Ingolstadt
"Lieber Provokateur als Brunnenvergifter"

Fraktionschef Lange zur Rolle der Bürgergemeinschaft im Stadtrat und seinem Umgang mit Facebook

16.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:25 Uhr

"Die Grenzbebauung direkt über der Schutter ist viel zu hoch": BGI-Fraktionschef Lange vor der ehemaligen Gaststätte Ludwigsgarten, die durch einen Neubau ersetzt werden soll. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Vom Wortführer einer Bürgerinitiative über den einfachen Stadtrat zum Chef einer Fraktion - Christian Lange (51) hat innerhalb kurzer Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht. Der selbstständige Unternehmensberater versteht es mehr, als der Stadtspitze lieb ist, auf sich und die Bürgergemeinschaft aufmerksam zu machen.

Herr Lange, in einem DK-Artikel über Sie stand vor einiger Zeit die Überschrift: Der Provokateur. Fühlen Sie sich dadurch korrekt beschrieben?

Christian Lange: Grundsätzlich habe ich die Einstellung, dass über mich jeder das schreiben darf, was er für richtig hält. Als Provokateur bezeichnet zu werden, ist mir immer noch lieber als als Brunnenvergifter. Ein Provokateur ist in der Politik und der Demokratie gar nichts Schlechtes. Aus meiner Sicht brauchen wir auf allen Ebenen Menschen, die auch hinterfragen und bereit sind, Kritik zu äußern, und dadurch provoziert man häufig.

 

Die Bürgergemeinschaft ist damals als eine Art Sammelbecken von Unzufriedenen entstanden, eine außerparlamentarische Opposition. Inzwischen ist die BGI eine etablierte Fraktion im Stadtrat. Worin sehen Sie Ihre Aufgabe?

Lange: Der Stadtrat ist ja das oberste Verwaltungsorgan einer Gemeinde. Unsere Aufgabe ist es, das Verwaltungshandeln zu steuern, zu kontrollieren und dabei auch kritisch nachzufragen.

 

Haben Sie da eine Rolle übernommen, die früher einmal die Freien Wähler ausgefüllt haben, als Kritiker der CSU-Stadtregierung aus dem bürgerlichen Lager?

Lange: Ich möchte das gar nicht auf das bürgerliche Lager beschränken. Wir äußern Kritik an der jetzigen Koalitionsmehrheit und ihrer Politik im Stadtrat, egal aus welcher Richtung es kommt. Es gibt ja gerade in unserer Fraktion sehr oft das Thema der sozialen Politik. Ich glaube, das kommt von links, von rechts, ich will mich da gar nicht festlegen. Es ist auch eine der großen Stärken der Bürgergemeinschaft, dass wir uns nicht auf das politische Spektrum festlegen müssen.

 

Sie waren früher einmal Mitglied der CSU. Ist das einer der Gründe dafür, dass Sie als abtrünniges Parteimitglied heute für führende CSU-Leute ein rotes Tuch geworden sind?

Lange: Das müssten Sie eigentlich diese Leute fragen und nicht mich. Sicherlich gibt es auch bei der CSU Menschen, die es kritisch sehen, dass jemand irgendwann mal von einer anderen Wählergruppe oder Partei aufgestellt wird. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich in der CSU noch genug Freunde habe. Es gibt genug Menschen aus den Reihen der CSU, die mich unterstützen bei dem, was wir in dieser Stadt tun.

 

Was gab damals den Ausschlag, dass Sie aus der CSU ausgetreten sind?

Lange: Es gab zwei Aspekte. Der eine war 2007 die Wahl des neuen Vorsitzenden auf Landesebene, den ich einfach nicht mittragen konnte, weil die CSU dadurch aus meiner Sicht zur Provinzpartei verkommen ist. Das war damals der Erwin Huber. Und es gab auch in der Ingolstädter Rathauspolitik Dinge, die ich nicht mittragen konnte. Ich habe gemerkt, dass es mehr und mehr Politik mit Machtarroganz war, von oben herab, und das hat mir nicht gefallen.

 

Am Beginn stand bei der Bürgergemeinschaft vor allem der Protest gegen das geplante Kongresshotel. Sie haben versucht, mit juristischen Schritten etwas dagegen zu unternehmen, aber ohne Erfolg. Wie bewerten Sie heute die Situation auf dem Gießereigelände?

Lange: Also vorweg: Es war nur ein juristischer Schritt, nämlich die Popularklage, die ich zusammen mit unserem Fraktionsgeschäftsführer eingereicht habe, bevor ich überhaupt im Stadtrat war. Jetzt ist die Situation meines Erachtens dadurch gekennzeichnet, dass der Abriss der Mauerreste eigentlich gezeigt hat, dass die Stadtspitze jetzt dieses Projekt nach dem Motto ,Augen zu und durch!' so schnell wie möglich zu einem Ergebnis führen will. Egal welche Kollateralschäden es dabei gibt, es wird nur noch mit Gewalt dieses Projekt umgesetzt. Das ist schade für den Denkmalschutz, aber auch für die Stadtsilhouette. Ich befürchte, dass wir noch mal Befreiungsanträge zum Bebauungsplan bekommen, dass man's vielleicht noch ein bisschen höher machen muss oder es ein bisschen breiter werden muss. Da rechne ich noch mit einigen Überraschungen.

 

Wollen Sie in Sachen Eselbastei noch etwas unternehmen?

Lange: Wir haben nach dem Brief an Kultusminister Spaenle noch die Regierung von Oberbayern angeschrieben und Staatsminister a. D. Thomas Goppel, der immer noch Vorsitzender des Landesdenkmalrates ist. 2012 nach dem Beschluss über den Bebauungsplan hat sich der Landesdenkmalrat sehr, sehr kritisch zum Bau des Kongresshotels geäußert. Auch das Landesamt für Denkmalpflege hat stärkste Bedenken angemeldet.

 

Wir stehen hier neben der Schutter unterhalb des Ludwigsgartens, wo die Firma Schabmüller ein neues Bürohaus bauen will. Warum sind Sie in der Sache aktiv geworden?

Lange: Aus meiner Sicht sind das Hauptproblem die Größe des Gebäudes und der vollkommen unreflektierte Umgang mit der Natur, hier insbesondere mit der Schutter. Das geplante Gebäude ist zu hoch. Die Grenzbebauung direkt über der Schutter ist viel zu hoch, dort soll ja dieses Sockelgeschoss entstehen, das direkt bis an die Schutter herangeht. Darüber stehen dann die Autos, die mit ihren Scheinwerfern direkt herüber zum Nachbarn leuchten. Das halte ich für nicht machbar.

 

Aber einen Bauantrag mit den genauen Einzelheiten scheint es noch nicht zu geben.

Lange: So weit ich informiert bin nicht.

 

Der Gestaltungsbeirat hat die Baumasse des Schabmüller-Projekts aber akzeptiert.

Lange: An der Baumasse gab es keine Kritik. Die Kritik beschränkte sich auf gestalterische Fassadenelemente. Das ist leider richtig.

 

Im ersten Sommerinterview vor zwei Wochen hat CSU-Fraktionschef Genosko offen gesagt, dass ihn Facebook überhaupt nicht interessiert. Das dürfte bei Ihnen ganz anders sein.

Lange: Bei mir ist es genau umgekehrt. Erstens interessiert mich Facebook, zweitens bin ich dort auch drin und habe meine eigene Chronik. Ich halte es für ein ganz wichtiges Medium, wenn man in Zukunft Politik macht. Politik muss öffentlich und transparent sein.

 

Dass es auf Facebook häufig zu Respektlosigkeit, Beleidigungen und Verunglimpfungen des Gegners kommt, stört Sie nicht?

Lange: Die Gefahr sehe ich schon auch. Interessanterweise war kürzlich zu hören, dass die Autofahrer immer aggressiver werden. Offensichtlich ist das eine Tendenz, die ich gar nicht auf Facebook beschränken möchte, dass die Menschen in der Kommunikation zurzeit aggressiver werden. Facebook ist ja am Ende auch nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. So weit ich informiert bin, sind inzwischen weltweit eineinhalb bis zwei Milliarden Menschen in Facebook, das ist schon ein ganz gutes Spiegelbild.

 

Inwiefern beeinflusst Facebook Ihre Arbeit?

Lange: Im letzten Jahr habe ich mir angewöhnt, in Facebook viel zu lesen, um Stimmungen mitzubekommen. Aber manchmal - ganz im Sinne des Provokateurs - kitzelt's mich in den Fingerspitzen, und dann muss mal wieder was geschrieben werden, was andere als Provokation empfinden. Facebook als Kommunikationsplattform wird die Politik weltweit dramatisch verändern.

 

Die Opposition im Rathaus hat sich vor Kurzem zu einem Viererbündnis zusammengetan. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Kooperation von großer Dauer ist. Sie sind doch einer, der lieber ganz vorn an der Rampe steht, eher Solist als Teamspieler.

Lange: Ich muss Ihnen sagen, dass ich mich momentan in dieser Gruppe sehr wohlfühle. Ich halte es für absolut richtig, dass wir gemeinsam Flagge zeigen und die Reihen schließen. Am Ende des Tages wird jede Partei, jede Fraktion ihre Eigenständigkeit behalten. Ich sehe da kein Problem drin. Natürlich bin ich jemand, der gerne vorne steht.