Ingolstadt
"Die Tradition wirkt nicht mehr"

20.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Zum Eröffnungsgottesdienst der Bischofskonferenz war das Münster gut gefüllt, zu normalen Gottesdiensten sind die Reihen in der Regel weniger stark besetzt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) 61 deutsche Bischöfe tagen seit Montag in Ingolstadt. Es geht um den Finanzskandal in der Diözese Eichstätt, weitere Probleme in anderen Bistümern - und nicht zuletzt um die generelle Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Wir haben vier Pfarrer aus Ingolstädter Gemeinden gefragt, wie sie die Situation beurteilen und was sie unternehmen, um die Zahl der Kirchenaustritte zu verringern.

Dekan Bernhard Oswald ist als Münsterpfarrer so etwas wie der Co-Gastgeber der deutschen Bischofskonferenz, wenn er auch an den Sitzungen nicht teilnimmt. Aber er weiß natürlich, dass der Finanzskandal im Bistum Eichstätt einen Schatten auf die Konferenz legt. "Das ist eine Katastrophe", sagt Oswald. "Der Schaden ist angerichtet. Wichtig ist jetzt, alles aufzuklären." Der Dekan betont aber auch, dass das in der Region schon seit einer Weile geschehe. "Die Transparenzoffensive ist ja beschlossen. Wir müssen den Weg weitergehen und umsetzen." Seiner Meinung nach sollten die Kontrollmechanismen verbessert werden, damit so etwas nicht mehr passiert.

Denn auch ohne Skandale hat die Kirche mit immer mehr Kirchenaustritten zu kämpfen - selbst wenn die Zahlen für das Stadtgebiet seit Jahren weitgehend konstant sind (siehe Grafik). Seit 1994 geht die Zahl der Katholiken in Ingolstadt zurück, von 69 000 auf nunmehr unter 58 000 - bei gleichzeitigem Bevölkerungszuwachs (aktuell: 137 000 Einwohner). "Das ist ein fundamentaler Umbruch", sagt Oswald. "Vor mehreren Jahrzehnten hatten wir noch geschlossene Milieus. Jetzt ist es anders. Die Leute versuchen mehr, persönlich einen Weg zu finden. Die Tradition wirkt nicht mehr." Dass die Kirche kein Ankerpunkt im Leben der Menschen mehr ist, sieht er durchaus selbstkritisch. "Wir machen immer noch dasselbe wie vor Jahrzehnten, und das greift nicht mehr." Auch das Interesse, sich aktiv in der Kirche zu beteiligen, nimmt zusehends ab. Am Wochenende stehen auch im Dekanat Ingolstadt die Pfarrgemeinderatswahlen an. In der Münsterpfarrei gibt es gerade einmal 14 Kandidaten. Bei der vorherigen Wahl 2014 waren es noch 24.

Martin Geistbeck, Pfarrer der Gemeinde St. Pius, nahm am Montag am Eröffnungsgottesdienst der Bischofskonferenz im Münster teil. "Kardinal Marx hat gut gepredigt, es gab Applaus und es wurde auch mal gelacht", sagt er. Neben Themen wie der Ökumene sprach der Erzbischof von München und Freising natürlich das Thema Finanzen an. Eine Lösung in der Frage erwartet Geistbeck aber nicht von der Bischofskonferenz. "Sie tauschen sich dort nur aus", so der Pfarrer, der einräumt, ohnehin keinen Einfluss darauf zu haben. "Die müssen ihren Job da oben machen - und ich muss vor Ort meinen Glauben leben und die Menschen mitnehmen." Was er sich allerdings wünsche, sei eine größere Solidarität unter den einzelnen Bistümern. Dabei bezieht sich Geistbeck auf die Situation im Erzbistum Hamburg. Anfang Februar war bekannt geworden, dass das Bistum tief in den roten Zahlen steckt und deshalb möglicherweise 8 seiner 21 Schulen schließen muss. "Reiche Bistümer, wie Eichstätt oder Köln, sollten da solidarisch sein und den schwächeren helfen", so der Piuspfarrer, der sich vor Kurzem auch nicht scheute, beim 24-Stunden-Warnstreik der IG Metall vor dem Audi-Werk solidarisch mit den Streikenden das Wort zu ergreifen.

Dass immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren, spürt Geistbeck im Piusviertel besonders. "Wir haben in unserer Gemeinde etwa 60 Austritte im Jahr." Er merke, dass der Glaube bei vielen mittlerweile von der Kirche abgekoppelt sei. "Ich erlebe etwa bei Beerdigungen, dass auch viele Menschen kommen, die mit der Kirche nichts zu tun haben", sagt er.
 

Erich Schredl, Pfarrer der Gemeinde St. Augustin im Südosten, wünscht sich von der Bischofskonferenz, dass sie gute Lösungen für aktuelle Probleme finden möge - wovon er überzeugt sei. Er erinnert daran, dass durch die Transparenzoffensive der Finanzskandal im Bistum Eichstätt überhaupt erst ans Licht gekommen sei. "Da kann ich nur sagen: Gut gemacht, macht bitte weiter!", erklärt Schredl. Einen konkreten Wunsch formuliert er aber auch: Er hoffe, dass die Bischöfe klare Kante gegen den Rechtsruck in Deutschland zeigen.

Auch in seiner Gemeinde bemerke er immer mehr Kirchenaustritte, sagt Pfarrer Schredl - und das trotz vieler Zuzüge. "Wir kriegen regelmäßig eine Zuzugsmeldung und kurz danach den Kirchenaustritt", sagt er. "Der Steuerberater rät den Zugezogenen, Geld zu sparen und aus der Kirche auszutreten." Viele junge Paare wollten dann aber doch zur Taufe oder eine kirchliche Hochzeit. "Und die ein oder andere Familie merkt dann: ,Bei euch ist es ja schön'", sagt Schredl. Dass es die katholische Kirche heutzutage so schwer hat, sieht er in einer "ganz fürchterlichen gesellschaftlichen Wahrnehmung". Viele sähen die Kirche heute als etwas, das ihr Leben mit Regeln bestimmen soll. Dagegen anzukämpfen, sei schwer.

Ulrich Flashar, Pfarrer der Gemeinde Mailing/Feldkirchen, will sich zu der Bischofskonferenz nicht äußern, ausführlicher erzählt er dagegen aus seiner Gemeinde: Kirchenaustritte beobachte er, seit er vor sieben Jahren seinen Dienst angetreten habe. Doch die Zahlen seien bisher nicht angestiegen. "Und an den Kirchenbesuchen merke ich es nicht", sagt er. Die Pfarrkirche St. Martin mit ihren 600 Plätzen sei immer zur Hälfte voll. "Ich kann mich nicht beklagen. Ganz im Gegenteil." Um die Jüngeren für die Kirche zu gewinnen, hat er vor ein paar Jahren einen Kirchenchor und einen Familienkreis gegründet. "Es ist ein kleiner Chor", gibt er zu. Und bisher kämen nur drei bis vier Familien regelmäßig zu den Treffen. "Aber es ist ein Anfang", sagt Flashar. "Und man muss etwas tun."