Ingolstadt
Auf Befreiungsmission

Die Christian Solidarity International kauft Sklaven im Sudan frei – das ist umstritten, findet aber auch in der Region Unterstützer

03.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:19 Uhr

Nach ihrer Befreiung aus der Sklaverei erhält Alim Ajing Mawien von Gunnar Wiebalck (rechts) und John Eibner von der Christian Solidarity International (CSI) eine Ziege, um sich im Südsudan ein neues Leben aufbauen zu können, schreibt die CSI - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, verfolgte Christen in der ganzen Welt zu unterstützen. Unter anderem kauft sie nach eigenem Bekunden Sklaven im Sudan frei. Die Organisation ist nicht unumstritten. Dennoch hat die CSI auch in der Region überzeugte Unterstützer.

Nachrichten, die Deutschland aus dem Sudan erreichen, sind meistens schlecht. Manchmal gibt es aber auch Positives aus dem von Krieg und Armut gebeutelten Land zu berichten. Lichtblicke zumindest. Das Schicksal von Alim Ajing Mawien könnte ein solcher Lichtblick sein. Nachzulesen ist es in einer Broschüre der Organisation Christian Solidarity International (CSI). Die 20-jährige Mawien wurde demnach aus dem Südsudan in den Norden verschleppt und versklavt. „Ihr Besitzer hat sie zwangsislamisiert und von seinem Sohn und einem arabischen Nachbarsjungen wurde sie als Sexobjekt missbraucht. Eines Tages warf ihr Besitzer sie ins Feuer, weil ihm das Essen nicht schmeckte“, berichtet Gunnar Wiebalck, der Geschäftsführer der CSI dem DONAUKURIER. In der Broschüre ist ein Bild von Mawien zu sehen. Ihre Hände sind durch das Feuer verstümmelt. Dennoch lacht die Frau. Das Foto zeigt sie nach ihrer Rettung. Die CSI hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sklaven zu befreien.

Im Oktober 2012 waren es über 400, berichtet Wiebalck. Im Januar dieses Jahres weitere 350. Insgesamt hat die CSI nach eigenen Angaben bereits über 100 000 Sklaven befreit. Da es für die Organisation nicht möglich ist, in den Nordsudan zu reisen, arbeitet die CSI mit Mittelsmännern. Die werden beauftragt, die entführten Südsudanesen im Norden freizukaufen. In Trecks geht es dann wieder Richtung Heimat. Dort werden sie von Mitarbeitern der CSI in Empfang genommen, die Mittelsleute aus dem Norden entlohnt. Der Preis für einen Sklaven beträgt 50 Dollar, bezahlt wird mit Medikamenten. Jeder Befreite erhält einen sogenannten „Startsack“: ein Zelt, eine Decke, eine Pfanne, eine Sichel, ein Moskitonetz. Dazu eine Ziege. „Das ist, wie wenn man bei uns jemandem ein Eigenheim schenkt“, betont Wiebalck.

Die CSI finanziert ihre Arbeit aus Spenden. In der Region engagiert sich unter anderem der Reichertshofener Arzt Karl Lang für die Organisation. Vor gut zwei Jahren ist er auf die Arbeit der Initiative aufmerksam geworden. Seine Tochter ging damals für längere Zeit nach Südafrika. „So habe ich das erste Mal bewusst auf Afrika geblickt“, sagt er heute. Seitdem liegen die Flyer der CSI auch in seiner Praxis aus. Er hat sich über die Arbeit der Organisatin informiert, sich Fotos aus dem Sudan schicken lassen. Seitdem setzt er sich überzeugt für die Arbeit der CSI ein.

Das Engagement der Organisation ist nicht unumstritten. Kritiker befürchten, dass das Freikaufen von Sklaven durch Hilfsinitiativen wie die der CSI die Sklaverei erst lukrativ macht. Die Gruppen unterstützten so den Markt, den sie eigentlich bekämpfen wollten. Unter anderem haben Organisationen wie Human Rights Watch oder die britische Anti-Slavery International das Vorgehen der CSI kritisiert. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef nannte die Praxis der Organisation bereits 1999 „nicht hinnehmbar“. Die CSI wurde aus der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen – Vorgängerorganisation des UN-Menschenrechtsrates – ausgeschlossen.

Verlässliche Aussagen über die Situation im Norden des Sudans gibt es kaum, eine Einschätzung der Ausmaße der Sklaverei ist schwierig. 1983 bis 2005 versank der Sudan in einem blutigen Bürgerkrieg zwischen dem arabischen Norden und dem schwarzafrikanischen Süden. In dieser Zeit verschleppten Milizen aus dem arabischen Norden immer wieder Menschen aus dem christlich und animistischen Süden. Manche sprechen von einigen zehntausend, andere von bis zu 100 000 Opfern. Sklaverei aber auch Kidnapping wurden zweifelsohne als Kriegswaffe eingesetzt. „Manche Farmen haben über hundert Sklaven. Als Statussymbol“, ist sich Wiebalck sicher. Seit dem Juli 2011 ist der Süden unabhängig. Deutschland war einer der ersten Staaten, die das neue Land anerkannt haben. An der neuen Grenze kommt es seit dem immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen, auch Blauhelmsoldaten wurden schon angegriffen.

Der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl, der auch Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, hat den Südsudan mehrfach besucht. Zuletzt im April 2012. Er berichtet von einem geschundenen Land. „Das Land braucht dringend unsere Solidarität.“ Die Situation im Norden sei ungleich schwerer einzuschätzen, sagt Brandl. Ob und wenn ja wie viele Südsudanesen noch im Norden versklavt sind, wagt er nicht zu sagen.

Selbst bei Amnesty International ist man mit einer Aussage zur Sklaverei vorsichtig. „Die Situation ist hier viel zu undurchsichtig“, sagt der Sudan-Experte Alfred Buss auf Anfrage des DK. Leise Zweifel an der Darstellung der CSI schwingen allerdings mit, wenn Buss sagt, dass die Nordsudanesische Regierung seit der Unabhängigkeit des Südsudans eher Menschen aus dieser Region des Landes verweist, als sie zwangsweise im Land festzuhalten. Sicher ist: Nicht jeder Südsudanese, der während des Krieges in den Norden ging, wurde verschleppt. „Manchen ging es dort besser als daheim“, glaubt Buss.

Leonore Küster aus Pfaffenhofen engagiert sich seit Langem bei der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe. Sie ist die Repräsentantin der Organisation im Südsudan und war häufig in der Region, aber über den Norden kann auch sie nur wenig sagen. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand eine genaue Zahl der Südsudanesen im Nordsudan geben kann.“ Fraglich ist auch, wie viele der einst Verschleppten im Norden sesshaft geworden sind, assimiliert oder gar heimisch wurden. Küsters Kollege Peter Bergdoll schreibt in einer E-Mail an den DK: „Die Sklaven-Geschichte ist doch ein völlig überalteter und überholter Hut, das gibt es schon seit vielen Jahren nicht mehr.“

Von solchen Stimmen lässt sich die CSI nicht beirren. „Wenn wir wirklich schuld am Sklavenhandel wären, würden uns die Menschen nicht so freudig empfangen“, sagt Gunnar Wiebalck. „Es ist ein Freudentag, wenn wir in die Dörfer kommen. Wer in die Gesichter der Menschen schaut, weiß das.“