Ingolstadt
Einander verstehen voneinander lernen

Kommission Weltkirche wird den Dialog mit Polen, Tschechien und Ungarn intensivieren

25.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Ingolstadt (DK) Den Dialog mit den Kirchen in Ungarn, Polen und Tschechien zu vertiefen hat sich die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz als Ziel für die nächsten fünf Jahre gesetzt. Im Blick hat die Kommission gleichzeitig ganz Europa und letztlich die gesamte Welt.

Europa sei ein Ausgangspunkt für Frieden; die Bewahrung der Schöpfung liege im Interesse aller Menschen, hieß es seitens der Kommission. Daher gab es im Rahmen der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Ingolstadt einen Studientag "Verständnisgrundlagen für den Dialog mit der Kirche in Mittel- und Osteuropa", bei dem Ziele abgesteckt wurden und ein erster Gedankenaustausch erfolgte. Fachleute aus allen beteiligten Ländern saßen am vergangenen Mittwoch hier beisammen.

Der Ost-West-Dialog wird bei der Kommission Weltkirche bis 2023 im Zentrum stehen, denn alle fünf Jahre sucht sich diese Kommission einen neuen Themenschwerpunkt. Nachdem zuletzt Afrika, der Nahe Osten und die Maghreb-Staaten im Fokus standen, richtet sich nun der Blick auf die östlichen Nachbarn.

"Die Beziehung braucht neue Impulse", erklärte Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche, nach dem Studientag. Wie Schick weiter ausführte, gebe es gemeinsame Aufgaben, die angepackt werden müssten, beispielsweise die Flüchtlingsfrage oder der Umgang mit Populisten. Der Erzbischof sprach aber auch von gegenseitigem Lernen, denn die katholisch-kirchlichen Auffassungen in den vier beteiligten Ländern über Ehe, Sexualität oder die Aufstellung einer neuen Rechtsordnung sind unterschiedlich; der Austausch darüber könnte befruchtend wirken. Schick zählte einige Beispiele auf, was die östlichen Nachbarn der katholischen Kirche in Deutschland lehren könnten: "Die tiefe Volksfrömmigkeit, die bei uns verloren gegangen ist, die Verbindung von Mystik und Religion, die Wertschätzung von Familien und damit auch die persönliche Fürsorge". Doch sollte der Dialog nicht nur auf kirchlich-religiöser Ebene erfolgen, sondern auch auf politischer und gesellschaftlicher. Ebenso sei der Austausch nicht auf Bischöfe oder Wissenschaftler untereinander beschränkt, sondern sollte natürlich auch von der Basis, etwa Pfarreien, getragen werden. Wichtiger Partner sei die Organisation Renovabis, die heuer ein Jubiläum feiern kann.

Der Prager Professor TomáÅ¡ Halík, Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, ging auf die Identitätskrise ein, die Menschen in vielen Ländern erfasst hätte. Die Zeit sei geprägt von Vertrauensverlust in kultureller, psychologischer und geistiger Hinsicht. Gerade das Vertrauen in Eliten sei erschüttert. Letztlich sei der Übergang vom kommunistischen ins kapitalistische System ursächlich. Man habe die Ökonomie als Basis genommen, so Halík. Der Rest komme automatisch. So habe man jedenfalls gedacht. Heute gelte Tschechien als eines der atheistischsten Länder der Welt. "Bei uns herrscht Gleichgültigkeit gegenüber der Religion", räumte der Prälat ein. "Aber es gibt auch ein geistiges Suchen. Hauptaufgabe der Kirche ist es, diese Suchenden zu begleiten." Das jedoch sei eine andere Aufgabe als die Seelsorge in einer Volkskirche. Es gehe darum, junge Leute anzusprechen und diesen Dialog in gegenseitigem Respekt zu führen.

András Máté-Tóth, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Szeged, wies zunächst darauf hin, dass ein Dialog stets ein Risiko beinhalte. "Eine Öffnung gegenüber anderen ist immer auch eine Entblößung." Umso mehr plädierte der ungarische Wissenschaftler für einen offenen, ehrlichen und unvoreingenommenen Gedankenaustausch. In der deutschen Presse fänden sich harte Worte für Ungarn. Doch gab Máté-Tóth zu bedenken: "Stereotypen verhindern den Dialog." Das Bild in Deutschland über sein Land sei monochrom und oft negativ - was auch im umgekehrten Fall gelte. Man müsse die jeweiligen Empfindlichkeiten verstehen, ebenso die jeweiligen kollektiven Verwundungen. "Vielleicht haben Sie recht, wenn Sie Ungarn kritisieren, aber vergessen Sie nicht, in den eigenen Spiegel zu schauen." Er verwies auf ein Sprichwort aus seiner Heimat: "Wer nicht arabisch kann, soll auch nicht arabisch reden." Ungarn und Deutschland hätten eine gemeinsame traurige Geschichte. Hier wie dort habe es Opfer und Täter gegeben. Für den nötigen Dialog könnten Christen und Kirchen eine wichtige Rolle spielen, über Höflichkeitsgesten hinaus hin zur Betrachtung von Verwundungen. Dialog beinhalte, die andere Meinung ernstzunehmen - nicht aber, sie automatisch zu übernehmen.

Pfarrer Christian Hartl aus Freising, Hauptgeschäftsführer von Renovabis, erinnerte daran, dass diese Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa vor 25 Jahren gegründet wurde. Damals sei die Zeit geprägt gewesen von Euphorie und der Idee eines geeinten und friedlichen Europa. Die Euphorie sei verflogen, die grundlegende Idee des solidarischen und fürsorglichen Miteinanders der Menschen, Völker und Staaten werde infrage gestellt. Umso wichtiger seien Begegnung, Austausch, Dialog und Freundschaft - über alle Spannungen und Meinungsverschiedenheiten hinweg. Das verlange, den anderen zu verstehen und nicht immer nur selbst verstanden werden zu wollen. Freundschaft müsse unterschiedliche Standpunkte aushalten. Hartl verwies auf das Leitwort von Renovabis für dieses Jubiläumsjahr: "miteinander. versöhnt. leben."