Ingolstadt
Polizei nimmt "James Bond" fest

Mit Pistole unterwegs: Rollenspiel einer Pfadfindergruppe löst Großeinsatz in der Altstadt aus

10.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

Polizeieinsatz in der Altstadt: Einige Beamte zogen vorsorglich ihre Dienstwaffen, nachdem Passanten telefonisch gemeldet hatten, ein Bewaffneter würde sich in der Fußgängerzone herumtreiben. Am Ende löste sich das Ganze in Wohlgefallen auf, der Verdächtige trug eine Dekopistole. - Foto: Markus Stückle

Ingolstadt (DK) Aus Spaß wurde ganz schnell ernst: Eine auswärtige Pfadfindergruppe hat gestern in der Altstadt für Aufregung gesorgt, weil ein Betreuer mit einer Pistole samt Schalldämpfer herumlief. Die Polizei stellte ihn mit ihrerseits gezückten Waffen. Wie herauskam, hatten die Jugendlichen ein Spiel inszeniert.

Ein besorgter Passant an der Mauthstraße rief zur Mittagszeit als Erster die Polizei und folgte dem mutmaßlich Bewaffneten - das Telefon am Ohr - in die Ludwigstraße, über die Ecke Am Stein und weiter in die Schrannenstraße. An der Schmalzingergasse stürmte dann auch schon die Polizei mit Großaufgebot auf den Verdächtigen zu, teilweise mit gezückten Dienstpistolen in der Hand, und warf den "Bewaffneten" zu Boden. Kurz danach folgte auch schon die Entwarnung. Der 31-Jährige hatte eine Attrappe in der Hand gehalten. Nach Polizeiangaben handelte es sich um eine Dekorationswaffe (Modell Walther PPK) mit Schalldämpferimitat. Die Beamten zogen das Corpus Delicti an Ort und Stelle ein.

Strafbar ist das Handeln des 31-Jährigen nicht, er muss aber mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren rechnen. Offenbar war ihm und den übrigen Gruppenmitgliedern nicht bewusst, dass sie mit ihrem Auftreten nach dem Amoklauf von München andere Menschen erschrecken oder ängstigen könnten. Die aus Sonsbeck stammenden Pfadfinder - darunter 57 Kinder und 16 Betreuer - haben ihr Sommerlager seit 30. Juli im Ingolstädter Westen aufgeschlagen und verbringen zwei Wochen in der Stadt.

Gestern stand ein Thementag "England" auf dem Programm. Um die Geschichte spannend zu gestalten, hatten die Leiter sich ein Suchspiel ausgedacht. Demnach waren zwölf Persönlichkeiten aus dem Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud zum Leben erwacht, ausgebrochen und sollten nun gesucht werden. Der 31-Jährige übernahm in entsprechender Verkleidung die Rolle des James Bond, daher auch die Waffe.

"Uns tut das alles sehr leid, das hatten wir nicht bedacht", sagte ein anderer Betreuer nach dem Einsatz. Er zollte der Polizei und ihrem raschen Vorgehen "allerhöchsten Respekt, wir waren sehr beeindruckt. Wir Pfadfinder als größte Friedensbewegung der Welt wollen natürlich keine Angst verbreiten. Das bedauern wir sehr". Auch der Lagerleiter sprach am Abend gegenüber unserer Zeitung von "einer dummen Idee".

Peter Kammerer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord, zeigte sich gestern angesichts der traurigen Ereignisse in München, Würzburg und Ansbach und der allgemeinen Terrorangst wenig amüsiert von dem Vorfall. Dass erwachsene Betreuer einer Jugendgruppe ausgerechnet in diesen Zeiten auf die Idee verfallen seien, in aller Öffentlichkeit mit einer - wenn auch nicht scharfen - Waffe zu hantieren, so Kammerer, müsse man "schon sehr infrage stellen".

Die Gruppe aus Nordrhein-Westfalen befindet sich noch bis Samstag in Ingolstadt. Gestern hatten die Leiter bereits etliche Anrufe aus der Heimat erhalten. Per Internet hatte sich die Nachricht von dem Polizeieinsatz rasch verbreitet und blieb in Sonsbeck nicht verborgen. Entsprechend zerknirscht waren die Mienen im Lager. Heute steht jedenfalls ein harmloseres Spiel in der Natur auf dem Programm - zwei Betreuer waren dazu abends noch auf Erkundungsgang unterwegs.