Ingolstadt
"Angst vor Kultur"

13.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:46 Uhr

"In diesem Dreieck ist ein ganz großes Entwicklungspotenzial": Petra Kleine beim Sommerinterview mit DK-Redakteur Reimund Herbst.

Ingolstadt (DK) Treffpunkt altes Körnermagazin. Es ist der ausdrückliche Wunsch von Grünen-Fraktionschefin Petra Kleine, das Sommerinterview neben diesem umstrittenen Gebäude zu führen.

Das alte Körnermagazin hat sich in den vergangenen Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit als eine Art Kreativwerkstatt Ingolstädter Künstler entpuppt. Für Kleine ist der historische Bau unbedingt erhaltenswert. Er hat ein großes Potenzial und sollte nicht abgerissen werden, wie sie im Gespräch mit DK-Redakteur Reimund Herbst betont. Zwei weitere Sommerinterviews mit den Fraktionsvorsitzenden der SPD und der Freien Wähler folgen.

Frau Kleine, Sie sind den Ingolstädtern noch eine Erklärung schuldig. Warum um alles in der Welt haben Sie mit der CSU für die Parkplätze in der Theresienstraße gestimmt?

Petra Kleine: Unser Favorit war eigentlich die Sommer-/ Winter-Lösung. Denn das wird dem Bedarf gerecht, dass man sich im Sommer draußen aufhalten will, aber auch nicht den ganzen Verkehr in die Altstadt zieht. Ein wichtiges Kriterium war: Welche Lösung bedeutet was für die Taschenturmstraße? Dann haben sich im Stadtrat spontan neue Mehrheiten abgezeichnet. Wir haben gesehen, dass unsere Lösung keine Mehrheit findet. Wir haben uns für das entschieden, was wir auch schon beim Umbau der Theresienstraße gesagt haben. Für uns ist es nicht notwendig, den Verkehr vollständig aus der Innenstadt zu verbannen. Das ist für uns so in Ordnung.

Trotzdem rätseln viele, warum ausgerechnet die Grünen in einer solchen Frage der CSU die Mehrheit sichern.

Kleine: Das Wichtigste ist, dass der Parksuchverkehr nachts aufhört, dass die Anwohner weiter dort parken können. Das war eine sehr pragmatische Lösung.

War die Abstimmung in Ihrer Fraktion umstritten?

Kleine: Wir waren uns einig, dass wir die saisonale Lösung wählen würden, mussten uns dann in der Sitzung aber kurz abstimmen. Wir wussten: Wenn wir mit der CSU stimmen, bleiben die Parkplätze in der Theresienstraße, aber doch mit einer anwohnergerechten Nachtlösung. Wenn wir mit den Freien Wählern stimmen, kommen die ganzen Parkplätze raus, und es gibt eine Einbahnstraßenlösung. Wobei man nicht genau weiß, welche Auswirkungen das auf den Bereich Taschenturm-/Anatomiestraße hat. Das ist ja jetzt schon ein Nadelöhr. Das Problem war eigentlich, dass man seit sechs Monaten darüber gesprochen hat und dann in der Sitzung ohne Begründung, ohne Vorlage zwei neue Anträge dazu kamen. Das fand ich schon ein bisschen kompliziert.

Auch in der Museumsfrage war die Haltung der Grünen schwer nachvollziehbar, Ihre Begründung klang etwas nebulös. Wie steht die Fraktion zu den beiden Museumsstandorten Gießereihalle und Kavalier Dallwigk?

Kleine: Unser grünes Votum für diese Machbarkeitsstudie (Museum für Konkrete Kunst und Design in der Gießereihalle, d. Red.) hatte den Hintergrund, dass der Oberbürgermeister uns wirklich definitiv gesagt hat, es gibt keine Mehrheit für einen der drei Entwürfe. Sie hätten aber von der Verwaltung eine Möglichkeit, wie man trotzdem das MKK unterbringen könnte. Das war unsere Ausgangsposition. So haben wir uns auf einem ganz niedrigen Level von Entscheidungsmöglichkeiten dafür entschieden, das mitzumachen. Aber eigentlich hätte es nicht nur eine Machbarkeitsstudie für die Gießereihalle geben sollen, sondern eine Überlegung, ob das Kongresszentrum nicht doch mit der Halle zu kombinieren ist. Und eine weitere Studie über das Körnermagazin an der Esplanade, ob dieses Areal entweder museal oder als Existenzgründerzentrum für Kreativwirtschaft zu nutzen wäre. Aber wir wollten jetzt in der Sitzung kein neues Fass aufmachen. Die Stadtratsmehrheit wäre total überfordert gewesen, hätte keine Lust gehabt, eine andere Idee zu diskutieren. Und es ist immer noch die Befürchtung da, dass es am Schluss weder noch gibt. Das war ja eine fatale Diskussion, wenn man keine neuen Vorschläge einbringen kann, weil man das Gefühl hat, dass die Stadtratsmehrheit und die Verwaltung mit jedem Vorschlag überfordert ist. Dann macht man lieber gar nix.

Lohnt es sich für Sie noch, für den Erhalt des Körnermagazins zu kämpfen? Inzwischen läuft es ja auf ein Kulturzentrum am Hauptbahnhof hinaus.

Kleine: Das Kulturzentrum am Bahnhof ist eine absolut konstruktive und gelungene Vorgehensweise des Kulturreferenten. Das hat er sehr, sehr gut und nah an den Beteiligten gelöst. Dennoch bleibt für uns die Frage: Was wird aus diesem Areal am Körnermagazin? Wir Grünen wollen, dass ein neuer Bebauungsplan aufgestellt wird, der diesen Bereich für die öffentliche Nutzung widmet und auch das Körnermagazin erhält. Eigentlich gehört das alles zusammen, das Alf-Lechner-Museum, die Fachhochschule, das Donaumuseum – in diesem Dreieck ist ein ganz großes Entwicklungspotenzial für die Stadt. Die waren ja im Stadtrat schon alle gestresst, dass ich so lange gesprochen habe. Man hat immer zehn Minuten. Aber ich hätte noch eine Stunde reden können. Da gibt es so eine Angst vor Kulturbauten, die Angst, für die Kunst was zu bauen. Die hatten Schnell und Koller früher nicht (ehemaliger OB und Kulturreferent, d. Red.). Da sind die frei und offen damit umgegangen. Die jetzige Angst, sich mit der Kunst auseinander zu setzen, tut der ganzen Stadt nicht gut und sie verhindert Chancen.

Die Grünen haben beide Bürgerbegehren unterstützt, zum Glacis und den Bussen in der Nord-Süd-Achse. Es fällt auf, dass die Resonanz bei den Ingolstädtern völlig unterschiedlich war. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Kleine: Beim Glacis ging die Zielgruppe einfach quer durch die Bevölkerung. Die Nord-Süd-Achse, das hat man bei den Unterschriften gemerkt, betrifft zu 80 Prozent die Seniorinnen und Senioren. Die sind im Alltag weniger präsent, die tun sich auch schwerer. Der öffentliche Nahverkehr betrifft auch weit weniger Menschen als die Stadtgeschichte oder das Glacis. Das war uns von vornherein klar, dass das ein schwieriges Bürgerbegehren wird. Wir haben jetzt dafür knapp 5000 Unterschriften zusammen. Es war uns wichtig, das zu Ende zu führen, weil die Zielgruppe eben nicht so mobil ist, aber sich ihr Anteil an der Bevölkerung vergrößert. Der ÖPNV muss auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer ausgerichtet sein.

Sie haben am kommenden Freitag 50. Geburtstag. Anlass für eine kurze politische Zwischenbilanz.

Kleine: Ich war mehr als die Hälfte dieser 50 Jahre im Stadtrat. Die Projekte, die man kooperativ mit anderen versucht hat – ich denke gerade an die Gedenkstätte im Luitpoldpark mit der Gerda Büttner oder das Donaumuseum mit dem Bund Naturschutz –, da war es angenehm und erfolgreich. Wenn man aber an die Verkehrspolitik denkt, das war das Zäheste. Allein die Tatsache, dass man im Stadtrat beschließt, eine Trasse für die vierte Donaubrücke freizuhalten, zeigt schon, dass in der Breite kein Umdenken stattgefunden hat. Das ist eigentlich Wahnsinn.