Ingolstadt
Überforderte Mutter quält ihr Baby

Schöffengericht spricht Haftstrafe gegen 26-Jährige aus - und sie ist schon wieder schwanger

07.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:53 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Wegen Misshandlung ihrer kleinen Tochter und mehrfacher Körperverletzung ist eine junge Mutter aus Ingolstadt vom Schöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig; es läuft auf eine Berufung vor dem Landgericht hinaus.

Das Gericht unter Vorsitz von Michael Fein befand die 26-Jährige für schuldig, 2016 und 2017 ihre nicht einmal einjährige Tochter über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder heftig gezwickt und gekniffen zu haben, so dass das Kind bereits als Baby und später auch im Krabbelalter starke Blutergüsse und auch Kratzer erlitten hatte. Dabei waren zum Glück keine bedrohlichen Verletzungen entstanden, doch dürften die Hämatome durchaus schmerzhaft gewesen sein.

Ein Polizeieinsatz in der Ingolstädter Wohnung eines jungen, nicht verheirateten Paares in der Südstadt hatte die Sache im August vorigen Jahres ins Rollen gebracht. Der heute ebenfalls 26-jährige Vater des Kindes hatte Hilfe gerufen, weil seine Lebensgefährtin im Zuge eines Streits ziemlich ausgerastet sein soll. Bei Aufnahme des Falles fiel den Beamten auf, dass die gerade einjährige Tochter der jungen Leute starke Blutergüsse und Kratzspuren aufwies. Das Jugendamt wurde eingeschaltet; es gab eine Untersuchung des kleinen Mädchens im Klinikum, wenige Tage später auch in der Münchner Gerichtsmedizin.

Übereinstimmend wurden etliche, fast über den gesamten Körper des Kleinkindes verteilte Druckspuren festgestellt. Ein Gerichtsmediziner urteilte gestern im Prozess, dass die Kleine wegen einer vom Kinderarzt attestierten Neurodermitis zwar möglicherweise stets besonders heftige Hautreaktionen auf festes Zugreifen gezeigt habe, doch an einer grundsätzlich zu groben Behandlung habe aufgrund des Verletzungsbildes bei der Untersuchung eigentlich kein Zweifel bestehen können.

Die Staatsanwaltschaft legte der Mutter aufgrund ihrer Ermittlungen jetzt Körperverletzung in 60 Fällen in den ersten Lebensmonaten des Kindes und zumindest einen Fall von Misshandlung Schutzbefohlener - nämlich recht kurz vor dem Polizeieinsatz im August vorigen Jahres - vor. Die junge Frau, derzeit noch in Elternzeit und Hartz-IV-Empfängerin, räumte vor dem Schöffengericht auch einen Teil der angeklagten Taten ein, war aber um Relativierung bemüht. Sie sei seinerzeit einfach mit der Gesamtsituation überfordert gewesen, habe sich oft geärgert, weil ihr Partner sich wenig um das Kind gekümmert und vielmehr häufig dem Marihuanakonsum hingegeben habe. Ihren Frust habe sie dann wohl immer wieder mal an der kleinen Tochter ausgelassen.

Inzwischen ist die junge Frau angeblich in psychologischer Behandlung, allerdings auch schon wieder schwanger (fünfter Monat). Nachdem sie sich erst im vergangenen Mai vom Vater des Kindes getrennt hatte (das Jugendamt hat die Tochter nun bei ihm untergebracht), hatte sie offenbar nur Tage später ihren jetzigen Lebensgefährten kennengelernt, der Vater des ungeborenen Kindes sein soll.

Staatsanwältin Sandra von Dahl zeigte sich angesichts der Vorgeschichte und dieser "anderen Umstände" der Angeklagten zutiefst irritiert: "Ich bin fassungslos." Die Anklägerin äußerte starke Befürchtungen, dass angesichts der Gesamtlage auch das zweite Kind Misshandlungen ausgesetzt sein könnte. Sie forderte eineinhalb Jahre Haft ohne Bewährung, der Verteidiger allenfalls ein Jahr mit Bewährung.

Vorsitzender Fein begründete das Hafturteil von einem Jahr denn auch mit der schlechten Sozialprognose für die Angeklagte, die auf das Gericht einen sehr labilen Eindruck gemacht hatte. Fein drückte seine Erwartung aus, dass das Jugendamt beim zweiten Kind von vornherein eingreifen sollte: "Es wäre fast skandalös, wenn da keine Maßnahmen ergriffen würden."

Bernd Heimerl