Ingolstadt
Viele Vorwürfe, einige Antworten

Anklage gegen Fastenmeier beim „falschen Gericht“? Anwalt hält Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II für zuständig

28.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Vorwürfe wiegen schwer: 99 Fälle von Untreue sowie 3 von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit wirft die Staatsanwaltschaft Ingolstadt dem ehemaligen Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums, Heribert Fastenmeier, vor.

Insgesamt gab es im „Komplex Klinikum“, wie die Strafverfolgungsbehörde die seit Oktober 2016 schwelende Affäre nennt, 16 Beschuldigte. Mit dem Freitod Fastenmeiers hat die Affäre nun einen Beschuldigten weniger. Auch gegen den Ingolstädter Altoberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Über eine Anklage ist noch nicht entschieden. Fest steht allerdings: Das Verfahren wird gesondert geführt.

Bei den sechs Anklagepunkten gegen Fastenmeier geht es unter anderem um die Anstellung von Verwandten über Fremdfirmen, aber auch um eine „bewusste Nichtgeltendmachung einer vertraglich geschuldeten Kaufpreisforderung beim Verkauf des Altstadtareals Sebastianstraße“, wie es im Juristendeutsch heißt. Im Fokus steht ferner die Vergabe von Aufträgen zu wirtschaftlich nicht vertretbaren Konditionen. Dem Klinikum soll ein Schaden im niedrigen siebenstelligen Bereich entstanden sein. Der Ombudsmann des Klinikums hatte die Affäre 2016 ins Rollen gebracht.

Seit 22. April 2017 war Fastenmeier in U-Haft. Das Oberlandesgericht München hatte die Fortdauer der U-Haft angeordnet. Sein Anwalt André Szesny nennt die Inhaftierung Fastenmeiers „rechtswidrig“. Der ursprüngliche Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sei von den Behörden zuletzt nicht mehr thematisiert worden, Fluchtgefahr habe bei Fastenmeier nicht vorgelegen. „Er hat sich dem Verfahren gestellt, detailliert Stellung genommen und war familiär und sozial in der Region gebunden wie kein zweiter. Die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft war unangemessen“, so Szesny.

99 Untreuefälle: Hinter 88 davon steht nach den Worten des Verteidigers der Vorwurf, dass Fastenmeier für von ihm gehaltene Vorträge hätte Urlaub nehmen oder – soweit die Vorträge gegen Honorar erfolgten – die Vergütung hätte abführen müssen. In weiteren vier Fällen sei die Abgeltung nicht genommener Urlaubstage Gegenstand der Anklage. Auch gegen diese Vorwürfe habe Fastenmeier sich gewehrt – in einer ausführlichen Stellungnahme zur Anklageschrift gegenüber dem Landgericht.

Die Verteidigung rügt zudem einen formalen Fehler der Anklage. Sie sei schlicht „beim falschen Gericht erhoben worden“ und „damit unzulässig“. Die Angelegenheit hätte von einer Wirtschaftsstrafkammer beurteilt werden müssen, „weil für die Beurteilung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind“. Die Anklage war jedoch bei der Großen Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt erfolgt. Zuständig wäre laut Szesny das Landgericht München II gewesen.

Fastenmeier habe sich seiner Verantwortung stellen und die Vorwürfe klären wollen, so sein Anwalt. Er habe dem ihm auferlegten Druck – in der U-Haft sitzend – „bei allem Kampfesgeist und trotz der immensen Unterstützung seiner Familie und seiner Freunde aber nicht mehr standgehalten“. Der zunehmende Eindruck, er, Fastenmeier, solle „allein den Kopf hinhalten für Vorgänge, die arbeitsteilig organisiert und transparent gehandhabt wurden“, hätten ihn offenbar verzweifeln lassen.