Ingolstadt
"Audi hat bestätigt, dass sie dabeibleiben"

CSU-Fraktionschef Genosko über das Kongresshotel und seine frühere Kritik an den Autobauern

05.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Wenn die Glocke ertönt, spricht der Vorsitzende: Joachim Genosko im Sitzungssaal des CSU-Hauses, wo er seit zehn Jahren die Rathausfraktion führt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Seit zehn Jahren gehört Joachim Genosko (67) zu den einflussreichsten Politikern Ingolstadts, denn ohne die Unterstützung der größten Rathausfraktion läuft nichts. Jetzt steht bei den Stadträtinnen und Stadträten der CSU ein Wechsel an. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor gibt die Führung der Fraktion an Patricia Klein (33) ab, die dem Stadtrat seit zwei Jahren angehört. Bevor er sich in die zweite Reihe zurückzieht, macht Genosko den Auftakt in der Reihe der DK-Sommerinterviews.

Herr Genosko, dass Sie Ende August aufhören als CSU-Fraktionschef, war eigentlich nicht Ihr Plan. Der Wechsel war ursprünglich erst im Sommer 2017 vorgesehen. Wie freiwillig war der vorzeitige Rücktritt?

Joachim Genosko: Der Wechsel war freiwillig, weil bei mir die Arbeit überraschender Weise zugenommen hat. Erstens habe ich die gesamten Dissertationen jetzt abzuwickeln. Drei liegen im Moment bei mir zu Hause. Zweitens bin ich zum Mitglied des demografischen Ausschusses des Landesplanungsbeirates berufen worden, der sich gutachterlich mit der Frage der demografischen Entwicklung in Bayern beschäftigen soll. Gleichzeitig bin ich stellvertretendes Landesplanungsausschussmitglied der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, was bedeutet, dass ich an der nächsten Sitzung teilnehmen muss, weil das ordentliche Mitglied keine Zeit hat. Die große Beanspruchung ist aber mit der Simon-Mayr-Gesellschaft gekommen. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass man im Ehrenamt einer Gesellschaft so viel tun muss. Zum Beispiel wenn Künstlerverträge plötzlich platzen und kurzfristig Ersatz gefunden werden muss. Da ist die rationale Arbeit eines Wirtschaftswissenschaftlers mit mancher Emotionalität der Künstler nicht so ganz vereinbar. Außerdem habe ich jetzt mehr Zeit zum Schafkopfen.

 

Unter Hermann Regensburger, einem Ihrer Vorgänger, und dem SPD-Politiker Franz Götz war es lange Jahre üblich, dass der Fraktionschef im Stadtrat gleichzeitig im Landtag sitzt. Wäre das eine Option für Ihre Nachfolgerin Patricia Klein?

Genosko: Im Moment stellt sich die Frage nicht, weil ja die Christine Haderthauer Landtagsabgeordnete ist. Ich denke, dass man das Bezirkstagsmandat von Patricia Klein mit dem Fraktionsvorsitz in Einklang bringen kann. Was die weitere Entwicklung bringt, darüber möchte ich nicht spekulieren.

 

Wann wird über die Landtagskandidatur bei der CSU entschieden?

Genosko: Im Herbst 2017.

 

Sie kennen als Vorsitzender zwei Oberbürgermeister aus der Zusammenarbeit mit der Fraktion. Was hat sich unter Christian Lösel im Vergleich zu Alfred Lehmann verändert?

Genosko: Für mich besteht der Unterschied darin, dass Alfred Lehmann und ich etwa zur gleichen Generation gehören. Die Generation tickt ähnlich, die hat die gleichen politischen Erfahrungen gemacht, das galt übrigens auch in der Zusammenarbeit mit Peter Gietl (früherer FW-Fraktionschef, d. Red.). Beim Christian Lösel hält man sich natürlich stärker zurück, weil der neue OB sich selbst erst einarbeiten muss, und man kann nicht verlangen, dass er das in drei Monaten macht. Wir haben beide an der Universität gearbeitet. Insofern haben wir den Hang, die Dinge rational anzugehen. Als wesentlich Älterer sollte man sich nicht hinstellen und den Jüngeren keinen Spielraum, keine Luft lassen, damit sie sich selber entwickeln, selber ihre Sachen machen können. Letztlich soll jeder den Eindruck haben, dass er verantwortlich ist für das, was er entschieden hat. Man sollte die jüngere Generation alles machen lassen, was man selber gemacht hat - bis hin zu den eigenen Fehlern.

 

Nur sind die damals nicht auf Facebook verbreitet worden.

Genosko: Ich bin bis heute nicht in Facebook. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass mich das herzlich wenig interessiert.

 

Als Sie vor zehn Jahren die CSU-Fraktion übernommen haben, war das Gießereigelände eine große Baustelle. Jetzt ist es immer noch Baustelle. Was ist da alles schiefgelaufen?

Genosko: Ich habe die Stadtratstätigkeit begonnen, als die große Braunfels-Debatte war. Damals hatte die CSU noch die absolute Mehrheit. Da wurde noch unter ganz anderen Verhältnissen gespielt. Am Montagabend haben wir uns getroffen, und im Grunde genommen hat die Fraktion entschieden und das Ergebnis per Newsletter verkündet. Die anderen Fraktionen waren natürlich bedient. Nach Braunfels gab es die Vorschläge von Morphologic (beides Architekturbüros, Anm. d. Red.) ein Entwurf, der gegenüber der Donau abweisend gewirkt hat. Das war eine Mauer, die eher nach Gefängnis ausgesehen hat als nach einladendem Museum. Dann begann diese Diskussion über Kongresszentrum und Hotel, wobei ich nach wie vor ein Verfechter von beidem bin. Die Stadt braucht ein Kongresszentrum. Als einer, der beruflich viel an Kongressen teilgenommen hat, international und in großen Städten, habe ich es immer geschätzt, dass solche Einrichtungen inmitten der Stadt sind. Eine Ausnahme war in Dublin ein Hotel unmittelbar am University College, wo man gute Verbindungen nach Dublin downtown hatte.

 

Aber die Entscheidung für den Standort ist ja auch schon wieder lange her, und vom Hotel ist noch nichts zu sehen.

Genosko: Dann kam die Sache mit Alpine (Pleite des Baukonzerns, d. Red.), und wir wurden wieder auf null zurückgeworfen. Beim Kunstmuseum in der Gießereihalle gab es wieder Diskussionen auf und nieder. Bis so was vorwärtskommt, dauert es eben seine Zeit. Ich musste eins im Stadtrat lernen: Bauten, die anderswo in relativ kurzer Zeit abgewickelt worden sind, dauern in einer Stadt im öffentlichen Raum mit allen Diskussionen, mit allen Planungen, mit allen Veränderungen ziemlich lange Zeit. Ich bin 1990 an die Fakultät berufen worden, und meine ersten Artikel, die ich im DK gelesen habe, waren damals Artikel über das Filetgrundstück auf dem Gießereigelände.

 

Da kann man nur hoffen, dass nicht auch noch Audi aus dem Hotelprojekt aussteigt.

Genosko: Bisher hat Audi bestätigt, dass sie dabeibleiben wollen.

 

Sie haben es als einer von wenigen Politikern vor einem Jahr gewagt, Audi zu kritisieren wegen des fehlenden Engagements im öffentlichen Nahverkehr. Hat das etwas gebracht?

Genosko: Ich stehe heute immer noch dazu, dass diese Aussage richtig war. Ob es etwas gebracht hat? Da müssten Sie die INVG fragen. Es war schon immer meine Meinung, dass man als Stadtrat das Recht und vielleicht auch den Mut haben muss, gegen jedermann und jedefrau etwas anzumerken, wenn man der Meinung ist, dass irgendwas nicht ganz passt.

 

Ab September sind Sie einfacher CSU-Stadtrat, was machen Sie dann am Montag den ganzen Tag? Keine Koalitionsrunde, keine Elefantenrunde, keine Leitung der Fraktionssitzung am Abend im Parteihaus.

Genosko: Jetzt kann ich am Montag endlich die Termine machen, die ich bisher erst am Dienstag machen konnte. Meine Frau ist bisher mit Freunden oft nach München gefahren, um ins Museum zu gehen, das war mir nicht möglich. Jetzt kann ich mit meiner Frau Dinge wahrnehmen, die vorher nicht so einfach möglich waren.

 

Dann werden Sie sicher auch bald dem Honoratiorenstammtisch im Le Café unter Präsident Alfred Hagn beitreten.

Genosko: Man hat mir gesagt, dass es eine ganz lange Warteliste gibt und dass man meinen Aufnahmeantrag wohlwollend prüfen würde.

 

Die Fragen stellte

Reimund Herbst.