Ingolstadt
In zehn Lektionen auf große Fahrt

Rudern lernen auch Anfänger ziemlich schnell - und gewinnen auf der Donau einen neuen Blick auf die Stadt

22.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:10 Uhr
Fender los und Riemen auf Bordkante: Prof. Dreyer lehrt die Ruderanfänger erste Befehle. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Der Nachbau eines der 2000 Jahre alten Römerboote aus Oberstimm, die im Museum Manching zu sehen sind, hat am Wochenende im Rahmen des Festes der Kulturen Station an der Donaubühne gemacht. Wer wollte, konnte ein Stück mitruden - ein Selbstversuch.

Lektion 1: Es heißt Boot, nicht Schiff. Ein Boot ist offen, ein Schiff gedeckt. Lektion 2: Vor dem Rudern kommt das Pumpen. Und das nicht zu wenig. Denn bei anhaltendem Dauerregen sammelt sich eine erstaunliche Menge Wasser in so einem Boot an. Es handelt sich um einen Nachbau eines der Römerboote, die vor über 25 Jahren am Barthelmarktgelände in Oberstimm entdeckt worden waren und nach ihrer Restaurierung im Kelten- und Römermuseum Manching zu sehen sind. Doch während die Tage zuvor bei den Fahrten im Feilenmoos herrliches Sommerwetter herrschte, gießt es am Samstagvormittag in Ingolstadt ohne Pause -ausgerechnet als der Nachbau an der Donaubühne präsentiert werden soll.

Lektion 3: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern. Und so hat der Verfasser dieser Zeilen die ehrenvolle Aufgabe, zunächst mal ausgiebig die Handpumpe zu bedienen, während sich eine Mannschaft zusammenfindet. Doch bis zum Ablegen dauert es noch. Denn als nächstes folgt Lektion 4: Wir lernen die Ruderbefehle. Backbord ist links, steuerbord rechts. Ruder heißen Riemen. Und dann wird es erst so richtig kompliziert. Kurz und präzise erläutert Prof. Boris Dreyer als Steuermann die einzelnen Schritte:
Riemen auf die Bordkante legen, nach vorne drücken und über Wasser halten, eintauchen und zurückziehen. Und das bitte möglichst im Takt! Der Althistoriker der Uni Erlangen zeichnet verantwortlich für den originalgetreuen Nachbau, der jetzt auf der Donau auf die Reise bis nach Österreich und ans Schwarze Meer geht. Doch an diesem Samstag steht zunächst eine kleine Runde auf der Donau am Programm. "Sie hören auf meine Kommandos und tun genau das, was die ersten beiden Ruderleute machen", fordert Dreyer die Mannschaft auf.

Lektion 6: Das ist leichter gesagt als getan bei einem bunt zusammengewürfelten Haufen und einem Akademikeranteil von über 50 Prozent. Unweigerlich stoßen die Riemen zusammen, ein Gleichklang scheint anfangs schier unmöglich.-Allein die Ruderblätter richtig ins Wasser zu bringen, ist gar nicht so einfach - dabei schaut das bei den Kanuten auf der Staustufe immer so elegant aus. Doch nach relativ kurzer Zeit ist die Truppe einigermaßen im Takt. Ganz hinten sitzen zwei erfahrene Ruderer, die den Takt vorgeben. Und wenn sich alle einfach alle an die beiden halten, funktioniert es auch. Sogar eine Wende auf der Donau klappt ohne Probleme (und wenn nicht, ist die Wasserwacht mit ihrem Boot zur Stelle). Recht bald lernt die Schanzer Wasserratte Lekton 7: Rudern ist anstrengend. Schon nach kurzer Zeit stellt sich ein Ziehen in den Unterarmen ein und machen sich Muskeln bemerkbar, deren Existenz bislang völlig im Verborgenen lag. Aber mit ein bisschen Ehrgeiz schafft es die Mannschaft, auch gegen die Strömung voranzukommen.

Lektion 8 folgt leider erst nach erfolgreichem Anlegen wieder an Land: Man hätte sich die Plackerei wesentlich erleichtern können, erzählt ein erfahrener Ruderer. Denn man muss die 15 Kilo schweren Riemen beim Drücken nur knapp über dem Wasser, halten und vor allem muss man die Blätter nicht ganz ins Wasser eintauchen: Die Hälfte langt. Aber der erfährt man erst hinterher.

Lektion 9 ist mehr theoretischer Natur. Denn Dreyer und seine Mannschaft mit den vielen Freiwilligen haben das Boot nicht einfach zur Gaudi nachgebaut. Er erhofft sich durch den Praxistest neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wo die Quellen schweigen oder im Ungefähren bleiben: Wie belastbar waren diese römischen Patrouillenboote, die vor 2000 Jahren auf der Donau und anderen Flüssen verkehrten? Welche Eigenschaften haben sie? Hatten sie wirklich einen Mast? Und wenn ja, welche Art Segel setzten die Römer? Welche Leistungen schafften die Mannschaften von 16 oder 18 Soldaten (im Gegensatz zur landläufigen Meinung wurden diese Boote nicht von Sklaven gerudert)? Eine Erkenntnis hat Dreyer aus den bisherigen Fahrten schon gewinnen können: Auch unerfahrene Mannschaften waren ziemlich schnell in der Lage, diese 16 Meter langen und gut zwei Tonnen schweren Boote zu bedienen.

Beim Langstreckentest zur Donaumündung wird Dreyer darüber Erfahrungen sammeln und die Wissenschaft weiter bringen. Der Ruder-Neuling hat seine 10. und abschließende Lektion jedoch schon gelernt. Dieser Mannschaftssport fördert den Teamgeist und ist gut für den Rücken. Und so eine Ruderfahrt auf der Donau eröffnet einen völlig neuen Blick auf die Altstadt und die Klenzebauten.

Bernhard Pehl