Ingolstadt
"Dem Museum Relevanz verschaffen"

Alf Lechners Sohn Daniel McLaughlin plant Ausstellungen renommierter Künstler an der Esplanade

22.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr
Alf-Lechner-Museum, Skulpturenpark von Alf  Lechner in Obereichstätt, Lechners Adoptivsohn Daniel McLaughlin −Foto: Bernd Heimerl

Ingolstadt (DK) Bald jährt sich erstmals der Todestag von Alf Lechner. Die von ihm ins Leben gerufene Stiftung, die auch das dem Werk des Stahlbildhauers gewidmete und nach ihm benannte Ingolstädter Kunstmuseum betreibt, will dort künftig Sonderausstellungen bieten, die weithin Beachtung finden könnten.

Den Reiz eines Museums zu bewahren, das ohnehin nicht dem Massengeschmack gewidmet ist, stellt vor große Herausforderungen. Daniel McLaughlin, Adoptivsohn Alf Lechners und erster Vertreter der nach seinem Vater benannten Stiftung, will diese große Aufgabe mutig angehen - und sich erst gar nicht mit zaghaften Veränderungen aufhalten. Der 44-jährige Galerist, der zwölf Jahre in New York in diesem Metier gearbeitet hat und über entsprechend gute Verbindungen in die internationale zeitgenössische Kunstszene verfügt, hat große Pläne für die Ausstellungshalle an der Esplanade, die dem im vergangenen Februar verstorbenen Bildhauer im Jahr 2000 von der Stadt zur Verfügung gestellt worden ist.

Die Stiftung speist sich aus den Erträgen von Immobilien, die der Familie Lechner vormals gehört haben. Jährlich sind ihr zuletzt Ausschüttungen für den Ingolstädter Museumsbetrieb im untersten sechsstelligen Bereich möglich gewesen - keine Peanuts, aber eben auch nicht Riesensummen, mit denen sich ein Projekt nach dem anderen aus dem Hut zaubern lässt. McLaughlin, der den Namen seiner Ehefrau angenommen hat und mit dieser inzwischen in Berlin lebt, ist deshalb auf eine ebenso feine wie zielgerichtete Dosierung dieser Mittel angewiesen. Er spricht vom vorsichtigen Aufbau eines (sehr) kleinen Teams von Hauptamtlichen, die nach und nach einen wirklichen Museumsbetrieb auf die Beine stellen sollen. Zielvorgabe: Attraktivitätssteigerung durch ein neues Ausstellungskonzept und dadurch mittelfristig eine Verdoppelung der Besucherzahl (zuletzt 3600 übers Jahr).

"Ich möchte hier Dinge zeigen, für die man sonst nach London oder nach Bilbao fahren müsste."

Daniel McLaughlin

 

Vorerst ist der Lechner-Sohn selbst die einzige (Teilzeit-)Kraft der Stiftung, die alles koordinieren und anschieben muss, ab Jahresbeginn immerhin unterstützt von einer geringfügig beschäftigten Kollegin, die sich um das kümmern soll, was das Museum zunächst mal am Nötigsten hat: Werbemaßnahmen, PR-Arbeit. Denn wenn McLaughlin von Kritikern hört, dass das Alf-Lechner-Museum auch nach bald zwei Jahrzehnten noch immer nicht so recht in der Stadt angekommen ist, von weiten Teilen der Bürger wie ein Fremdkörper gesehen wird, dann will er gar nicht widersprechen. Von selbst, das weiß er längst, wird sich das auch nicht ändern.

Der Gedanke, dass das Haus jemals ein Hort für leicht verdaulichen Kunstgenuss oder für profane Massenveranstaltungen werden wird, liegt zwar fern, sehr fern sogar. Doch die Chance, die Halle an der Esplanade einem tiefer interessierten Publikum als Anlaufstelle für immer wieder neue Einblicke in zeitgenössische Kunst zu etablieren, die möchte Daniel McLaughlin auf keinen Fall versäumen. "Ich möchte hier Dinge zeigen, für die man sonst nach London oder nach Bilbao fahren müsste", sagt der 44-jährige Kunstkenner. Die Tate Modern in der britischen Hauptstadt und das Guggenheim-Museum in der baskischen Küstenmetropole sind Topadressen im modernen europäischen Kunstbetrieb, Orte, an denen auch Wanderausstellungen renommierter Künstler ein entsprechend beflissenes Publikum anziehen.

Einen Hauch dieser Weltläufigkeit auch nach Ingolstadt zu bringen, ist ein hehres Ziel, dessen Erreichen McLaughlin sich allerdings angesichts seiner in vielen Jahren von New York aus geknüpften Kontakte durchaus zutraut. Er stehe bereits in vielen Gesprächen, betont er, nennt auch einige Namen, will allerdings noch keinen davon veröffentlicht sehen. Dieser Markt, so ist zu erahnen, hat seine eigenen Regeln, verlangt neben pekuniären Offerten sicher auch die eine oder andere Charmeoffensive. Man muss sich jedenfalls auskennen.

Es gehe darum, mit den begrenzten Mitteln der Stiftung so effektiv wie möglich zu arbeiten, sagt McLaughlin. "Wenn ich jetzt drei Leute einstelle, kann ich keine Ausstellung mehr machen", verdeutlicht er sein Dilemma. Und wenn es ihm gelingt, zunächst mal nur als Einzelkämpfer außergewöhnliche gestaltende Künstler für Leihgaben nach Ingolstadt zu gewinnen, so werden sich doch sogleich Fragen nach den meistens immensen Transport- und Versicherungskosten aufwerfen. Dass Ausstellungen von der Qualität, die Lechners Sohn vorschwebt, jemals billig zu haben wären, bleibt pure Illusion.

Dennoch ist McLaughlin überzeugt, dass ihm der Einstieg in eine neue Museumsphase an der Esplanade Anfang 2019 gelingen kann. Im Idealfall seien später bis zu drei Sonderausstellungen im Jahr machbar, glaubt der Stiftungssprecher. Er weiß, dass es nur mittels solcher zusätzlichen Angebote möglich sein wird, ein Museum mit so spezieller Ausrichtung in die Zukunft zu führen. Sicher könnte Lechners Familie angesichts der zahlreichen Plastiken und grafischen Arbeiten, die der Künstler hinterlassen hat, leicht noch die eine oder andere Sonderschau bestücken (und das wird sicher auch dann und wann mal der Fall sein), doch eine Verengung auf eine reine Nabelschau möchte Daniel McLaughlin bei aller Wertschätzung seines Adoptivvaters vermeiden.

"Wir sind in einer neuen Zeit", betont der 44-Jährige mehrfach, und zu dieser Einsicht, so ist er zu verstehen, gehört für ihn auch das Ziehen einer gewissen Trennlinie. Alf Lechner, so sagt er, habe sich vor allem für seine Arbeit, für die tägliche Beschäftigung mit seinem Werkstoff Stahl, für das immer wieder neue Gestalten nach einfachen mathematischen Prinzipien interessiert und weniger bis gar nicht für die nachgelagerten Dinge wie Präsentation, PR-Arbeit und Vermarktung. Dass Ingolstadt seinerzeit mit dem nach ihm benannten Museum auch die großartigen Möglichkeiten eines in die Öffentlichkeit wirkenden Kunstmuseums bekommen habe, so zumindest die Mutmaßung, sei dem Vater vielleicht gar nicht so bewusst gewesen. Jetzt, so McLaughlin, sei es an der Zeit für einen Aufbruch: Es gehe um nicht weniger als darum, dem Museum "Relevanz zu verschaffen".

Ein nicht zu vernachlässigender Faktor, das weiß der Lechner-Sohn genauso, ist das Wohlwollen der Stadt. Das ist zwar grundsätzlich da, und McLaughlin lobt Kulturreferent Gabriel Engert für dessen Verständnis und die Unterstützung geradezu euphorisch, doch kann der für die kommunale Museumslandschaft zuständige Stadtminister auch nicht ständig mit Taschen voller Geld bei der Lechner-Stiftung auftauchen. Die Stadt hat sich vertraglich zur Unterhaltung der früheren Werkhalle der Auto Union an der Esplanade verpflichtet, doch die eigentlich notwendigen Investitionen in eine für Ausstellungen von Grafik oder Fotografie wünschenswerte Klimatechnik (die Sommerhitze unterm Fabrikdach ist angeblich mörderisch) stehen längst nicht an.

Daniel McLaughlin war unlängst bei OB Christian Lösel, um hier vorzufühlen und den Rathauschef auch generell in seine großen Pläne einzuweihen. Dem Sprecher der Lechner-Stiftung geht es auch darum, der Stadt Mitwirkungsbereitschaft bei der weiteren Entwicklung und Gestaltung des neuen innerstädtischen "Kultur- und Innovations-Areals", wie er das künftige Konglomerat von MKK, Lechner- Museum, Neuem Schloss, Stadttheater und Digitalem Gründerzentrum nennt, zu signalisieren. In einem Atemzug nennt McLaughlin allerdings auch ein dickes Problem direkt vor der Pforte des Alf-Lechner-Museums: Die Ruine des Körnermagazins, die da in unmittelbarer Nachbarschaft vor sich hin gammelt, sei sicher nicht dazu angetan, das Renommee dieses Quartiers zu mehren. Da bestehe Handlungsbedarf.