Ingolstadt
"Viele sind vor den Kopf gestoßen"

Petra Kleine (Grüne) über Kollateralschäden beim Gründerzentrum und die Lagerbildung im Stadtrat

11.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

"Das ist ein Ort der Freude, wirklich gelungen": Beim Sommerinterview im Anatomiegarten schwärmte Grünen-Fraktionschefin Petra Kleine von der Erweiterung des Medizinmuseums. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Nach all den Jahren, die Petra Kleine (55) nun schon die Grünen im Stadtrat vertritt, stellte die erfolgreiche Kommunalwahl 2014 die Partei vor eine ganz neue Situation: Die Grünen standen erstmals vor der Entscheidung, mit der CSU eine Koalition einzugehen und eine Referentenstelle in der Stadtregierung zu besetzen. Zum schwarz-grünen Rathausbündnis kam es dann doch nicht, aber der Umweltreferent ist jetzt ein Grüner.

 

Frau Kleine, haben die Grünen es schon bereut, dass sie das OB-Angebot angenommen haben, in der Stadtregierung einen Referenten zu stellen?

Petra Kleine: Nicht bereut, aber wir haben ein Resümee gezogen.

 

Und zwar welches?

Kleine: Das Fazit ist enttäuschend. Ich begründe es aus der Sicht der Stadtratsfraktion. Wenn ich es aus der Sicht des Referenten begründen würde, müsste man nur auf das Beispiel Biostädte-Netzwerk verweisen. Das Angebot des OB haben wir zunächst positiv aufgenommen. Aus unserer Sicht war es die Einladung dazu, in einen offenen Wettbewerb der guten Ideen für Ingolstadt einzutreten. Das heißt: Wichtig ist die Idee und nicht: Wer hatte die Idee. Weg von diesem parteiengebundenen Denken und hin zu offenen Mehrheiten beim Ringen um die beste Idee. Im Wahlkampf war deutlich zu spüren, dass die Bürger sich diese Offenheit gewünscht haben, mehr über Sachen zu diskutieren, über Alternativen zu streiten und weniger aus den Parteilagern heraus die Dinge zu bewerten. Mit dieser Haltung haben wir das OB-Angebot angenommen. Wir waren konstruktiv, wir waren für ihn immer berechenbar, er wusste immer, was auf ihn zukommt.

 

Und das Ergebnis?

Kleine: Das Ergebnis kam - neben vielen Kleinigkeiten - zur Jahreswende. Vonseiten der Stadtspitze, der Doppelspitze, wurde immer öfter von der Opposition, von den Koalitionären gesprochen. Es fand von oben eine Lagerbildung statt - genau das, was die sogenannte Opposition nicht wollte. Es fand zunehmend statt, dass die Mehrheiten schon vorher feststanden. Um Mehrheiten wurde nicht mit Argumenten gerungen, sondern die Mehrheiten wurden gebildet, dann kam der rein formale Gang durch die Gremien. Das war genau das Gegenteil von dem, was als Erwartung zu Beginn der Amtsperiode von Oberbürgermeister Lösel im Raum stand. Die Idee war gut und richtig. Es war auch von uns richtig, keine Koalition zu machen.

 

Geht OB Lösel mit grünen Themen anders um als sein Vorgänger Alfred Lehmann?

Kleine: Der Unterschied ist subtil. Auf dem Weg zur Ablehnung werden die grünen Ideen auch noch diskreditiert. Ich rede mal vom Donaumuseum und der neuen Nutzung für den Dallwigk. Es ist gut, dieses digitale Gründerzentrum erfolgreich zu konzipieren. Was nicht gut ist, das sind die Kollateralschäden. Der OB hat Stadtratsbeschlüsse über den Haufen geworfen, ohne mit dem Stadtrat zu sprechen. Er hat Stadtratsbeschlüsse gegenüber anderen nicht selbstbewusst vertreten und nicht in den Abwägungsprozess eingebracht. Er müsste auch heute noch die städtebauliche Idee für das Gießereigelände in die Abwägung reinbringen. Er hat es geschafft, dass ein Förderverein, der zehn Jahre sichtbar tätig war, nicht mehr weitermachen wollte. Die Donaufreunde haben über die sozialen Medien verkündet: Wir wollen nicht mehr. Das ist nur ein Beispiel. Man kann Ideen ablehnen, und man kann rundherum noch ganz viele Schäden anrichten, weil man mit den Leuten nicht spricht. Mit uns hat der Oberbürgermeister übers Donaumuseum, über die neue Nutzung nicht gesprochen. Er managt diese Themen so, dass viele Leute vor den Kopf gestoßen sind, was nicht nötig wäre.

 

Im neuen Verkehrsentwicklungsplan, der jetzt vom Stadtrat beschlossen wurde, spielt das Fahrrad - zumindest theoretisch - eine Hauptrolle. Das müsste Ihnen gefallen.

Kleine: Das Ziel ist hervorragend. Es ist auch gut, endlich einen Modal Split zu haben, das heißt, wir legen fest, welchen Anteil die einzelnen Verkehrsmittel künftig haben sollen. Der zweite Schritt wäre, dass die Verkehrsteilnehmer eine größere Wahlfreiheit haben, um zu entscheiden, wie sie von A nach B kommen möchten. Der müsste dann auch mit Verve angegangen werden.

 

Sie haben als Treffpunkt für das Sommerinterview den Anatomiegarten vorgeschlagen. Warum?

Kleine: Das Besondere ist hier, dass man es geschafft hat, ein Problem - mehr Raumbedarf, Neubau - in eine Stadtgestaltung zu verwandeln und eine Idee sichtbar positiv umzusetzen. Was entstanden ist, ist öffentlicher Raum. Die Leute können herkommen und sich ohne Konsumzwang hier aufhalten. Es ist eine wunderschöne Umgebung, man sieht von hier aus die wichtigsten Pfeiler der städtischen Geschichte. Man hat wirklich das Potenzial auch in der Museumsleitung erkannt und mit dem Architekten zusammengearbeitet - was in Ingolstadt nicht selbstverständlich ist. Das ist ein Ort der Freude, wirklich gelungen. Ich befürchte, dass uns das an anderen Baustellen nicht so gelingt. Beim Museum für Konkrete Kunst ist der Architekt jetzt schon angeschlagen. Viele Ideen werden nicht mehr umgesetzt. Man muss das als Ressource für Ingolstadt sehen und nicht als lästige Investition mit dem Vorwurf: Wir stecken hier 25 Millionen rein und ihr nörgelt immer noch!

 

Anders als dieser Ort der Freude im Anatomiegarten ist das Gießereigelände seit vielen Jahren ein Kampfplatz der Interessen. Die Kritiker stehen meist etwas hilflos daneben, wenn die Stadttochter IFG wieder einmal kurzfristig einen Kurswechsel einleitet. Wie stehen Sie nach der ganzen Vorgeschichte heute zum Kongresshotel?

Kleine: Wir sehen das Kongresshotel an dieser Stelle nach wie vor kritisch. Das ist eine Überfrachtung an Funktionen und Baumasse. Die jüngere Geschichte zeigt, dass die Kritik richtig war. Es ist zu wenig Platz, um alle Funktionen unterzubringen, die ein solches Hotel braucht. Deswegen müssen Stadtratsbeschlüsse klammheimlich über den Haufen geworfen werden. Natürlich sind wir spätestens dann hilflos, wenn wir noch um Entscheidungen ringen und eigentlich schon der Bagger bestellt ist. Die Eselbastei ist jetzt weg.

 

Kann da am Schluss doch noch etwas Akzeptables für Sie herauskommen?

Kleine: Es wird etwas Funktionierendes herauskommen, für die Hochschule, für das Gründerzentrum. Ob das Kongresszentrum funktioniert, kann ich schwer beurteilen. Ob das städtebaulich gestaltet ist oder ob man nur pragmatisch Probleme gelöst hat, wird sich dann in der Aufenthaltsqualität zeigen. Wir haben ja nochmal einen Vorschlag gemacht mit einem Wettbewerb für den Dallwigk. Das hat man nicht angenommen. Die städtebauliche Idee ist eine Mischung, und jetzt haben wir aus nachvollziehbaren, aber nicht guten Gründen eine Dominanz der Hochschule bis vorne hin zur Donau. Das sollte eigentlich nicht sein. Und wir haben Investorenarchitektur, die alles weggeräumt hat, was dort noch an kleinen Nuancen von Gestaltung und Idee zu sehen war.

 

Wann haben Sie zum ersten Mal von Springls Abrissantrag zur Eselbastei erfahren?

Kleine: Der Antrag kam in der Stadtratssitzung. Vorher hat man nichts davon gewusst. Wir haben auch in der Sitzung nicht erfahren, dass der Abriss bereits beauftragt ist. Oder wurde er am Freitag beauftragt, und am Montag war der Bagger frei? Ich nehme an, dass auch der Vollzug dieses Beschlusses schon vorbereitet war. Das ist natürlich unglaublich.

 

Ich bin beim Beginn der Abrissarbeiten zufällig mit dem Fahrrad an der Rossmühlstraße vorbeigefahren und habe Sie allein in der Baugrube sitzen sehen. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Kleine: Haben wir als Opposition etwas falsch gemacht, als wir einen Sachstandsbericht gefordert haben? Nein. Nach der ersten Information, die ich Mitte Juni bekommen habe, habe ich versucht nachzufragen. Dann kam drei Wochen nix vom OB. Dann kam der Bericht in der IFG. Es war klar, dass es einen Stadtratsbeschluss gibt, also muss es auch in den Stadtrat. Also muss berichtet werden, dass ein Beschluss mal wieder vom OB nicht vollzogen wird. Dann kam die Entscheidung der Koalition: Wir machen jetzt Schluss mit dem Theater! Es wird jetzt der Abriss beantragt, und der Springl macht's! Man musste damit rechnen, dass die Eselbastei den Investoren gegeben wird. Aber man konnte nicht damit rechnen, dass sie drei Tage später abgerissen wird.

 

Das Interview führte

Reimund Herbst.