Ingolstadt
Die Skepsis überwiegt

Pendler und Geschäftsleute stehen Abriss des Bahnhofsgebäudes überwiegend kritisch gegenüber

19.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Das Bahnhofsempfangsgebäude wird abgerissen, das gab die Deutsche Bahn auf Anfrage des DONAUKURIER bekannt. Der Konzern plant gemeinsam mit einem Investor einen Neubau. Geschäftsleute und Kunden äußerten am Freitag jedoch Bedenken zum Vorhaben, nur wenige sahen dem Projekt optimistisch entgegen. - Foto: Bird

Ingolstadt (DK) Zwar gibt es noch viele Unklarheiten, doch das Bahnhofsgebäude wird abgerissen und ein Neubau ist in Vorbereitung - so viel steht mittlerweile fest. Wie beurteilen Bahnkunden und Geschäftsleute das Vorhaben? Eine Bestandsaufnahme.

Freitagnachmittag ist traditionell Hochbetrieb am Hauptbahnhof. Für viele Berufstätige, Schüler und Studenten ist die Bahn das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, vom Arbeitsplatz oder Ausbildungsort nach Hause zu gelangen. Angesprochen auf das Vorhaben des staatlichen Verkehrsunternehmens, das Bahnhofsempfangsgebäude abzureißen und gemeinsam mit einem Investor einen Neubau zu errichten, gehen die Meinungen allerdings stark auseinander.

Da gibt es einerseits die Fraktion der Pragmatiker, für die eine Bahnhofshalle lediglich ihren ureigensten Zweck erfüllen muss. Einer von ihnen ist Hasan Toprak, der in der Parkhauspassage nebenan als Verkäufer arbeitet: "In der aktuellen Halle gibt es doch alles, was man braucht: Ticketautomaten, Essensangebote und Anzeigetafeln!" Eine Sanierung der in die Jahre gekommenen Halle würde ihm zufolge ausreichen. Doch auch gegen einen Neubau habe er nichts, denn "schlechter kann es auf jeden Fall nicht werden", so der junge Mann nüchtern.

Wenn es nach Berufspendlerin Julia Reich geht, dann könne sie ihrem Vorredner nur zustimmen. "Ich find, die Halle ist noch gut in Schuss, dafür dass es sie schon so lange gibt." Da gäbe es Neubauten, die weitaus schlimmer seien, scherzte die junge Lehrerin aus München. Jeden Freitag durchquert sie die Halle, um ihren Zug in die Landeshauptstadt zu erwischen. Für die Ästhetiker unter den Bahnkunden gibt das Gebäude, das 1954 fertiggestellt wurde, sicherlich keinen Anlass zur Freude - weder bei Betrachtung der Außenfassade, noch mit Blick auf die Innenausstattung. "Also gemütlich ist es hier drin wahrlich nicht", meint eine Rentnerin aus Ingolstadt, die den Blick durch die Halle schweifen lässt. Zu wenig Platz, das löse bei ihr ein Gefühl der Enge aus, kritisierte die 67-Jährige das Bahnhofsempfangsgebäude.

Ähnlich beurteilen auch zwei berufstätige Frauen, die für einen Workshop zum ersten Mal in Ingolstadt sind, den Status Quo des Foyers: "Irgendwie erinnert mich das Flair der Halle ein wenig an die DDR - die alte Ausstattung und die grauen Wände", so die Besucherinnen unverblümt.

Ganz andere Bedenken hat Artur Greb, der mit Blick auf einen Abriss Chaos am Hauptbahnhof befürchtet: "Ich finde nicht, dass wir eine neue Halle brauchen, das gibt nur Stress!"Der KFZ-Mechatroniker fährt regelmäßig Bahn. Im Gegensatz zu den vielen kritischen Stimmen unter den Konzernkunden gibt es vereinzelt auch Optimisten - die sehen den Hauptbahnhof als erstes Aushängeschild der Stadt, das dringend durch ein neues ersetzt werden müsse. "Für die Außenwirkung der Stadt wäre es sicherlich vorteilhaft, wenn wir ein schönes und modernes Bahnhofsgebäude hätten. Schließlich will Ingolstadt eine Großstadt sein, und das gehört für mich dazu", sagt beispielsweise ein 25-jähriger Student, der zwischen Ingolstadt und Regensburg pendelt. "Das ist einer Großstadt nicht unbedingt würdig, doch ich stamme aus dem Osten und bin einiges gewohnt", scherzt hingegen ein 30-jähriger Wahl-Ingolstädter. Man müsse sich allerdings auf keinen Fall mit den "Prestigebahnhöfen anderer Großstädte messen", relativierte der Mann sogleich seine Forderung.

Und die Geschäftsleute? Eine Mitarbeiterin des in der Halle ansässigen Floristen fürchtet ob des geplanten Abrisses um ihren Job: "Es war einmal von Containern die Rede, aber wie sollen wir da im Sommer Blumen verkaufen" Ohnehin sei ja noch gar nicht bekannt, zu welchen Konditionen die neuen Geschäftsräume überhaupt vergeben werden. Von einer Bewerbung in Berlin sei die Rede gewesen - es herrscht viel Unklarheit. Eine Mitarbeiterin der Bäckerei nebenan macht sich hingegen weniger Sorgen: "Hauptsache, ich habe Arbeit", sagt die junge Frau trocken.

Alles in allem herrscht viel Skepsis bezüglich eines Abrisses und anschließenden Neubaus des Bahnhofsgebäudes. Nur wenige Kunden sehen dem Vorhaben optimistisch entgegen, an erster Stelle steht für viele die Funktionalität der Halle, sei sie auch veraltet oder optisch nicht ansprechend. Ein Neubau zöge wohl eine große Baustelle samt Komplikationen für Pendler und Ladenbetreiber mit sich, so zumindest die Befürchtung vieler am Freitagnachmittag.