neben Mülltonne steht, oder ein dünn besiedeltes, wo jedes einzelne Gehöft angefahren werden muss? Holen die Müllmänner die Tonnen aus den Müllhäuschen raus, oder müssen die Bürger sie selbst an die Straße stellen?

 

Es gibt aber auch Fälle, in denen durch den Wechsel von Privat- zu Kommunalbetrieben die Gebühren gesenkt werden konnten.

Weiß: Das kann man nicht pauschalisieren. Aber als Grundsatz gilt sicherlich, dass der Markt ein scharfer Richter ist. Und wenn ausgeschrieben wird, weiß jeder, der sich an der Ausschreibung beteiligt, er muss so effizient und kostengünstig wie möglich anbieten, sonst ist er raus. Dieses Druckmittel entfällt natürlich, wenn ich einen kommunalen Eigenbetrieb habe und mich nie einer Ausschreibung stelle. Und das führt natürlich dazu, dass ich nicht so darauf achte, möglichst effizient und kostengünstig zu arbeiten, wie jemand, der eben diesem Wettbewerbsdruck unterliegt.

 

Es ist aber auch so, dass kommunale Betriebe kostendeckend arbeiten müssen.

Weiß: Das ist ja eine Nullaussage. Als Kommunalbetrieb darf ich keinen Gewinn und keinen Verlust machen. Und ich passe die Abfallgebühren so an, dass es aufgeht und ich am Ende ein ausgeglichenes Ergebnis habe. Das Entscheidende ist aber die Frage: Wie hoch ist der Marktpreis beziehungsweise zu welchem Preis kann ich meinen Landkreis entsorgen lassen? Und das kann ich natürlich nur dann herausfinden, wenn ich eine Ausschreibung mache und dann mehrere Anbieter vergleiche. Dann sehe ich, wo der Marktpreis liegt. Wenn ich mich als Kommunalunternehmen nie einer Ausschreibung stelle, dann weiß ich ja gar nicht, wo ich ineffizient oder zu teuer bin, weil ich die Kosten ja eins zu eins an den Bürger weiterreiche.

 

In der Region haben wir den Fall, dass im Landkreis Eichstätt die Gebühren wesentlich niedriger sind als etwa in Ingolstadt. Die Argumentation der städtischen Kommunalbetriebe ist, dass ein Vergleich nur sehr schwer ist. Können Sie das verstehen?

Weiß: Ja, natürlich. Es ist schwierig, einen Flächenlandkreis mit einem Stadtgebiet zu vergleichen. Da sollte man dann eben eine Stadt mit anderen Städten vergleichen.

 

Entscheiden kann aber ohnehin nicht der Bürger, der sich vielleicht wünschen würde, dass die Müllabfuhr von Privaten übernommen wird, weil es seiner Meinung nach günstiger wäre, sondern der Stadtrat.

Weiß: Ja, genau so ist es. Was den Haushaltsabfall angeht, ist das kommunale Zuständigkeit und das entscheidet dann eben der Stadtrat. Wenn man daran etwas ändern möchte, dann muss eine entsprechende Entscheidung in diesen Gremien fallen. Man muss auf die entsprechenden Entscheidungsträger zugehen und sie in die entsprechende Richtung beeinflussen.

 

Wenn die Müllbetriebe in privater Hand sind, droht dann nicht die Gefahr von Lohndumping?

Weiß: Nein, einerseits haben wir seit drei, vier Jahren den allgemeinen Mindestlohn. Darüber hinaus gibt es einen allgemeinverbindlichen Branchenmindestlohn für die Abfallwirtschaft, der über den gesetzlichen Mindestlohn liegt. Und es ist so, dass dieser Mindestlohn darüber hinaus kaum eine Rolle spielt. Die Branche leidet - insbesondere im Bereich Lkw-Fahrer - unter einem Fachkräftemangel. Deshalb wird einfach marktbedingt sowieso in aller Regel über dem Branchenmindestlohn gezahlt. Also insofern ist Lohndumping kein Thema in dieser Branche.

 

Aber letzten Endes ist es schwer, fassbare Argumente für die private Müllentsorgung zu finden. Die Gebührenberechnung ist sehr kompliziert und hängt von vielen Einzelfaktoren ab.

Weiß: Deshalb werden in der Studie der IW Consult zwei Cluster gebildet. Erstens die Landkreise, die privat entsorgt werden, und zweitens die Landkreise, die kommunal entsorgt werden. Und dann einfach mit den Durchschnittswerten arbeitet und sieht - hoppala - da ist ja doch ein Unterschied von 14 Prozent, dann kann man daraus ja schon eine gewisse Aussage herausfinden. Und noch interessant ist: Wir hatten bei dem Umfrage-Institut Emnid eine bayernweit repräsentative Umfrage beauftragt und es kam raus, dass 97 Prozent der Bürger in Bayern entweder zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Müllentsorger sind, unabhängig ob privat oder kommunal. Man sieht, die Servicequalität passt so oder so. Und wenn die Qualität stimmt, ist eigentlich nur noch der Preis entscheidend. Und da meine ich, diese Studie von IW Consult belegt, dass es tendenziell - es mag nicht in jedem Einzelfall so sein - aber tendenziell so ist, dass Marktdruck und Ausschreibungen zu günstigeren Preisen für den Bürger führen. Ich denke wir haben da gute Argumente.

 

Das Gespräch führte Thomas Leurs.