Ingolstadt
Der Stadtrat wird zur Manege

Das beschlossene und rechtlich umstrittene Auftrittsverbot für Zirkusse mit Wildtieren muss durch die Vollversammlung

14.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr
Der Circus Krone −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Auch wenn es sicherlich drängendere Themen in Ingolstadt geben mag, so hat das jetzt beschlossene Auftrittsverbot für Zirkusse mit Wildtieren auf städtischen Flächen einigen Wirbel auf politischer Ebene hervorgerufen. Wie geht es nun weiter, nachdem sich die Opposition mit dem Vorstoß hauchdünn (7:6 Stimmen) im Veranstaltungsausschuss durchgesetzt hat? Mit der Vollversammlung des Stadtrats am 5. Dezember zunächst einmal.

Denn in dieser wird als oberstes politisches Gremium abschließend darüber entschieden, ob Ingolstadt tatsächlich dieses politische Zeichen setzt - auch wenn der Weg rechtlich umstritten ist. "Wir werden es auf jeden Fall dem Stadtrat vorlegen", sagt der städtische Rechtsreferent Dirk Müller, dem eine der zentralen Rollen zukommt. Der Rechtsstandpunkt der Verwaltung sei aber klar: Für ein Verbot der Aufführungen beziehungsweise der Platzvergabe (die nach Ansicht von Zirkussen quasi einem Berufsverbot gleichkommt) gebe es keine Rechtsgrundlage. "Das ist zugegeben eine recht formale Sichtweise", sagt Müller, aber die Verwaltung sei eben an Recht und Gesetz gebunden.

Und diese sehen laut Gemeindeordnung auch vor, dass der Oberbürgermeister keine Anordnungen unterschreiben darf, die gegen Gesetze verstoßen. Er müsste sie beanstanden. Und diesen Fall sieht der Rechtsreferent gerade am Horizont heraufziehen. "Wenn sich auch im Stadtrat eine Mehrheit für das Aufführungsverbot in dieser Form finden sollte, dürften wir die Anordnung gar nicht ausformulieren, um sie dem Oberbürgermeister vorzulegen", gibt Müller seine Einschätzung wieder. Da müsste das Rechtsamt den Chef der Verwaltung schützen.

Die Rechtslage ist bei den Auftrittsverboten für Zirkusse mit Wildtieren durchaus kompliziert. Der Bund als Gesetzgeber hat im Tierschutzgesetz nur "ordnungsrechtliche Belange" geregelt, aber bisher trotz gleich drei Anläufen der Länder über den Bundesrat bisher "seine Kompetenz nicht ausgeübt, um Aufführungsverbote zu erlassen", berichtet Müller. Und die Kommune hat folglich keine Kompetenz, schärfer zu urteilen, als es die Gesetzeslage hergibt.

Verbieten könnte man Aufführungen "ordnungsrechtlich" höchstens durch die Hintertür aus zweierlei Gesichtspunkten: Tierschutzgründe (wenn die Tierhaltung im betreffenden Fall nicht stimmt) oder gefahrenpräventiv (wenn konkret ein gefährliches Tier dabei wäre). Wie in einem Fall in Erding, als die Stadt die Aufführung untersagte, da der Zirkus einen Elefanten im Programm hatte, der schon einmal ausgebüxt war und dabei jemanden verletzt hatte. Das Verwaltungsgericht München gab der Stadt in diesem konkreten Fall recht. Deutschlandweit wurden aber bisher so gut wie alle anderen (generellen) städtischen Verbote von Gerichten oder deren Rechtsaufsicht wieder kassiert. "Wir stehen mit unserer Kommunalaufsicht, der Regierung von Oberbayern, in Kontakt, und erhoffen uns bis zur Stadtratssitzung einen rechtlichen Hinweis", sagt Rechtsreferent Müller.

Auch OB Christian Lösel betont: "Das muss durchs Rechtsreferat geklärt werden." Aber auch ihm ist klar, dass beim Vorstoß der Grünen (durch Antragsteller Christian Höbusch) mit Unterstützung der restlichen Opposition das politische Statement gegen die Wildtierhaltung in Zirkussen im Vordergrund steht. Das hatten mehrere Sprecher in der denkwürdigen Ausschusssitzung betont. "Politisch kritisiere ich das überhaupt nicht", sagt Lösel im DK-Gespräch. "Diese Haltung kann man einnehmen." Die andere, Wildtiere im Zirkus sehen zu wollen, aber natürlich auch, ergänzt der Rathauschef.

Ihm bleibt die Hoffnung, dass sich die Befürworter des Verbots im Stadtrat (ausgerechnet in der ohnehin schon beladenen Haushaltssitzung) noch durch die Rechtsauskunft umstimmen lassen. Eine verbindliche Regelung durch den Bund wird aber als überfällig angesehen.