Ingolstadt
Gefangen im System

Schwieriger Grat zwischen Schulstunden und Trainingsplan

22.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr

Training am frühen Morgen: Jeden Mittwoch ab 7.30 Uhr trainieren junge Eishockey-Talente verschiedener Ingolstädter Schulen unter der Anleitung hauptamtlicher Trainer des ERC Ingolstadt. - Foto: ERC Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Vergangener Mittwoch. Früher Morgen. Petr Bares sitzt in einem Raum in den Katakomben der Ingolstädter Saturn-Arena.

Durch die geschlossene Tür dringen Rufe und das laute Lachen zahlreicher Kinder, die nebenan über das Eis gleiten. Bares nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und blickt nachdenklich an die Decke. "Dieser Weg ist schwer. Aber wenn wir nach vorne wollen, müssen wir ihn gehen", sagt er nach einigen Augenblicken. Der Nachwuchskoordinator des des ERC Ingolstadt hat ein klares Ziel vor Augen: "Wir wollen natürlich, dass unsere eigenen Eishockey-Talente langfristig einmal den Sprung zu den Profis schaffen", sagt der 48-Jährige. "Es geht um die Zukunft des Sports", ergänzt er.

Bares hat einen Blick für Talente. Einst stand der Ex-Profi selbst zehn Jahre für den ERC auf dem Eis. Seit dieser Saison trainiert er die U 19-Mannschaft der Ingolstädter in der höchsten deutschen Spielklasse, der Deutschen Nachwuchsliga - und kümmert sich um den Trainingsbetrieb der weiteren Nachwuchsteams. Der gebürtige Tscheche weiß: Wer Profi werden will, muss sehr früh und sehr hart trainieren.

Um den Nachwuchs aus der Region noch besser zu fördern, haben Ingolstädter Schulen und Vereine vor einem Jahr eine Kooperation ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, dass der talentierte Nachwuchs während der Schulzeit die Möglichkeit erhält, unter ausgebildeten Übungsleitern zu trainieren und sich weiterzuentwickeln.

Drei Ingolstädter Schulen und drei hiesige Vereine sind in das Projekt involviert. Auf der einen Seite: das Apian-Gymnasium, die Gebrüder-Asam-Mittelschule und die Ludwig-Fronhofer Realschule - auf der anderen: der ERC Ingolstadt, der FC Ingolstadt sowie der SC Delphin. Es ist eine Kooperation in Eigenregie, eine Unterstützung vom Bildungsministerium gibt es bislang nicht. Die Stadt stellt immerhin die Busse, mit der die Kinder von der Schule zum Training und zurückfahren können.

"Die Kooperation hat keinen offiziellen Status", sagt Christoph Heckl, Sportlehrer und Mitarbeiter in der Schulleitung des Apian-Gymnasiums. Er ist einer der treibenden Köpfe hinter dem Projekt. "Wir haben in den teilnehmenden Schulen die Stunden- und Wochenpläne so abgestimmt, dass die gemeinsamen Trainingseinheiten während des regulären Sportunterrichts möglich sind", erklärt er. Aus den verschiedenen Schulen können so talentierte Fußballer, Eishackler und Schwimmer gemeinsam trainieren. Insgesamt 50 Kinder sind es aktuell. Die drei Ingolstädter Vereine wiederum stellen für die Zeit der Übungseinheiten ihre hauptamtlichen Trainer zur Verfügung.

Beim ERC Ingolstadt ist das neben Bares auch Markus Hätinen, der die U 14-Mannschaft des Vereins betreut. "Andere Länder sind uns da meilenweit voraus", berichtet der 44-Jährige. In seiner Heimat Finnland beispielsweise gebe es ein Schulfach "Eishockey", bei dem die Kinder am Ende eine Note erhielten. "Oder schauen Sie mal in die USA und deren Schulsportsystem", ergänzt er. In Deutschland hingegen sei es ungemein schwierig, im Rahmen der schulischen Ausbildung Talente angemessen zu fördern. Bares meint: "Fakt ist auch, dass wir in Bayern gegenüber anderen Bundesländern wie beispielsweise Sachsen hinterherhängen. In Nürnberg und München gibt es Eliteschulen des Sports, in Ingolstadt leider nicht, obwohl wir uns als Sportstadt bezeichnen."

Die Initiatoren würden das Projekt gerne ausbauen - und auch um weitere Sportarten erweitern. Doch sie stoßen auf Hindernisse. "Wir sind an das System Schule gebunden", sagt Bares. Weitere Trainingseinheiten während der Schulzeit und außerhalb des Sportunterrichts sind so kaum möglich, "die Kinder sind ja verpflichtet, ausgefallenen Unterricht nachzuholen". Dabei gehe es keineswegs darum, den betreffenden Kindern Schulstoff zu ersparen - im Gegenteil. "Das schließt sich nicht aus. Beides ist uns wichtig: Top-Leistungen in der Schule und Top-Leistungen im Sport", sagt Christine Schlamp, Jugendleiterin des ERC. Ein "Spagat im Sinne des Sports" müsse geschafft werden, meint Heckl. "Aber dafür brauchen wir mehr Unterstützung." Bei den Kindern seien die Trainingseinheiten beim ERC trotz der frühen Uhrzeit derweil ungemein beliebt. "Die würden das am liebsten jeden Tag machen", sagt Hätinen.