Ingolstadt
Das Chamäleon macht es vor

Audi entwickelt nicht nur fahrerlose Transportsysteme oder einen neuen 14-fach-Spindler auch ein Universalgreifer soll Serienreife erhalten

23.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Wie eine Chamäleonzunge kann der Greifer namens "Flex Shape Grippe" nahezu jedes Objekt packen und halten. Wie er bei Audi in der Serie eingesetzt werden kann, prüft Christoph Straßmair. - Foto: Warter/Audi

Ingolstadt (reh) In einem unscheinbaren Gebäude im Gaimersheimer Gewerbegebiet ist die Zukunft zu Hause. Zumindest die von Fertigungsassistenzsystemen, mit denen Audi irgendwann seine Mitarbeiter in der Produktion unterstützen möchte.

Fahrerlose Transportsysteme gehören dazu. Ein ebenso bekanntes Beispiel der noch analogen Arbeitserleichterung ist der sogenannte 14-fach-Spindler, der von Florian Preis und seinen Kollegen direkt am Montageband entwickelt worden war. Die geniale Idee: Der Wagen der Marke Eigenbau dreht 14 Schrauben gleichzeitig in den Boden einer Karosserie. Die Mitarbeiter müssen nicht mehr über Kopf arbeiten. Experten der Technologieentwicklung haben den Montagewagen inzwischen so weiterentwickelt, dass Roboter das Einschrauben übernehmen und sich flexibel und problemlos auf die Unterbodenverkleidung von Hybrid-Fahrzeugen einstellen können. Der "LBRinline" (Leichtbau-Roboter in der Linie) ist fast serienreif, das heißt, er kann in der Produktion mit dem Menschen gefahrlos eingesetzt werden, erklärt Johann Hegel, der die Entwicklung von Fertigungsassistenzsystemen bei Audi leitet.

Ein gutes Stück entfernt vom Einsatz ist ein anderes, sehr spannendes Projekt, an dem Hegel und sein Greifer-Experte Christoph Straßmair arbeiten. Sie prüfen den "Flex Shape Gripper". Er setzt dort an, wo der Rest versagt. Viele Roboter sind aufs Greifen spezialisiert. Sie packen, heben oder montieren. Immer gleich. Flexibel ist kaum einer. So gibt es eine Welt voller industrieller Prozesse, die sich nicht automatisieren lassen. Der "Flex Shape Gripper" stammt von der Firma Festo (Esslingen) und ist einer Chamäleonzunge nachempfunden, die alles festhalten kann und nichts verkratzt. Die unscheinbare blaue Kappe des Greifers verformt sich durch Druckluft und Federkraft und hält über die Haftreibung nahezu alle Objekte fest. Je nach Oberfläche - ob glatt oder mit mehr Kontur - bis zu 1,5 Kilogramm, berichtet Christoph Straßmair. Der Diplom-Informatiker steuert den Industrieroboterarm, an dem der Chamäleongreiferprototyp montiert ist und forscht, wie er sich in der Audi-Welt anwenden lässt. "Wir sehen sehr großes Potenzial", sagt Straßmair. Dachantennen unterschiedlicher Form sind kein Problem, auch kleine Muttern, die nur ein Mensch mit der Hand greifen könnte, saugt "das Chamäleon" an. Die Kollegen aus der Serienplanung/-entwicklung stünden mit Ideen Schlange, sagt Hegel. Doch die Anforderungen für Serienreife sind groß: "einfach, robust, prozesssicher". Heißt: leicht zu warten, lange Lebensdauer - und dann allzeit fehlerfreie Arbeit. Straßmair sagt: "Wir wissen noch nicht, wann er Objekte fallen lässt." Seine Ergebnisse gibt er an den Hersteller zurück, mit dem er in engem Kontakt steht. Es gibt noch viel zu tun. Vielleicht schnappt das Chamäleon sogar nie am Montageband zu.