Ingolstadt
"Das schweißt die Opposition zusammen"

ÖDP-Fraktionschef Hofmaier über die Provokation bei der Eselbastei und Defizite in der Verkehrspolitik

06.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:20 Uhr

"Der Spaßfaktor ist momentan überschaubar im Stadtrat": ÖDP-Fraktionschef Hofmaier nimmt im letzten Interview der Sommerserie auch zum neuen GVZ-Parkhaus (im Hintergrund) Stellung. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Welches politische Gewicht die kleinste Stadtratsfraktion hat, darüber kann man streiten. ÖDP-Sprecher Franz Hofmaier (64) hat vor der Juli-Sitzung seinen ganz eigenen Test gemacht und das Arbeitspensum der Fraktionskollegen festgehalten. Insgesamt 3,6 Kilo Sitzungsunterlagen - da sei daheim die Küchenwaage "in die Knie gegangen". An Arbeit fehlt es den drei Ökodemokraten also nicht.

 

Herr Hofmaier, was geht einem durch den Kopf, wenn man als langjähriger Audianer und ökologisch geprägter Kommunalpolitiker durch das Güterverkehrszentrum spaziert?

Franz Hofmaier: Vieles. Ich bin in den letzten Jahren meiner Tätigkeit bei Audi mit meinem Arbeitsplatz selber im GVZ gewesen. Und wenn man die Umgebung anschaut, hat die sich in wenigen Jahren total verändert. Man ist immer wieder verblüfft, was da alles hinzugewachsen ist. Das Parkhaus, das ganze GVZ II, mittlerweile noch die Halle T, es ist unheimlich viel im Wandel, die Entwicklung schreitet rasant voran.

 

Wie war das, als Sie bei Audi angefangen haben?

Hofmaier: Da gab's noch gar kein GVZ. Irgendwann sind die Überlegungen hochgekommen, bis zur Gaimersheimer Straße zu gehen. Mittlerweile muss man schauen: Wo war früher eigentlich die Gaimersheimer Straße? Die Logistik beansprucht in der Autoindustrie inzwischen mehr Fläche als die Produktion.

 

Bei der Klausur der ÖDP-Fraktion haben Sie kürzlich den Bau der großen Parkhäuser im GVZ kritisiert. Was läuft falsch?

Hofmaier: Aus Audi-Sicht läuft gar nichts falsch. Audi geht in dem Fall den richtigen Weg. Man hat ja direkt an der Ettinger Straße den Standort für die Halle B gebraucht, der vorher für Parkplätze genutzt war. Man hat jetzt die Notwendigkeit gesehen, zusätzliche Parkflächen zu schaffen. Deshalb ist dieses Parkhaus im GVZ nachträglich auf fünf Stockwerke aufgestockt worden. Was mich nachdenklich macht, ist, dass wir den ganzen Pendlerverkehr erst einmal in die Stadt hereinlocken, direkt ans Werk her in diese Parkhäuser, und die Leute dann von dort aus mit einem Shuttlebus kostenlos ins Werk rein transportieren. Da stellt sich die Frage, ob es nicht aus der Gesamtsicht - Audi plus Stadt - günstiger gewesen wäre, diese Parkmöglichkeiten als Park-and-ride-Angebote an markante Orte an Stadträndern wie Friedrichshofen West oder Autobahnausfahrt Nord zu verlagern und die Leute von dort aus ins Werk zu verfrachten. Auf die Art und Weise hätten wir diese ganzen Kosten, die für Straßenbauten rund ums Werk anfallen, vielleicht nicht in dem Maße, wie sie sich jetzt abzeichnen.

 

Eine alte Forderung der ÖDP, der Audi-Bahnhalt, wurde jahrelang abgelehnt. Warum hat es so lange gedauert, bis sich das Verkehrsprojekt bei Audi und in der Stadtratsmehrheit durchgesetzt hat?

Hofmaier: Aus meiner Sicht haben sich lange Zeit weder Audi noch die Stadt übermäßig um den Verkehr rund ums Werk gekümmert. Irgendwann ist das Ganze mal explodiert, und die Staus sind immer länger geworden. Das hat letztendlich dann die Diskussion um diesen Bahnhalt befördert. Das hätte natürlich alles viel schneller gehen können, keine Frage.
 

Der Verkehrsträger Fahrrad hat es jetzt endlich im Verkehrsentwicklungsplan ganz nach oben geschafft. Mehr als nur ein überfälliges Lippenbekenntnis des Stadtrats?

Hofmaier: Das muss sich dann in der Praxis zeigen. Immerhin haben wir das Fahrrad im Verkehrsentwicklungsplan gut positioniert. Im Herbst haben wir noch die letzte Runde der Bürgerbeteiligung vor uns. Nach dem Beschluss Anfang nächsten Jahres muss das Ganze Praxis werden. Da haben wir sicherlich noch einen weiten Weg vor uns.

 

Wenn die Blechlawine des Audi-Schichtwechsels anrollt - welche Chance haben dann überhaupt Vorrangrouten für den Fahrradverkehr?

Hofmaier: Das wird ein radikales Umdenken erfordern, das sicher einige Zeit braucht. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber ich verweise gerne auf das Beispiel Kopenhagen. Dort ist man mittlerweile so weit, dass die Hälfte des Berufsverkehrs in dieser Großstadt mit dem Fahrrad abgewickelt wird. Das geht nur, wenn selbst Entfernungen von 15 Kilometern mit dem Fahrrad oder verstärkt natürlich mit E-Bikes in Angriff genommen werden. Das ist ein Prozess, der etwas Zeit braucht, aber er ist möglich, auch bei uns. Ich denke, wir werden in diese Richtung gehen müssen, der Zwang ist da.

 

Die ÖDP stellt mit drei Leuten die kleinste Stadtratsfraktion. Sie war Teil des Oppositionsbündnisses, das sich vor Kurzem deutlich mit Kritik an der Stadtregierung zu Wort gemeldet hat. Der Anfang einer längerfristigen Zusammenarbeit, vielleicht sogar über die nächste Kommunalwahl hinaus?

Hofmaier: Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Niemand weiß, was in zwei, drei Jahren los ist. Dass es zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist, hat sich eigentlich ergeben, weil wir seit der letzten Kommunalwahl gewisse Veränderungen feststellen. Das beginnt mit der Person des Oberbürgermeisters. Den Moderator bei Sitzungen, den wir vorher gehabt haben, haben wir in der Form nicht mehr. In der Position sehen wir durchaus Verbesserungsbedarf. Der Spaßfaktor ist momentan überschaubar im Stadtrat. Der Gipfel war, was vor der Sommerpause bei der Eselbastei passiert ist. Im Juli haben wir im IFG-Verwaltungsrat noch darüber gesprochen, dass sich Probleme auftun. Dann kam die Zusage vom OB, man werde bis zur nächsten Sitzung im Oktober weitere Informationen beschaffen. Erst nachdem wir versucht haben, dieses Thema gemeinsam im Stadtrat zu positionieren und einen Sachstandsbericht erbeten haben, kam diese Problematik mit dem FW-Dringlichkeitsantrag zum Abriss. Das war schon provokant. Das schweißt natürlich oppositionelle Kräfte zusammen, die vorher vielleicht gar nicht so intensiv zusammenarbeiten wollten.

 

Das Interview führte

Reimund Herbst.