Ingolstadt
Auf der Durchreise

Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verschwinden plötzlich: Polizei meldet 43 Fälle

15.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:12 Uhr

Ingolstadt (DK) Immer wieder verschwinden aus Ingolstadt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die unter der Obhut des Jugendamts stehen. Diese Nachricht gelangte jetzt über Umwege aus Kreisen ehrenamtlicher Helfer zu unserer Zeitung. Ähnliche Meldungen tauchen in jüngster Zeit auch immer wieder in den überregionalen Medien auf: Teils heißt es, Schlepper und Menschenhändler hätten es auf Kinder abgesehen, die während der Flucht von ihren Eltern getrennt wurden. Solche Berichte alarmieren natürlich.

170 bis 180 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen unter Obhut des Jugendamts Ingolstadt. Manche werden von der Regierung von Oberbayern zugewiesen. Andere landen hier, weil sie bei Kontrollen von der Bahnpolizei aufgegriffen und dann dem Jugendamt überstellt wurden.

Sprecher Gerd Treffer bestätigte, dass es tatsächlich vorkommt, dass Jugendliche - meist nach nur wenigen Tagen Aufenthalt - plötzlich aus einer Unterkunft verschwinden. Er spricht von etwa 20 Fällen bisher. Wenn das passiert, wird sofort Vermisstenanzeige bei der Polizei erstattet. Außerdem reden die Betreuer mit den Mitbewohnern oder Freunden des Verschwundenen, um der Sache auf den Grund zu gehen.

In fast allen Fällen stellt sich heraus, dass die Jugendlichen nach dem Zwischenstopp, bei dem sie sich ausruhen und stärken, ihre Reise fortsetzen. Zum Beispiel zu einem Onkel nach Dortmund. Zwei junge Flüchtlinge, so berichtet Treffer, hätten sich neulich in Richtung Schweden aufgemacht, kehrten jedoch zurück, weil das skandinavische Land mittlerweile seine Grenzen geschlossen hatte. "Es gibt jedenfalls keinerlei Hinweise auf Schlepperbanden oder andere kriminelle Hintergründe", fasst der Sprecher der Stadt zusammen.

Wird ein vermisster Jugendlicher nach 48 Stunden wieder aufgegriffen, so geht es zurück nach Ingolstadt. Ansonsten sei das Jugendamt der Stadt zuständig, wo der Jugendliche auftauche, so Treffer.

Der Polizeiinspektion Ingolstadt sind sogar noch mehr Fälle bekannt: Nach Aussage von Leiter Peter Heigl wurden seit 2015 im Inspektionsbereich 43 minderjährige Flüchtlinge als vermisst gemeldet. "Überwiegend sind es Jugendliche aus Ingolstadt im Alter von 16 bis 18 Jahren." Die Fälle werden zur Fahndung ausgeschrieben, die erst widerrufen wird, wenn der Vermisste woanders aufgegriffen wird. Und wie intensiv sucht die Polizei? "Unsere Ermittlungen richten sich danach, ob es Anhaltspunkte für ein mögliches Vergehen oder einen Suizid gibt", erklärt Heigl. "Wenn die Jugendlichen allerdings ankündigen, dass sie weiterreisen und ihre Sachen packen, dann hält sich der Aufwand in Grenzen." Fest stehe: "Die wenigsten kehren nach Ingolstadt zurück."

Unsere Zeitung hätte auch gern mit den jungen Flüchtlingen selbst über das Thema, ihre Erfahrungen und Bewegründe gesprochen, aber die Stadt erlaubte das nicht.