Ingolstadt
CSU verliert Stadtratsmehrheit

Dorothea Soffner verlässt frustriert die Fraktion und übt scharfe Kritik

08.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:10 Uhr

"Ich möchte überzeugt sein und nicht auf Linie gebürstet", so begründete Dorothea Soffner (hier in der Januarsitzung des Stadtrats) gestern ihren Rückzug aus der CSU-Fraktion und der Partei. ‹ŒArch - foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Turbulenzen im Stadtrat werden immer heftiger: Dorothea Soffner hat gestern ihren Austritt aus der CSU-Fraktion erklärt, zudem verlässt sie die Partei. Ihr Stadtratsmandat will sie behalten. Damit verliert die CSU-FW-Koalition ihre Mehrheit - der zweite Paukenschlag in einer Woche.

Am vergangenen Freitag war es dann endgültig genug. Dorothea Soffner, CSU-Stadträtin seit 2008, wollte nicht mehr. An diesem Tag erfuhr sie, dass ein Projekt zum Erliegen gekommen ist, für das sie sich, wie sie erzählt, "mit großer Anstrengung eingesetzt" hat: die Erneuerung der kaputten Fenster des Katharinen-Gymnasiums; Dutzende sind schon seit zwei Jahren festgeschraubt, weil sie herauszufallen drohen; Soffner, zugleich die Vizevorsitzende des Katherl-Elternbeirats, drang auf neue Fenster. Sie erreichte einen einstimmigen Stadtratsbeschluss. Alles schien zu laufen - "da erfahre ich plötzlich, dass aus mehreren Gründen immer noch nichts passiert ist und so schnell auch nicht passieren wird", sagte Soffner gestern dem DK. "Es kann sein, dass die Schüler jetzt den dritten Sommer in Folge bei zugeschraubten Fenstern verbringen müssen!" Dieses Frustrationserlebnis bewog sie endgültig zu einem Schritt, über den sie schon lang nachdenke. Jetzt ist es so weit: Soffner verlässt die CSU-Fraktion - und die Partei gleich mit. Ihre Entscheidung hat sie gestern OB Christian Lösel und der Fraktionsvorsitzenden Patricia Klein per Brief mitgeteilt.

"Ich sehe, dass ich einfach nichts bewegen kann, nicht mal bei allergrößtem Einsatz", sagte Soffner im DK-Gespräch. "Ich habe lange mit mir gerungen. Aber jetzt bin ich erleichtert - trotz der Ängste vor dem Sturm, der losbrechen wird." Dieser Sturm könnte in der Tat gewaltig sein. Dorothea Soffner, Jahrgang 1971, Diplomkauffrau aus Haunwöhr, weiß, dass wegen ihres Austritts die Partner CSU und Freie Wähler (FW) ihre Stadtratsmehrheit verlieren. Die war ohnehin knapp, nachdem Bürgermeister Sepp Mißlbeck und Stadtrat Gerd Werding vergangene Woche im Streit die FW-Fraktion verlassen haben. Die CSU verfügt jetzt noch über 21 Sitze plus die Stimme des Oberbürgermeisters. Das ergibt mit den drei übrig gebliebenen FW-Räten 25 Stimmen; genau die Hälfte der Sitze im Stadtrat.

Dorothea Soffner sei "immer noch zu 90 Prozent mit der CSU d'accord", wie sie hervorhebt, "aber man muss auch mal anders abstimmen dürfen, ohne persönliche Blessuren erleiden zu müssen". Aber genau das sei in der CSU-Fraktion nicht möglich, klagt sie. Sie wünsche sich in der Partei "mehr Raum für konträre Meinungen". Es wäre schön, "wenn konstruktive Kritik als etwas Bereicherndes gelten würde", aber davon könne leider keine Rede sein. "Politik ist das Ringen um die beste Lösung, denn wir sind dem Bürger verpflichtet. Dieses Ringen ist sachlich und freundlich zu führen!" Aber auch diese "Frage des Stils" habe bei ihr zu argen Enttäuschungen geführt. In ihrem Brief an Lösel und Klein drückt sie es so aus: "Ich möchte überzeugt sein und nicht auf Linie gebürstet und ich möchte keine Entscheidungen mehr mittragen müssen, von denen ich glaube, dass sie meiner Heimatstadt schaden oder nur der Macht Einzelner dienen." In der CSU-Fraktion zu sein, bedeute aber, "entweder mit den Wölfen zu heulen oder sich wirklich kraftvoll dagegen zu stemmen, zu diskutieren und vor allem persönliche Angriffe in untragbarer Lautstärke und untragbarem Ton auf sich zu nehmen". Diesen Stil habe sie nicht länger ertragen. "Unterhalb der Höflichkeit gibt es für mich keine Kommunikation!"

Mit den beiden FW-Abtrünnigen Mißlbeck und Werding führt Soffner bereits Gespräche über eine mögliche Ausschussgemeinschaft im Stadtrat. "Die beiden sind hoch respektable Persönlichkeiten. Dr. Werding sitzt wie ich im Aufsichtsrat des Klinikums. Da habe ich mit ihm als Kollegen die allerbesten Erfahrungen gemacht."

Patricia Klein, die CSU-Fraktionsvorsitzende, betonte, dass ihr Soffners Austritt "persönlich wirklich sehr, sehr leid tut". Die Kollegin sei "unglaublich fleißig" gewesen. Trotz einiger Bemühungen sei es leider nicht gelungen, sie zu halten. "So ein Schlussstrich löst natürlich Bestürzung aus." Soffners Gründe seien "vielschichtig", sagt Klein. "Es ist aber kein grundlegendes Problem der Fraktion. Bei 22 Mitgliedern kann man sich eben nicht immer einig sein. Aber als Gruppe funktioniert die CSU-Fraktion." Stichwort Katharinen-Gymnasium: Da hake es in der Bauverwaltung, so Klein, der Wille in der CSU, die maroden Fenster schnell zu erneuern, sei "immer da gewesen - und das stand auch nie infrage".