Ingolstadt
Eis und Schnee: Wenn Ausrutscher vor Gericht landen

Landgericht weist zum Thema Verkehrssicherungspflicht auf die im Einzelfall auch zumutbare Eigenverantwortung hin

14.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr

Winterdienst im Einsatz: Während Hauptverkehrsstraßen in der Stadt geräumt und gestreut werden, wird in den Nebenstraßen darauf verzichtet. Diese Linie ist höchstrichterlich abgesegnet. - Foto: Eberl

Ingolstadt (hl) Der Winter macht, was den Schnee angeht, im Flachland zwar gerade eine Pause, doch müssen die Flocken und das nachfolgende Glatteis im Januar noch längst nicht die letzten Herausforderungen dieser kalten Jahreszeit gewesen sein.

Immobilienbesitzer und Mieter, die sich um den Räum- und Streudienst vor ihren Grundstücken oder Häusern zu kümmern haben, werden alle Jahre von der Stadt ermahnt, diese Pflichten ernst zu nehmen.

Jetzt ist auch das Ingolstädter Landgericht mit einer Sammlung von Urteilen zur sogenannten Verkehrssicherungspflicht an die Öffentlichkeit gegangen. Tenor: Bei aller grundsätzlichen Notwendigkeit für einen öffentlichen oder privaten Grundbesitzer (oder seine Beauftragten), sich um die Sicherung von (Geh-)Wegen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu kümmern, kann im Einzelfall auch die Eigenverantwortung eines zu Schaden gekommenen Verkehrsteilnehmers bei der rechtlichen Bewertung eine Rolle spielen.

Als Beispiel für einen typischen "winterlichen" Streitfall wird in der Veröffentlichung des Landgerichts die Entscheidung einer eigenen Zivilkammer aus dem Jahr 2011 angeführt, die später vom Oberlandesgericht (OLG) München als Berufungsinstanz bestätigt worden war: Da hatte ein Bürger, der offenbar auf einem kommunalen Gehweg auf einer verschneiten einzelnen Eisplatte ausgerutscht und gestürzt war, Schadensanspruch gegen die grundsätzlich verantwortliche Gemeinde geltend machen wollen. Sowohl die Ingostädter Kammer als auch die OLG-Richter hatten aber anders entschieden.

Eine Kommune, so hieß es in der Urteilsbegründung, schulde bei Eis oder Schnee keinesfalls eine durchgehend "gefahrenfreie Präparation des Gehweges". Insbesondere sei die beklagte Gemeinde nicht verpflichtet gewesen, auch vereinzelte Eisplatten generell zu beseitigen. Das OLG stellte sich hinter die Auffassung am Landgericht, wonach eine Kommune mit zumutbarem Aufwand "nicht jede (eingeschneite) Glätte beseitigen" könne.

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hatte der Veröffentlichung zufolge 2012 in einem ähnlichen Fall letztinstanzlich entschieden, dass die Grundvoraussetzung für eine Räum- und Streupflicht "das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen" sei. Letztlich, so der BGH, sei für die Verkehrssicherungspflicht sogar entscheidend, wie wichtig der jeweilige Verkehrsweg innerhalb einer Kommune und wie stark der hier übliche Verkehr sei. "Innerorts", so hieß es zur Begründung dieser BGH-Entscheidung, "müssen nach der gefestigten Rechtsprechung nur die verkehrswichtigen und gefährlichen Straßen bei Glätte abgestreut werden".

Dies übrigens ist auch die rechtliche Absicherung einer immer wieder von Bürgern bemängelten Entscheidung der Stadt Ingolstadt: Dass die Nebenstraßen in den Stadtvierteln vom Winterdienst nicht von Schnee und Eis geräumt werden, muss von den Anwohnern akzeptiert werden. Hier ist von jedem Nutzer so viel Vorsicht zu verlangen, dass er mit winterlichen Straßenverhältnissen klarkommt. Ein etwaiger Schaden würde hier, wie es Juristen sagen, in das allgemeine Lebensrisiko fallen.